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CDU-Regionalkonferenz
Kandidaten für Merkel-Nachfolge beschwören Aufbruchstimmung

Die Seele der CDU-Basis streicheln und Lippenbekenntnisse zur loyalen Kooperation mit Kanzlerin Merkel: Bei der ersten Regionalkonferenz für die künftige CDU-Spitze versuchen Merz und Spahn Zweifel zu zerstreuen. Den längsten Applaus bekommt Kramp-Karrenbauer.

Berlin/Lübeck (dpa) - Im Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel an der CDU-Spitze haben die drei Kandidaten auf der ersten Regionalkonferenz eine Erneuerung der Partei versprochen und sich zugleich zur Kooperation mit der Kanzlerin bekannt.

Es herrsche Aufbruchstimmung in der CDU, betonten Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer (56), Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz (63) und Gesundheitsminister Jens Spahn (38) am Donnerstag in Lübeck in der überfüllten Gollan-Kulturwerft vor etwa 800 Parteimitgliedern.

Merz und Spahn versicherten in der Fragerunde, sie würden im Falle der Wahl zum CDU-Vorsitzenden am 7. Dezember nicht gleich ans nächste Amt zu denken - gemeint war die Kanzlerschaft. Merz sprach seine früheren Meinungsverschiedenheiten mit Merkel an. Doch er werde den Koalitionsvertrag respektieren. «Die CDU ist vertragstreu.» Das würde auch sein Verhältnis zu Merkel bestimmen, die Regierungschefin bleiben will.

Spahn betonte, als CDU-Bundesvorsitzender würde seine Aufmerksamkeit zunächst der Partei und neuen Mitmachstrukturen gelten. Merz äußerte sich ähnlich: «Wir brauchen eine Partei, die von unten nach oben entscheidet und nicht von oben nach unten.» Kramp-Karrenbauer, die als Merkel-Vertraute gilt, will auch die Basis stärker einbinden: «Die 400 000 Mitglieder sind der größte Schatz der Partei.»

Spannung kam auf, als Spahn am Ende der Diskussion Äußerungen von Kramp-Karrenbauer ansprach, die sich gegen eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen hatte. Insbesondere kritisierte er Interview-Äußerungen Kramp-Karrenbauers aus dem Jahr 2015. Damals hatte sie gesagt, nach einer Öffnung der Ehe für Homosexuelle seien andere Forderungen nicht mehr auszuschließen, etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen. Spahn, der mit einem Mann verheiratet ist, sagte dazu, er habe mit Kramp-Karrenbauer sachlich darüber gesprochen und das Problem ausgeräumt - und das müsse auch bei anderen Themen gehen. Die CDU habe drei gute Kandidaten mit unterschiedlichen Stilen und Profilen, um die andere Parteien die CDU beneiden würden.

Zur Flüchtlingspolitik sagte Spahn, selbst die von der CSU propagierte Zahl von maximal 200 000 Migranten im Jahr sei zu hoch. «Wir sind kein multikulturelles Land», sagte Spahn - fügte aber hinzu, Deutschland sei weltoffen und tolerant. Kramp-Karrenbauer erteilte Parallelgesellschaften ebenfalls eine Absage, dies dürfe nicht zugelassen werden, es wäre eine «kulturelle Selbstverzwergung».

Den längsten Applaus nach ihrer zehnminütigen Selbstdarstellung zu Beginn der dreistündigen Veranstaltung erhielt Kramp-Karrenbauer mit 41 Sekunden, gefolgt von Merz (30 Sekunden) und Spahn (15 Sekunden).

Kramp-Karrenbauer ist die Favoritin an der Basis: In einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends unter CDU-Anhängern sprachen sich 46 Prozent für «AKK» aus, 31 Prozent für den Sauerländer Merz und nur 12 Prozent für Spahn. Das offene, die Partei belebende Nachfolgrennen kommt der Union bisher in der Wählergunst aber nicht zugute: Im Deutschlandtrend rangiert sie weiter bei 26 Prozent, gefolgt von Grünen (23 Prozent/+6), SPD (14/-1) und AfD (14/-2).

«Wir müssen zu neuer Stärke kommen», sagte Kramp-Karrenbauer. 26 Prozent wie zuletzt bei der Landtagswahl in Hessen seien für eine Volkspartei kein Maß. «Wir müssen wieder mehr Menschen von uns überzeugen.» Es gelte, die Zweifel in der Bevölkerung auszuräumen, dass die CDU noch die Partei der Inneren Sicherheit sei, dass sie noch Recht und Gesetz durchsetzen könne. Die Flüchtlingskrise von 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Damals waren rund 900 000 Migranten weitgehend unkontrolliert nach Deutschland eingereist.

Ähnlich kritisch blickten auch Merz und Spahn auf die Flüchtlingspolitik 2015 zurück - als einen Grund für den Aufstieg der AfD. Den Erfolg der rechtspopulistischen Partei, die in allen Landtagen und im Bundestag sitzt, will Merz stoppen: «Das traue ich mir zu, die AfD zu halbieren - das geht», sagte er unter großem Beifall. «Nur, wir müssen dazu die Voraussetzungen schaffen.» Merz hält einen Wiederaufschwung der CDU in den Bereich von 40 Prozent für möglich. Notwendig seien aber «bessere Beteiligungsprozesse von unten nach oben» in der Partei, sagte er wie zuvor schon Kramp-Karrenbauer. «Die CDU ist eine Volkspartei der Mitte, wir verschieben sie nicht nach links und nicht nach rechts», sagte Merz.

Merz bekannte sich auch zu einer sozialen und ökologischen Wirtschaftspolitik - und einem stark vereinfachten Steuersystem. Und er betonte, die CDU müsse die Europartei in Deutschland bleiben und dazu beitragen, die Europäische Union aus der Krise zu führen.

Bis Ende November sind noch sieben weitere Regionalkonferenzen bundesweit geplant. Über den CDU-Vorsitz entscheidet ein Bundesparteitag am 7. Dezember in Hamburg.