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Kohlekommission tagt
Tausende demonstrieren gegen schnelles Ende der Braunkohle

«Das Revier ist in Wallung»: Im rheinischen Braunkohlegebiet machen Kumpel und Industrie-Mitarbeiter ihrem Ärger Luft. Sie werben für die Zukunft ihrer Jobs. Die Kohlekommission sucht unterdessen weiter nach einem Kompromiss für den Kohleausstieg. Es gibt auch erste Pläne.

Bergheim (dpa/lnw) - Zur Tagung der Kohlekommission im Rheinischen Revier haben mehr als 15.000 Braunkohlekumpel und Mitarbeiter stromintensiver Industrien für ihre Branche demonstriert.

Sie protestierten in Bergheim und bei einer anschließenden Kundgebung in Elsdorf gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle und warben für den Erhalt ihrer Jobs.

Wenige Kilometer entfernt kam die Kommission «Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung» zusammen. Sie soll bis Jahresende einen Plan für einen sozialverträglichen Ausstieg Deutschlands aus der Stromgewinnung aus Kohle vorlegen. Dazu wurden auch konkretere Ideen bekannt.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission schlägt in einem Entwurf eine komplette oder teilweise Verlagerung zweier Bundesämter in die Kohlegebiete vor. Bund und Länder sollten sich verpflichten, in den kommenden Jahren «Neugründungen, Verlagerungen oder Erweiterungen von Behörden oder Einrichtungen prioritär in den betroffenen Regionen vorzunehmen», heißt es in dem Entwurf vom Dienstag. Dafür kämen etwa das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) und das Bundesverwaltungsamt (BVA) infrage.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) appellierte an die Kommission, dass bei dem Ausstieg auch die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes erhalten bleiben müsse. Die Stromversorgung habe dafür eine enorme Bedeutung - allein die energieintensiven Industrien in NRW beschäftigten mehr als 250.000 Menschen. «Da sagt ja jeder: «Naja, das Licht wird hier schon nicht ausgehen.» Das mag sein», sagte Laschet. Aber in bestimmten Zweigen reichten bei Unsicherheiten Sekunden, um Arbeitsplätze zu vernichten. «Wichtig ist, dass die Kommission zu einem gesellschaftlichen Konsens beiträgt», betonte er. Egal, was entschieden werde - es müsse diesmal länger als nur 12 oder 15 Monate gelten.

Der Bund will den deutschen Kohleregionen ein Sofortprogramm mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro für den Ausstieg zur Verfügung stellen. In der Lausitz hatte die Kohlekommission bereits getagt. Nun war das Rheinische Revier in NRW dran. Für die Kommissionsmitglieder stand auch eine Rundfahrt auf dem Programm. In dem Gebiet gibt es bisher Abbaugenehmigungen bis 2045.

Am Protestzug nahmen nach Polizeiangaben rund 20.000 Menschen teil, bei der anschließenden Kundgebung seien es 15.000 gewesen. Die Gewerkschaft IG BCE nannte deutlich höhere Zahlen und sprach am Nachmittag von mehr als 30.000 Demonstranten. «Wir lassen uns nicht zum Opfer von Zechprellern machen, die in der Klimapolitik das Blaue vom Himmel versprechen, andere aber die Rechnung bezahlen lassen», erklärte der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis.

Der frühere SPD-Chef und brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte, die Kommission sei genauso zerrissen wie die ganze Gesellschaft. Und sie diskutiere auch genauso heftig. «Aber uns eint der Wille, dass wir eine Lösung finden», versprach er. Platzeck ist einer der Vorsitzenden der Kohlekommission.

Auf Demo-Schildern waren unter anderem Sprüche wie «Hambi muss weg» und «Baggi bleibt» zu lesen - das spielte auf den Konflikt um die mögliche Rodung des Hambacher Forstes für den Braunkohleabbau an. «Hambi bleibt!» war dabei zum Schlachtruf von Kohlegegnern und Baumschützern geworden.

«Das Revier ist in Wallung», beschrieb der Landrat des örtlichen Rhein-Erft-Kreises, Michael Kreuzberg, die Stimmung. Es handele sich um das größte Kohlerevier Deutschlands - deshalb brächte ein Kohleausstieg auch die größten Herausforderungen und die höchste Fallhöhe. Wenn die Kohlekommission falsche Beschlüsse fasse, könne es «Industrieruinen» geben, warnte Kreuzberg. Und die Veränderungen seien gewaltig: «Wir reden über zukünftige Restseen, die größer sind als der Tegernsee oder der Chiemsee.»