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Debatte um Asylpolitik
Kritik an Seehofers geplanten Ankerzentren wächst

Bayerisches Transitzentrum
Hände an einem Zaun im Transitzentrum für Asylsuchende in Manching, Bayern. Das Transitzentrum könnte eines von mehreren sogenannten Ankerzentren werden. Foto: Stefan Puchner
Bundesinnenminister Seehofer will mit Ankerzentren und anderen neuen Projekten Schlagzeilen machen. Gerne noch vor der bayerischen Landtagswahl. Doch zur Zeit ist der CSU-Vorsitzende vor allem damit beschäftigt, das Chaos beim Bamf aufzuräumen.

Berlin (dpa) - Während Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit der Aufklärung der Missstände beim Flüchtlingsbundesamt beschäftigt ist, wächst die Kritik an den von ihm geplanten Asyl- und Abschiebezentren.

Zwei Dutzend Verbände aus der Kinder- und Flüchtlingshilfe stellen sich in einem offenen Brief an Seehofer gegen seine Pläne für die sogenannten Ankerzentren. Sie halten die geplanten Einrichtungen für ungeeignet für Kinder und Familien.

Die Rechte von Kindern und Jugendlichen müssten in allen Verfahren berücksichtigt werden, verlangte die rechtspolitische Sprecherin der Kinderhilfsorganisation Save the Children Deutschland, Meike Riebau, am Samstag. Dazu gehöre der Besuch von Schulen und Kindergärten und eine Umgebung, in der Kinder sicher und gesund aufwachsen könnten.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will spätestens bis September bundesweit bis zu sechs Zentren eröffnen, in denen Ausländer bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens und einer möglichen Abschiebung wohnen sollen. Nach einer Länderumfrage der Deutschen Presse-Agentur sind bisher allerdings nur Bayern und das Saarland zur Einrichtung solcher Zentren bereit. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte vergangene Woche erklärt: «Das, was in einem Ankerzentrum zu tun ist, geschieht modellhaft in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen schon lange.»

Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, pflichtete Bouffier bei. «Die Einrichtung in Gießen ist im Prinzip ein Ankerzentrum minus Abschiebung», sagte er. Nach Ansicht der Flüchtlingsrechtsorganisation zielen Seehofers Pläne auf eine «Entrechtung der Asylsuchenden» ab. Die Schutzsuchenden sollten «entmutigt» und dazu gebracht werden, entweder in ihre Heimatländer oder in ein anderes EU-Land zurückzukehren.

Burkhardt warnte in der Affäre um Verfahrensfehler und Schlamperei im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) davor, die Schuld vor allem bei den Mitarbeitern zu suchen. «Man richtet den Fokus auf das Bundesamt, obwohl Kanzleramt und Bundesinnenministerium das Bamf unter einen enormen Druck gesetzt hatten, die Verfahren im Schweinsgalopp durchzuführen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Oberstes Ziel der beteiligten Politiker sei es gewesen, vor der Bundestagswahl 2017 die Zahl der unbearbeiteten Asylanträge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu reduzieren. Die Wohlfahrtsverbände hätten damals schon gewarnt, dass dies zu einer «fehlerträchtigen Entscheidungshektik» führen werde. Infolgedessen sei die Zahl der Asylklagen vor den Verwaltungsgerichten gestiegen, wo viele Antragsteller dann auch Recht bekämen, sagte Burkhardt.

Seehofer stellt die Arbeitsabläufe beim Bamf jetzt auf den Prüfstand. Hintergrund ist eine Affäre in der Bremer Außenstelle, die aktuell keine Asylanträge mehr bearbeiten darf. Das Bremer Amt steht nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft im Verdacht, zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt zu haben.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht neben dem Bund auch die Länder in der Pflicht, Konsequenzen zu ziehen. «Das bedeutet, dass in aller Klarheit aufgeklärt werden muss», sagte sie auf einem Parteitag der Bremer CDU. Es müsse geklärt werden, wo es persönliches Versagen im Bamf und wo es Fehler im System gegeben habe. «Wenn Befunde klar auf dem Tisch liegen, dann müssen die Konsequenzen gezogen werden. Und das müssen wir gemeinsam tun, der Bund und die Länder.»

Das Bamf überprüft neben Bremen auch zehn weitere Außenstellen auf Unregelmäßigkeiten, unter anderem im rheinland-pfälzischen Bingen. Dort hat ein Mitarbeiter am 6. Februar die Nürnberger Zentrale um eine Überprüfung von Verfahren gebeten. «Hintergrund des Hinweises sind fachlich divergierende Einschätzungen über asylverfahrensrechtliche Bewertungen zwischen den Mitarbeitern in der Außenstelle», hatte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bereits erklärt. Die «Bild»-Zeitung (Samstag) zitierte einen Mitarbeiter der Binger Stelle, wonach hunderte Asylentscheidungen «bewusst und mutwillig falsch» getroffen worden seien.