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Sommer-Pressekonferenz
Merkel: Vertrauen verloren durch rüde Töne im Asylstreit

Die Kanzlerin macht demnächst ein paar Tage Urlaub. Doch bevor sich die vom Streit mit Seehofer gezeichnete Regierungschefin eine Auszeit gönnt, gibt sie noch einmal den Anti-Trump: Gegen Abschottung, hohe Zölle und schroffe Töne.

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Eindruck, dass die jüngste Konfrontation zwischen ihr und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei den Bürgern nicht gut angekommen ist.

Auf die Frage, ob sie nachvollziehen könne, dass nun viele sagten, der Unionsstreit um die Asylpolitik habe Vertrauen gekostet und die Politikverdrossenheit befördert, antwortete sie am Freitag in ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz: «Ich glaube, dass das so ist. Und dass wir deshalb aufgefordert sind, durch weitere Arbeit zu zeigen, dass wir schwierige Probleme auch in einer anderen Tonalität lösen können.» Der Ton der Auseinandersetzung sei zuletzt oft sehr «schroff» gewesen. Das sei nicht gut, denn Sprache sei auch Ausdruck der politischen Kultur und könne «Spaltung auch befördern».

Es wäre aber falsch gewesen, der Auseinandersetzung über die Zurückweisung bestimmter Asylbewerber an der deutsch-österreichischen Grenze aus dem Weg zu gehen, sagte die Kanzlerin. Schließlich sei die Entscheidung, ob Deutschland in der Asylpolitik einseitig oder in Abstimmung mit den EU-Staaten handeln solle, etwas, um das es sich zu streiten lohne. Merkel sagte: «Das ist für mich eine zentrale Frage meiner Politik.»

DIE EUROPÄISCHE UNION sei in der Migrationspolitik immer noch «zerrissen», sagte Merkel. Ob die EU den neuen wirtschaftlichen, militärischen und außenpolitischen Herausforderungen gewachsen sei, die sich durch den veränderten «Ordnungsrahmen auf der Welt» ergeben, sei noch offen. Sie sagte: «Wir müssen unsere Beziehungen zu Russland ordnen.» Und betonte: «Dass sich die USA als Ordnungsmacht für die ganze Welt verstehen, im Guten wie im Schlechten», sei für die Zukunft nicht gesichert. Deshalb kämen ganz neue Fragen auf Deutschland und Europa zu.

DIE ZUSAMMENARBEIT MIT DEN USA bleibe aber trotzdem zentral und «ich werde sie auch weiter pflegen», sagte die Kanzlerin. Zur Äußerung von US-Präsident Donald Trump, dass die EU ein Gegner sei, sagte sie: «(Ich) kann mir diese Wortwahl nicht zu eigen machen. Ich habe da einen anderen Ansatz.» Trump hatte zuletzt die Nato in Frage gestellt. Zuvor war er bereits aus internationalen Vereinbarungen wie dem Pariser UN-Klimaabkommen und dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe ausgestiegen. Auf die Frage, warum Trump vor allem Deutschland so stark kritisiere, antwortete sie: «Sicher hat es auch etwas mit unserer ökonomischen Größe zu tun.» Sie versuche, sich mit der Kritik auseinanderzusetzen, «aber auch eine eigene souveräne Antwort zu geben. Die stimmt nicht in Allem mit den Betrachtungen des amerikanischen Präsidenten überein.»

HANDELSKONFLIKT: Auf Stahl und Aluminium auch aus der EU haben die USA bereits deutlich höhere Zölle verhängt - Trump droht aber auch mit höheren Zöllen auf Autos. Das könnte vor allem die deutsche Autoindustrie empfindlich treffen. In Washington ist nächste Woche ein Krisentreffen geplant. Merkel will eine Lösung am Verhandlungstisch. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker werde Trump Vorschläge machen, wie man in einen «Gesprächsprozess» kommen könne, sagte Merkel - mögliche Gegenmaßnahmen der EU seien die «mit Abstand schlechtere Lösung».

DIESEL: Die Koalition streitet darüber, ob es für bessere Luft in Städten umfangreichere Nachrüstungen älterer Dieselfahrzeuge geben soll. Die SPD fordert das, und zwar auf Kosten der Hersteller. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnt diese «Hardware-Nachrüstungen» wegen rechtlicher, technischer und finanzieller Bedenken ab. Merkel kündigte nun eine Entscheidung bis Ende September an. Sie sagte: «Das kann nicht bis in den Sankt-Nimmerleinstag vertagt werden.»

FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN: Merkel rief zu einem sorgsamen Umgang mit der Wahrheit auf. «Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns von allen Seiten, sowohl von Seiten der Politik, aber vielleicht auch von Ihrer Seite, von Seiten der Journalisten, mit der Frage der Verantwortlichkeit für richtige Meldungen beschäftigen», sagte sie. Das gelte auch für Internet-Plattformen. Sie glaube, «dass jeder, der so große Plattformen betreibt, auch dafür verantwortlich ist, dass bestimmte Standards dort eingehalten werden.» Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte erklärt, er wolle Beiträge von Holocaust-Leugnern weiterhin nicht grundsätzlich aus den sozialen Netzwerk verbannen.

UND WAS MEINT DIE OPPOSITION? «Die große Koalition hat gestritten, nicht regiert», sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. «Statt klarer Linie beobachten wir einen Zickzackkurs der Bundesregierung.» Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, erklärte, die Bundesregierung habe keine Vision für eine solidarische, demokatische Gesellschaft. Im Gegenteil: «Bisher ist sie nur aktiv an der Spaltung der Gesellschaft beteiligt.»

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