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Festschreibung bis 2040?
Merkel zurückhaltend bei Scholz-Vorstoß zur Rente

Es ist ein Thema mit Zündstoff: Wie sollen die Renten bei weniger Beitragszahlern und bereits jetzt rund 21 Millionen Empfängern auch über 2025 stabil gehalten werden? In der GroKo knirscht es.

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zurückhaltend auf den Vorstoß von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) reagiert, ein stabiles Rentenniveau über 2025 hinaus zu gewährleisten. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag in Berlin, die Regierung gehe auf Basis des Koalitionsvertrags vor.

Darin ist bisher nur festgelegt, dass bis 2025 ein Rentenniveau von 48 Prozent im Vergleich zum Durchschnittsverdienst garantiert wird. Zudem will man die Beiträge für die Arbeitnehmer zur Finanzierung der Renten bei 20 Prozent stabilisieren. Wie die Finanzierung und das Rentenniveau nach 2025 aussehen könnten, soll eine eingesetzte Expertenkommission klären.

«Klares Ziel aller in der Bundesregierung ist, die soziale Sicherheit für alle Generationen auch nach 2025 verlässlich auszugestalten», sagte Seibert. Er machte deutlich, dass der im Juni gestarteten Arbeit der Kommission nicht vorgegriffen werden soll. Es gebe etwas zu diskutieren: «Deswegen haben wir eine Kommission eingesetzt.» Seibert betonte: «Wir sind uns alle in dieser Bundesregierung einig, dass wir Maßnahmen ergreifen wollen, die die Alterssicherung auch nach 2025 leistungsfähig und auch tragfähig bewahren.»

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte, der Vorstoß von Scholz habe aus ihrer Sicht «sehr viel mit Parteitaktik zu tun» und weniger mit einer seriösen Debatte über das sensible Rententhema. Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, die Rentenkommission sei gerade erst eingesetzt worden - Scholz solle nun «nicht das Ergebnis vorwegnehmen». Besonders geärgert habe ihn dessen Drohung mit einem Rentenwahlkampf, sagte Laumann der ARD: «Die Frage, wie das mit der Rente weitergeht, wie wir den Ausgleich zwischen der jungen und der älteren Generation schaffen, das ist ganz schwer in Wahlkämpfen zu klären.»

Scholz sieht das Rententhema als wichtig an, um einen Regierungschef wie Präsident Donald Trump in den USA in Deutschland zu verhindern. Sein Sprecher betonte: «Wir stehen am Anfang einer Debatte, die ein klares Ziel hat.» Stabile Renten seien das beste Mittel gegen populistische Tendenzen. Ein eigenes Finanzierungskonzept gebe es aber noch nicht.

Seibert verwies auf die Entwicklung, dass in den 2020er Jahren viele geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen würden. Wegen der generellen demografischen Entwicklung und der längeren Lebenserwartung kommen auf immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner, was eine der größten politischen Herausforderungen werden wird. Eine Option könnte sein, mehr Steuermittel zu verwenden, die dann aber für andere Zukunftsinvestitionen fehlen würden. Scholz gehe es darum, eine politische Debatte anzustoßen, betonte sein Sprecher. «Da gibt es unterschiedliche Positionen, die jetzt zusammenfinden müssen.»

Die SPD stemmt sich bisher gegen eine Rente mit 68 oder 70 Jahren, um das Rentensystem durch längere Arbeitszeiten zu entlasten. Die Bezüge der rund 21 Millionen Rentner in Deutschland waren zuletzt im Juli gestiegen, im Westen um 3,22 Prozent und im Osten um 3,37 Prozent. Der Rentenbeitragssatz liegt derzeit bei 18,6 Prozent. Laut Rentenversicherungsbericht 2017 erhielten Männer in Deutschland zuletzt eine Durchschnittsrente von 1076 Euro und Frauen von 853 Euro - wobei die Bezieher von Mehrfachrenten (staatliche Renten und Unternehmensrenten) klar darüber liegen. Bis 2024 sollen die Ost-Renten an die Renten im Westen angeglichen werden.

Die Deutsche Rentenversicherung betonte, sie unterstütze die Arbeit der Kommission. Wichtig sei, zunächst eine fundierte Datenbasis zu schaffen, um Schritte für die nächsten Jahrzehnte vorbereiten zu können. «Erst wenn diese vorliegt, wird man die Wirkungen dieser Schritte hinreichend genau abschätzen können», sagte ein Sprecher. Die Vorsitzenden der Rentenkommission, Gabriele Lösekrug-Möller und Karl Schiewerling, erklärten laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag), Inhalt und Zeitpunkt der Äußerungen von Scholz dürften und könnten den Arbeitsauftrag nicht einschränken oder verändern.

Scholz hatte der «Bild am Sonntag» gesagt: «Wir werden darauf bestehen, dass die Bundesregierung ein stabiles Rentenniveau auch in den 20er und 30er Jahren gewährleistet und ein plausibles Finanzierungsmodell vorlegt. Das hat für uns hohe Priorität.»

Die Grünen kritisierten fehlende Unterfütterung mit konkreten Zahlen. Wenn es der SPD wirklich um eine langfristige Stabilisierung ginge, «dann müsste sie einen breiten Konsens suchen, statt mit markigen Sprüchen das Sommerloch für taktische Spielchen zu nutzen», sagte die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt der «Rheinischen Post». Es sei «bigott und unglaubwürdig», wenn Scholz aus heiterem Himmel im Alleingang die langfristige Renten-Stabilisierung verspreche.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte: «Das Rentenniveau bis 2040 zu garantieren und auskömmlich zu finanzieren, ist die richtige Antwort auf die berechtigte Sorge vieler Beschäftigter, im Alter nicht über die Runden zu kommen.» Auch der Sozialverband VdK begrüßte die Debatte. «Das Sicherungsniveau muss aber mittelfristig auf 50 Prozent erhöht werden», sagte Präsidentin Verena Bentele. Langfristig müssten auch Selbstständige, Politiker und Beamte in eine «Erwerbstätigenversicherung» einzahlen. FDP-Experte Johannes Vogel kritisierte, Scholz rede über Milliarden-Mehrausgaben, ohne zu sagen, wie dies finanziert werden solle. Die «aufgescheuchte Reaktion» der Union zeige aber auch, dass Scholz einen wunden Punkt berühre.

Koalitionsvertrag