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Nahles kämpft für ein Ja
Die SPD wählt - Groko-Ärger an der Basis

Wahlunterlagen zum SPD-Mitgliedervotum
Wahlunterlagen zum SPD-Mitgliedervotum. Foto: Peter Steffen
Nun liegt alles in der Hand der SPD-Mitglieder. Für oder gegen die GroKo unter Merkel - das Mitgliedervotum bei den Sozialdemokraten ist eröffnet. Die designierte SPD-Chefin Nahles kämpft für ein Ja der Genossen und gegen immer neue Tiefstände in den Umfragen.

Berlin (dpa) - Begleitet von Kritik der Basis hat die SPD ihr mit Spannung erwartetes Mitgliedervotum über den Eintritt in eine große Koalition gestartet. Wahlberechtigt sind 463 723 Mitglieder.

Zusammen mit einer eidesstattlichen Erklärung müssen die Stimmzettel bis zum 2. März beim Vorstand eingegangen sein. Es wird mit einem sehr knappen Ausgang gerechnet.

Für Ärger an der Basis sorgte ein Begleitschreiben der Parteispitze um die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles, in dem sich Sätze finden wie: «Wir als Verhandlungsteam empfehlen Dir aus Überzeugung, mit JA zu stimmen.» Das wurde als zu parteiisch pro GroKo kritisiert. Nahles wies die Kritik zurück. Die Gegner einer großen Koalition seien auf allen Kanälen ausführlich zu Wort gekommen. Der Mitgliederentscheid sei vielmehr «eine Sternstunde innerparteilicher Demokratie».

Auch eine Posse um eine Hündin, die nach Angaben der «Bild»-Zeitung Mitglied der SPD geworden sein und auch die Unterlagen für das Votum samt Sonderausgabe des «Vorwärts» mit dem 177-seitigen Koalitionsvertrag erhalten haben soll, beschäftigte am Dienstag die SPD. Hinter dem Hund verbirgt sich aber wohl eine weibliche Scheinidentität bei einer Onlineanmeldung.

Die SPD erklärte, sie wende sich «wegen grober Verstöße gegen die Grundsätze der journalistischen Ethik» an den Deutschen Presserat. «Der Bericht «Dieser Hund darf über die GroKo abstimmen» ist in seiner Kernaussage falsch, zudem hat die BILD bei der Recherche durch Angabe falscher Identitäten beim Parteieintritt Ziffer 4.1. des deutschen Pressekodex verletzt», betonte die Partei.

«Ein Hund stimmt nicht mit ab», versicherte Nahles am Rande einer Fraktionssitzung. Sie verwies darauf, dass auch eine eidesstattliche Erklärung zu unterschreiben sei. «Wie ein Hund das vollbringt, ist mir ein Rätsel. Das halte ich nicht für möglich.» Sollte sich hingegen ein Mensch als Hund ausgeben, könnte eine strafrechtlich relevante Täuschung vorliegen. «Wenn das eine Täuschung ist, dann werden wir das auch ahnden.»

Der Mitgliederentscheid kostet rund 1,5 Millionen Euro, am 4. März soll das Ergebnis in der SPD-Zentrale in Berlin verkündet werden. Bei einer Mehrheit für ein Ja, könnte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dank der Stimmen des Juniorpartners SPD im Bundestag bis Mitte März erneut zur Kanzlerin wählen lassen. Nahles rief ihre Partei zur Zustimmung zu dem mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag auf.

Sie sei viel im Land unterwegs, um die Mitglieder von den Inhalten zu überzeugen, sagte Nahles der Deutschen Presse-Agentur. «Für die Erfolge lohnt es sich zu kämpfen.» Nahles will nach dem Rückzug von Martin Schulz auf einem Parteitag am 22. April in Wiesbaden als erste Frau den Vorsitz der SPD übernehmen - bis dahin führt der Hamburger Regierungschef Olaf Scholz die Partei kommissarisch. Es gibt aber bereits mehrere Gegenkandidaten, die auch antreten wollen.

«Wir wollen das Leben der Menschen ganz konkret verbessern: für Familien, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Schüler und Studierende, in der Rente und in der Pflege», sagte Nahles. Daneben müsse aber auch die Erneuerung der Partei vorangebracht werden. Die Debatten und das Votum seien «ein tolles Signal lebendiger Demokratie.»

Juso-Chef Kevin Kühnert kritisierte einen «zukunftsvergessenen Politikstil», von dem sich viele jüngere Menschen abwendeten. Sie hätten ein «feines Gespür dafür, dass sie hingehalten werden». Beispielsweise mit Zielen bei Klimaschutz und Netzausbau, die so weit in der Zukunft lägen, dass die jetzigen Verantwortlichen kaum noch deren Umsetzung werden sicherstellen müssen. Eine solche Politik sei nicht mehr gefragt, betonte der Juso-Chef in einer Rubrik für das «Handelsblatt» (Mittwoch).

SPD-Vizechefin Malu Dreyer plädierte für einen respektvollen Umgang miteinander. In Mainz warb sie für eine große Koalition, betonte aber auch Gemeinsamkeiten mit Gegnern wie Juso-Chef Kühnert: «Alle verbindet eigentlich das Anliegen, dass es mit der SPD auch wieder aufwärts geht», sagte Dreyer. «Trotz unserer unterschiedlichen Haltungen sind wir alle SPD. Wir brauchen auch diese jungen Geister, die jetzt einfach einen anderen Weg gehen.»

Überschattet wurde der Start des Mitgliedervotums von einer Insa-Umfrage für die «Bild»-Zeitung, wonach die AfD (16 Prozent) erstmals die SPD (15,5) in einer bundesweiten Umfrage überholt haben soll. Allerdings könnte gerade dies so manchen Skeptiker zum Ja bewegen, da eine Neuwahl die SPD-Krise verschlimmern könnte.

Die nach dem Rücktritt von Schulz neuformierte Parteispitze um den kommissarischen Vorsitzenden Scholz und die designierte Nachfolgerin Nahles wirbt auf insgesamt sieben Regionalkonferenzen um eine Zustimmung der Basis. 2013 stimmten beim ersten Mitgliedervotum über einen Koalitionsvertrag mit der Union rund 75 Prozent dafür. Gibt es auch dieses Mal eine Mehrheit, könnte sich die CDU-Vorsitzende Merkel erneut zur Kanzlerin wählen lassen.

Die Unionsfraktion im Bundestag rechnet im Fall einer Zustimmung der SPD-Basis nicht mit einer Sondersitzung zur Kanzlerwahl in der ersten Märzwoche. Er gehe von einer Wahl von Kanzlerin Merkel in der am 12. März beginnenden ersten regulären Sitzungswoche des Parlaments aus, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Dienstag in Berlin.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte in Berlin, er setze auf eine Zustimmung der SPD-Mitglieder, damit CDU/CSU und SPD «dem Land endlich eine handlungsfähige Regierung stellen können». Auch die CSU baut auf eine Zustimmung der SPD-Basis. Es gebe eine «sehr positive Erwartungshaltung», sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er widersprach zugleich Darstellungen, der Vertrag habe mehrheitlich sozialdemokratische Inhalte. Es handele sich um ein «gut ausgewogenes Werk» mit positiven Kompromissen an vielen Stellen, das deswegen «von allen drei Parteien gleichermaßen gut zu tragen» sei.