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Behörden in der Kritik
Schon fünf rechtswidrige Abschiebungen seit Jahresbeginn

Wer nicht bleiben darf, muss gehen: Abschiebungen werten Politiker gern als Zeichen, dass der Staat handlungsfähig ist. Doch was passiert, wenn gehen muss, wer eigentlich bleiben dürfte?

Berlin (dpa) - Neben dem Islamisten Sami A. haben die Behörden im laufenden Jahr bereits vier weitere Ausländer rechtswidrig abgeschoben.

Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Margarete Bause hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In allen Fällen seien «die erforderlichen Verwaltungsakte noch nicht vollziehbar» gewesen, schreibt das Ministerium. Die Zahlen beziehen sich auf den Stand 8. August. Seitdem gab es noch einen Abschiebeflug nach Afghanistan.

Die Häufung seit Jahresbeginn ist auffällig. So sind der Bundesregierung für die Jahre 2015 und 2016 keine rechtswidrigen Abschiebungen bekannt und für das Jahr 2017 zwei Fälle. Die Betroffenen wurden in ihre Herkunftsländer Nigeria, Afghanistan, Kosovo, Marokko, Simbabwe, China und Tunesien abgeschoben.

«Wir alle in der Bundesregierung sehen uns natürlich in der Pflicht, rechtsstaatlich zu handeln und gründlich zu handeln», betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Eleonore Petermann, räumte ein: «Jeder einzelne Fall ist schlecht, ohne Frage.» Sie erinnerte aber auch daran, dass für Abschiebungen in erster Linie die Bundesländer zuständig sind, obwohl Bundespolizisten die Flüge begleiten.

Aus dem Fall eines jüngst zu Unrecht nach Afghanistan Abgeschobenen habe man gelernt, dass künftig «Abgleiche mit laufenden Gerichtsverfahren» durchgeführt werden sollten, sagte Petermann. Nasibullah S. ist seit dem vergangenen Wochenende zurück in Deutschland. Der 20-Jährige war einer von jenen 69 Menschen, die am 69. Geburtstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) abgeschoben worden waren.

Die Hintergründe der einzelnen Fälle sollten aufgearbeitet werden, versprach Petermann. Eine mögliche Erklärung für die jüngste Häufung der Fälle könne möglicherweise die insgesamt steigende Zahl der Abschiebungen sein.

Das belegen die Zahlen allerdings nicht. 2015 wurden 20.888 Menschen abgeschoben, 2016 waren es 25.375 Personen und 2017 insgesamt 23.966. Von Januar bis Juni des laufenden Jahres gab es 12.261 Abschiebungen, wie jeweils aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linksfraktion hervorgeht.

Bei fünf der sieben 2017/18 widerrechtlich Abgeschobenen hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben «eine umgehende Rückholung» betrieben; in drei dieser Fälle reisten die Betroffenen auch bereits wieder nach Deutschland ein, in den anderen beiden noch nicht.

«In zwei weiteren Fällen ist noch keine Entscheidung zur Rückholung getroffen worden», schreibt das Bundesinnenministerium. Bei einem davon handelt es sich nach ergänzenden Angaben des Ministeriums um Sami A., der nun nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts vom Donnerstag auch nach Deutschland zurückgeholt werden muss.

Im anderen Fall geht es um einen Angehörigen der muslimischen Minderheit der Uiguren, der am 3. April zurück nach China geschickt wurde, obwohl über seinen Asylfolgeantrag noch nicht entschieden war. Deutschland bemüht sich nun, den 23-Jährigen zurückzuholen, weiß aber nicht, wo er sich aufhält.

«Dass die Bundesregierung in zwei von sieben Fällen noch keine Entscheidung zur Rückführung getroffen hat, ist diesen Betroffenen gegenüber eine Zumutung und ein Armutszeugnis für unseren Rechtsstaat», beklagte die flüchtlingspolitische Sprecherin des Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, forderte: «Gerade bei den Afghanistan-Fällen müssen die Länder-Innenminister sicherstellen, dass hier kein Unrecht geschieht.»

Die wachsende Zahl gebe Anlass zur Sorge, erklärte ihre Parteikollegin Bause, die auch Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist. «Dass Behörden laufende Verfahren ignorieren oder Gerichtsurteile missachten, stellt grundlegende Prinzipien unseres demokratischen Rechtsstaates in Frage. Das dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen.» Sie erwarte von der Bundesregierung und den Ländern eine schonungslose Fehleranalyse.

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