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Regierungsbildung
Union vor SPD-Gesprächen: Hart im Grundsatz, offen im Detail

Unter Schmerzen hat die SPD den Weg freigemacht zu ernsthaften Gesprächen über eine Regierungsbildung. Nun erwarten die Genossen Entgegenkommen von CDU und CSU. Ob das klappt?

Berlin (dpa) - Unionsvertreter haben erneut Hoffnungen der SPD auf substanzielle Zugeständnisse in den Koalitionsverhandlungen gedämpft.

«Man kann jetzt nicht das, was besprochen worden ist, wieder in Frage stellen», sagte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) am Montag in einem Interview der «Bild»-Zeitung.

Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) warnte im Südwestrundfunk (SWR): «Wer jetzt versucht, einzelne Teile wieder komplett aufzumachen, der macht das gesamte Paket wieder auf.» Andere Unionspolitiker deuteten aber Entgegenkommen an, etwa beim Thema befristete Arbeitsverträge und Flüchtlingsnachzug.

Der SPD-Sonderparteitag in Bonn hatte am Sonntag Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition zwar knapp gebilligt, die SPD-Führung aber zugleich aufgefordert, mehrere Punkte wieder in die Gespräche aufzunehmen. Dazu zählt die Abschaffung grundlos befristeter Beschäftigungsverhältnisse, die Überwindung der «Zwei-Klassen-Medizin» und eine «weitergehende Härtefallregelung» für den Familiennachzug von Flüchtlingen.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner, machte im Gespräch mit der «Passauer Neuen Presse» deutlich: «Die SPD-Mitglieder werden am Ende zustimmen, wenn wir ein gutes Ergebnis vorlegen. Daran arbeiten wir jetzt mit aller Kraft.» Von der Union verlangte er Bewegung. «Wir wollen konkrete Verbesserungen gegen die elende Praxis der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. Wir müssen ran an die Zweiklassenmedizin. Beim Familiennachzug für Flüchtlinge brauchen wir eine deutlich humanere Härtefallregelung. Dass Kinder aus Kriegsgebieten nicht zu ihren Eltern kommen dürfen sollen, ist unchristlich.» Am Ende stimmten die SPD-Mitglieder nur zu, «wenn das Gesamtpaket stimmt», sagte er.

Schon für diesen Montagabend war ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz geplant. Dabei wollten sie organisatorische Fragen klären und Abläufe festlegen. Zuvor sollten sich Union und SPD intern abstimmen. Die Koalitionsverhandlungen sollen noch diese Woche beginnen.

Beim Thema Migration gibt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sich offen für eine Härtefall-Regelung. «Man kann über alles reden», sagte er im «Deutschlandfunk». Zwar trage der in den Sondierungen ausgehandelte Kompromiss zur Migration «den Geist der Begrenzung und Steuerung». Der CDU-Politiker machte aber deutlich: «Über Härtefälle wird man im Detail immer sprechen können.» Kretschmer führte aus: «Härtefall heißt ja wirklich, in einem ganz engen, begrenzten Maße, für diejenigen, die in allergrößter Not sind.»

CDU, CSU und SPD hatten in den Sondierungsgesprächen vereinbart, dass der Zuzug von Flüchtlingen die Zahl von 180 000 bis 220 000 pro Jahr nicht überschreiten soll. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden. Betroffen ist, wer nicht als politisch verfolgt oder als schutzberechtigt im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gilt, im Herkunftsland aber trotzdem ernsthaft gefährdet wäre, etwa weil ihm dort Todesstrafe oder Folter drohen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nannte das Votum des Parteitages der Sozialdemokraten für Koalitionsverhandlungen ein «klares Signal». «Wir haben einen inhaltlichen Auftrag mitbekommen, noch über einige Punkte zu reden, die wir in den Sondierungen nicht erreicht haben», sagte er im ARD-«Morgenmagazin». «Und die Union hat, glaube ich, verstanden, dass die SPD überzeugt werden muss.»

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner betonte, die Vereinbarungen aus den Sondierungsgesprächen sollten nun zwar ausbuchstabiert werden. «Aber nicht etwas, was abgelehnt worden ist in dem Sondierungspapier, wieder rausholen», wie sie im «Morgenmagazin» von ARD und ZDF sagte. So seien Verbesserungen für gesetzlich Versicherte denkbar, wenn sie lange warten müssen auf einen Arzt oder gar keinen Termin bekommen. «Aber wir werden nicht einer Zwangsvereinigung mit einer Einheitskasse das Wort reden.»

Zum in der SPD heiß diskutierten Thema befristete Arbeitsverträge sagte sie, zunächst solle beispielsweise das SPD-regierte Rheinland-Pfalz Kettenarbeitsverträge bei Lehrern beenden. Mit der Befristung von immer mehr Jobs werden aus Sicht der SPD unternehmerische Risiken auf Arbeitnehmer ausgelagert und der Kündigungsschutz wird ausgehoben. Diese Nachteile würden aber nicht durch positive Beschäftigungseffekte ausgeglichen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärte derweil, die Koalitionsgespräche könnten bis Karneval abgeschlossen werden. «Jeder weiß, worum es jetzt geht, und das ist in dieser Zeit leistbar», sagte der Regierungschef auf WDR2 mit Blick auf Weiberfastnacht am 8. Februar.

Die AfD kündigte nach dem Votum der SPD eine «unbequeme» Oppositionsarbeit an. Als nunmehr stärkste Oppositionskraft werde ihre Partei «die Versäumnisse der großen Koalition in der Vergangenheit und auch Zukunft gnadenlos aufzeigen», erklärte die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel.

Die Grünen stehen nach den Worten von Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. «Es kann ja eine schwierige Situation entstehen. Und deswegen sage ich jedenfalls, wir verweigern uns keinen Gesprächen», sagte Göring-Eckardt am Montagmorgen im «Deutschlandfunk».

Weidel auf Twitter

Informationen zum SPD-Parteitag in Bonn

Sondierungspapier von Union und SPD

Informationen zur NoGroko-Kampagne der Jusos

Beschluss des SPD-Parteivorstands zu den Sondierungen