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Aus einem Leben voller Höhen und Tiefen

Susanne Heydenreich interpretiert Knef-Chansons. Foto: Holm Wolschendorf
Susanne Heydenreich interpretiert Knef-Chansons. Foto: Holm Wolschendorf
Die Kulturinitiative und Susanne Heydenreich gestalten einen gefühlvoll inszenierten Abend über die Künstlerin Hildegard Knef

Gemmrigheim. Das Bild auf der Leinwand zoomt den Waldfriedhof Berlin Zehlendorf heran. Ein Grab ganz kommt nah. Vor dem hellen Stein liegt ein Bouquet roter Rosen. „Von nun an ging’s bergab“ vernimmt das Publikum in der voll besetzten Kelter Gemmrigheim aus den hinteren Publikumsreihen. Susanne Heydenreich interpretiert das Chanson von Hildegard Knef. Im eleganten schwarzen Kleid und Federboa, begleitet vom Licht des Scheinwerfers, bewegt sie sich zur Bühne. Die Kulturinitiative Gemmrigheim (kig) hatte am Sonntagabend zu einem Hildegard-Knef-Abend eingeladen.

Susanne Heydenreich, die Intendantin des Theaters der Altstadt Stuttgart, Moderator Ambrogio Vinella sowie Dirk Schieborn am Klavier präsentierten eine grandiose Choreographie aus Knef-Chansons, eingespielten Originaltönen mit Selbstreflexionen, Fotos und Filmsequenzen, verortet im historisch-gesellschaftlichen Geschehen der jeweiligen Jahrzehnte. Susanne Heydenreich charakterisiert die 1925 in Ulm geborene und in Berlin aufgewachsene Hildegard als mutige Individualistin und als Frau von kluger Wahrnehmung. Sie sei oft fürs Verkehrte geliebt und fürs Falsche gehasst worden. Die Doppelmoral ihrer Landsleute habe ihr zu schaffen gemacht. Und auch der Suizid des 82-jährigen Großvaters – der Einzige, der sie nahm, wie sie war.

Ambrogio Vinella geht zurückins Jahr 1942: Deutsche Truppen im Kaukasus, Gandhi, Wochenschau. Knef beginnt bei der Ufa eine Ausbildung zur Trickfilmzeichnerin. Dazu singt die Interpretin: „Ich möchte am Montag mal Sonntag haben“. Zwei Jahre später spielt sie am Deutschen Theater Berlin zum ersten Mal in einer Rolle als Schauspielerin. Aus der Zeit der Liebesbeziehung mit einem Reichsfilmdramaturgen stammt das Lied: „Er war nie ein Kavalier“. 1947 heiratet die Knef zum ersten Mal und geht mit dem Amerikaner Kurt Hirsch in die USA. Als sie für ein Filmangebot nach Berlin zurückkehrt, wird ihre Rolle innerhalb von drei Tagen wegen der einstigen Liebschaft neu besetzt. Sie geht zurück in die USA und singt: „Ich zieh mal wieder um“. Der Film „Die Sünderin“ wird wegen einer Sequenz von sieben Sekunden – die Gastspieler führen sie dem Publikum vor – zum Skandal. Dafür jedoch wird Knefs „Der geschenkte Gaul“ zum Bestseller. Und sie hinterlässt 308 eingespielte Chansons, davon 180 mit eigenen Texten.

Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt Susanne Heydenreich: „Für mich ist Hildegard Knef eine der interessantesten Frauen der neueren Zeit.“ Gemeinsam mit Ambrogio Vinella und Dirk Schieborn hatte sie begonnen, in Biografien und Tagebüchern der Knef zu recherchieren und „diese wunderbaren Chansontexte“ zu interpretieren.

Daraus stellten die drei Darsteller Markantes aus dem Leben der „größten Sängerin ohne Stimme“, so ein Zitat von Ella Fitzgerald, zu einem berührenden Programm zusammen. „Ihre Chansons kommen vom Text her, nicht von der Stimme.“ In diesen verarbeitete sie die Herausforderungen ihres Lebens auf schonungslos offene Weise – ehrlich, zugleich melancholisch und zuweilen auch schnoddrig. Beim „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ ist der Abend wie im Nu verflogen. Die Gäste jubeln und die drei Gastspieler gewähren ihnen drei bezaubernde Zugaben.