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Analyse
Jähes Ende einer Klasse-Saison in 15 Sekunden

Keine andere Mannschaftssportart ist so stark reglementiert wie der Basketball. Jede Sekunde, jeder Wurf, jedes Foul, alle Assists, Rebounds, Ballverluste, Ballgewinne bis hin zu Plus-Minuswerten und Effektivität aller Spieler werden minutiös im Spielberichtsbogen festgehalten und sind deshalb nachvollziehbar und beweisbar.
Ludwigsburg. Kaum ein anderer Trainer in der Bundesliga kennt sich mit diesen speziellen Gegebenheiten aufgrund seiner Erfahrung aus mehr als 15 Bundesligajahren so gut aus wie John Patrick. Sein aggressives und auf die Defense ausgerichtetes Spielsystem kommt in der Szene und auch nicht bei allen Kollegen gut an. An der Loyalität, Fachkenntnis, Fairness und Höflichkeit des 49-jährigen Amerikaners aus dem Staate Maryland hat aber bislang niemand gezweifelt.

Umso erstaunlicher erscheint es, mit welcher Rigidität das Schiedsrichter-Trio Barth, Matip und Madinger am vergangenen Donnerstag dem Trainer entgegensprang und den MHP-Riesen binnen weniger Sekunden den Traum vom erstmaligen Play-off-Halbfinale nach 2007 raubte.

Genau 15 Sekunden waren im zweiten Viertel noch zu spielen, als Casey Prather aus der Distanz zur 47:39-Führung für die Ulmer traf. Die Chronologie der Ereignisse danach werden die MHP-Riesen so schnell nicht vergessen.

Zu spielen waren noch:

8,7 Sekunden: Cliff Hammonds wird von Per Günther gefoult. John Patrick wendet sich von hinten an Schiedsrichter Matip. Der dreht sich um und zeigt Technisches Foul.

00:08: Ulms Trainer Thorsten Leibenath nimmt eine Auszeit. Patrick geht regelkonform sofort zum Spielleiter-Tisch und will protestieren.

00:08: Schiedsrichter Barth hält Patrick davon ab, Matip und Madinger kreuzen das Feld, alle drei heben die Hand und verweisen Patrick aus der Halle. Patrick applaudiert, folgt aber der Anweisung.

00:08:Zwei erfolgreiche Freiwürfe von Chris Babb zum 49:39. Ballbesitz Ulm.

00:02:Foul Hammonds an Rubit, dann Technisches Foul gegen Hammonds: Drei Freiwürfe Rubit zum 51:39 und Ballbesitz Ulm.

00:00:Erfolgreicher Dreier Babb und 55:39-Halbzeitstand.

Trotz dieser Schwächung nach einem geschenkten 16:2-Lauf an die Ulmer und einer weiteren Disqualifikation von DJ Kennedy, der drei Minuten nach dem Seitenwechsel ebenfalls aus nicht nachvollziehbaren, bestenfalls fadenscheinigen Gründen mit einem Technischen Foul des Feldes verwiesen wurde, kamen die Riesen noch einmal auf sechs Punkte (79:85) heran. Am Ende reichte die Zeit aber nicht, um den Rückstand gegen die Ulmer, deren Nerven flatterten, zu egalisieren.

Die Dramaturgie der Ereignisse hat sich in diesen 15 Sekunden aufgepusht und den Ludwigsburgern den Lohn einer ganzen Saison – inklusive Pokal- und Champions-League-Viertelfinale – mit einem Schlag geraubt. Bei aller Hektik blieben die Riesen auch nach der Eskalation ruhig.

Ihre Art, den Rückschlag zu akzeptieren, wurde selbst von den Gegnern honoriert. Dass nun das Gespann der Unparteiischen ohne weitere Stellungnahme und Aufklärung aus der Verantwortung entlassen wird, haben die Spieler und Fans nicht verdient. Es wäre zum Schaden des Basketballsports in Deutschland.