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Boxerin Özlem Sahin lernt die Schattenseite des Sports kennen

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Özlem Sahin (rechts) im Kampf gegen Joana Pastrana.Foto: Andres Soriano
Der kämpferische Auftritt von Boxerin Özlem Sahin im WM-Duell in Madrid wird nicht belohnt. Der Heimvorteil beschert Joana Pastrana in der Nacht von Freitag auf Samstag den Gürtel im Minimumgewicht der International Boxing Federation (IBF).

Madrid/Ludwigsburg. Nach zehn heißen Runden im Polideportivo Jose Caballero fühlte sich die Remseckerin Özlem Sahin (41) am Ziel ihrer Träume. Ihr Trainer Sebastian Tlatlik hob seine kleine Kämpferin jubelnd in die Höhe, ihre Kontrahentin Joana Pastrana (27), wurde von einem Betreuer auf den Schultern durch den Ring getragen.

Die Punktrichter lieferten ein für die deutsche Ecke niederschmetterndes Urteil. Der Österreicher wertete 95:95, der Luxemburger (96:94) und der Spanier (97:93) schlugen sich auf die Seite der Madriderin, die freudestrahlend den WM-Gürtel in der Gewichtsklasse bis 47,6 Kilo entgegennahm und von den 1500 Fans frenetisch gefeiert wurde.

Das live im spanischen Fernsehen und im Internet übertragene Event gewährte einen Einblick in die Spielregeln des Boxgeschäfts. „Wenn der Kampf in Deutschland gewesen wäre, hätte Özlem gewonnen. Sie hat die klareren Treffer gesetzt“, gab Trainer Tlatlik zu Protokoll und beschrieb die spezielle Atmosphäre bei Kämpfen im Ausland: „Özlem macht einen Treffer und keiner klatscht, die Spanierin haut auf die Deckung und das Publikum ist begeistert.“

Nüchtern kommentierte Managerin Eva Dzepina die Wertung: „Wir waren uns dessen bewusst, dass da nur ein Sieg, der überragend deutlich ausfällt, möglich ist.“ Die Inszenierung vor dem Kampf und die Kameraführung bei der Fernsehübertragung stellten die Spanierin in den Mittelpunkt.

Auffallend von der ersten Sekunde an: die langen, krakenartigen Arme Joana Pastranas (1,61 m), mit denen sie sich die acht Zentimeter kleinere Sahin vom Leib hielt. Drang die beim MBC Ludwigsburg groß gewordene Deutsch-Türkin einmal in den Nahkampf vor, unterband ihre Gegnerin sofort durch Klammern die Angriffsaktionen.

„In den Anfangsrunden ist Özlem zu passiv gewesen. Die Spanierin war sehr unbequem, sehr unorthodox“, räumte Tlatlik ein. Zum Ende hin habe seine Boxerin Runden gut gemacht, doch selbst mit einem ganz starken Schlussspurt im Durchgang 10 konnte Sahin das Ruder nicht mehr herumreißen. „Ich bin stolz auf sie“, ergänzte Tlatlik.

Die 41-Jährige fühlt sich als Opfer der Boxsportpolitik: „Ich bin kaputt, traurig, enttäuscht. Sie haben uns verlieren lassen.“ In der Tat hat es mehr als ein Geschmäckchen, dass ein Spanier dem Juroren-Trio angehörte. Zudem lebt der Luxemburger laut Managerin Dzepina auf der iberischen Halbinsel.

Schlaf fand Sahin in der Nacht zum Samstag nicht. Die Tatsache, dass sich die WM-Titel der kleineren Verbände WBF und UBO weiterhin in ihrem Besitz befinden, kann sie im Moment nur als schwachen Trost empfinden. Dasselbe gilt für die stattliche Kampfbörse, die sie beim Gastspiel in Madrid verdiente.