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Konfliktpotenzial
Achsbruch in Amsterdam - Löw beharrt: Ex-Weltmeister wichtig

Die Achse bringt keine Stabilität mehr. Doch auflösen will der Bundestrainer seinen Block der Weltmeister von 2014 nicht. Fünf Ex-Champions wollen ihre Positionen weiter verteidigen. Löws Strategie birgt großes Konfliktpotenzial.

Amsterdam (dpa) - Jérôme Boateng humpelte nach überstandener Qual vom Spielfeld und fällt für das Frankreich-Duell aus, Manuel Neuer warf die Torwarthandschuhe auf den Rasen - und auch die weiteren Ex-Weltmeister waren bedient.

Joachim Löw aber wehrte sich vehement gegen Kritik an seiner Treue zu den Champions von 2014: «Nach dem War-Zustand wird niemand bewertet, sondern immer nach dem Ist-Zustand», beharrte der Bundestrainer, obwohl er beim 0:3 gegen Holland mit fünf festen Größen von Rio in der Startelf gerade einen fatalen Achsbruch erlebt hatte.

Neuer, Boateng, Hummels, Kroos, Müller - Löws Achse funktioniert einfach nicht mehr, zumindest nicht in der kompletten Besetzung. «Prinzipiell ist es immer Sache des Trainers, wie er aufstellt. Jeder hat die Qualität bei uns zu spielen, auch die Spieler, die auf der Bank saßen», bemerkte Confed-Cup-Sieger Joshua Kimmich.

Löw bleibt dabei: Ohne seine ehemaligen Weltmeister will er nicht planen. Das birgt Konfliktpotenzial. Man dürfe nicht «Wunderdinge» von den Spielern Anfang 20 erwarten. «Deswegen ist es immer noch wichtig, dass wir in der Mannschaft eine gute Mischung zwischen Erfahrung und Jugend haben», betonte der 58-Jährige.

«Wir haben vor vier Wochen gegen Frankreich, den Weltmeister, auch mit Boateng, Hummels oder Kroos ein gutes Spiel gemacht. Man braucht ein paar Spieler mit dieser Erfahrung, absolut.» Die Routiniers stimmten ihrem Chef zu.

MANUEL NEUER: «Ich glaube nicht, dass es heute daran gelegen hat», sagte der Kapitän zur Kritik, dass Löw nur einen hauchzarten Umbruch vollzieht. «Wir haben eine gesunde Mischung, viele gute Spieler», meinte Neuer. Doch auch der 32-Jährige selbst strahlt derzeit keine Souveränität aus. «Eine Mitschuld habe ich auf jeden Fall», sagte Neuer zum 0:1. Gibt es eine allgemeine Verunsicherung? «Das ist schwer zu sagen, da muss jeder in sich hineinhorchen.» Marc-André ter Stegen (26), Stammkeeper beim FC Barcelona, wäre zur Ablösung bereit.

JÉRÔME BOATENG: Der 30-jährige Münchner ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Er ist von optimaler Fitness weit entfernt und kann nun wegen Wadenproblemen auch gegen Frankreich nicht spielen. Schon nach 20 Minuten dehnte er auf dem Platz seine Muskeln, quälte sich später sichtbar angeschlagen über den Platz. Dennoch verzichtete Löw auf einen Austausch: «Wir mussten unsere Wechsel vorne machen.» Am Dienstag in Frankreich muss er nun notgedrungen eine andere Lösung suchen.

MATS HUMMELS: Auch Boatengs Bayern-Kollege kann die Verunsicherung nicht ganz ablegen. Nach starken Aktionen folgten in Amsterdam immer wieder Konzentrationsschwächen. Vor dem 0:1 konnte er den Kopfball von Ryan Babel nicht verhindern. Der 29 Jahre alte Innenverteidiger sieht sein Team nicht belohnt, weil die Tore fehlen. «Rein spielerisch haben wir Vieles gut gemacht, hatten eine gute Mentalität und Einstellung auf dem Platz. Es war nicht sehr gut, es war auch nicht perfekt, bei Weitem nicht. Aber es war auch nicht schlechter als der Gegner», behauptete Hummels.

TONI KROOS: Der viermalige Champions-League-Sieger hatte sich für den Neustart nach dem WM-Crash von Löw eine Sonderrolle genehmigen lassen: Er wollte nur dabei sein, wenn es wichtig ist. Jetzt ist es wichtig: «Ich will klar mithelfen, dass wir wieder in positivere Zeiten kommen. Das wird auch passieren. Wir dürfen definitiv nicht den Glauben an den Fußball verlieren, den wir teilweise gespielt haben», meinte der 29-Jährige. Spielwitz, Lockerheit und vor allem Tempo kann er dem deutschen Spiel derzeit auch nicht geben.

THOMAS MÜLLER: Es bleibt dabei: Es müllert nicht mehr im DFB-Team. Zwei Turniere nacheinander hat der einstige Torjäger nicht mehr getroffen. Und auch in Holland ging er trotz einiger guter Aktionen und Chancen wieder leer aus. In seinen vergangenen 26 Länderspielen zählte der 29-Jährige nur noch viermal zu den Torschützen. Erklären kann das Müller nicht - und der Bundestrainer auch nicht. «Er war gefährlich, war beweglich, ist in die Räume gegangen», beschrieb Löw Müllers Spiel in Amsterdam. Der Bayern-Profi traf wieder nicht. «In der Vergangenheit hat er diese Torchancen häufig genutzt. Es zeigt, dass viele Spieler ein angekratztes Selbstbewusstsein haben im Moment», urteilte der Bundestrainer.