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Lebensretter
Herzprobleme: Stabhochspringerin Bauer trägt Defibrillator

Stabhochspringerin Katharina Bauer hat vor etwa einem Monat einen Defibrillator eingesetzt bekommen. Ihre Karriere will die deutsche Hallenmeisterin dennoch fortsetzen. Und sie will sogar zu Olympia 2020.

Leverkusen (dpa) - Am 17. April wurde Stabhochspringerin Katharina Bauer ein subkutaner Defibrillator eingesetzt. Ein Gerät, das für den Notfall bei gefährlich anhaltenden Extra-Herzschlägen eingreift und einen plötzlichen Herztod vermeidet.

Seit Ende der Woche trainiert die deutsche Hallenmeisterin wieder. Ihre Herzprobleme hat sie bisher aus der Öffentlichkeit gehalten, im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur bricht sie ihr Schweigen.

Frau Bauer, wieso haben Sie Ihre Herzprobleme nie öffentlich gemacht?

Katharina Bauer: Ich habe bisher nur meinem Trainer und mein engstes Umfeld informiert. Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen, auch aus Selbstschutz. Wenn man dauernd drauf angesprochen wird, bleibt es immer im Kopf und beschäftigt dich permanent.

Wieso nun das Umdenken?

Bauer: Ich möchte für mich persönlich frei sein und kein Versteck spielen. Und ich möchte es selbst erzählen, damit nichts Falsches geredet und geschrieben wird. Außerdem möchte ich mit meinem Beispiel Mut machen. Es gibt viele Menschen mit Herzproblemen. Und ich möchte zeigen, was mit mentaler Kraft möglich ist.

Seit wann leiden Sie an Herzproblemen?

Bauer: Ich war schon mit sieben zum ersten Mal beim Kinderkardiologen. Damals wurden bei mir zwischen 6000 und 7000 Extra-Herzschläge pro Tag diagnostiziert. Von da an war ich alle drei Monate zur Vorsorge-Untersuchung. 2008 zur Abi-Zeit habe ich erstmals gespürt, dass irgendetwas in meinem Herzen länger stolpert. Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich in Ohnmacht falle. Ein Jahr darauf folgte meine erste Herzoperation, eine sogenannte EPU. Dabei wurde mittels eines Katheters durch die Leiste versucht, den Ort im Herzen zu veröden, der die Extraschläge auslöst. Da sie aus vielen verschiedenen Richtungen kommen, hat die Verödung leider nicht geklappt.

Woher kommen diese Unregelmäßigkeiten?

Bauer: Das ist sehr umstritten. Es könnte genetischer Herkunft sein oder sich durch eine Kinderkrankheit entwickelt haben.

Wie konnten Sie mit diesem Problem leben?

Bauer: Ich fühlte mich schon gesund, da ich mit dem Gefühl aufgewachsen bin. Dennoch brauchte ich immer mehr Regeneration im Vergleich zu meiner Konkurrenz. Ich habe immer hart trainiert, und das ist eine große Anstrengung für das Herz. Aber ich habe gelernt, damit zu leben. Ich habe viel Mentaltraining gemacht, Yoga und Meditation. Und ich habe mit meiner Mutter gearbeitet, die Hypnose-Coach ist. Ich hatte das alles erstaunlich gut im Griff.

Wie hat sich das Problem dann verschärft?

Bauer: Im Dezember 2016 wurden plötzlich 18 000 Extra-Herzschläge festgestellt. 2017 folgte die nächste Verödung. Die war erfolgreich.

Was passiert bei diesem Eingriff?

Bauer: Ich wurde vier bis fünf Stunden lang operiert, bei örtlicher Betäubung. Das hat tierisch gebrannt und war ein komisches Gefühl. Aber ich habe die ganze Zeit das EKG im Blick gehabt. Und gesehen: Es wird besser. Deshalb war ich überglücklich und kam völlig strahlend aus dem OP-Saal. Meine Eltern, die vor dem OP warteten, waren ganz erstaunt von meiner Energie nach so einer langen OP. Danach waren meine Extrasystolen auf 3000 reduziert - ein komplett neues Lebensgefühl.

Und dennoch kam der Rückschlag?

Bauer: Nach einer weiteren Untersuchung bekam ich Anfang des Jahres 2018 im Trainingslager in Südafrika einen Anruf. Ich war wieder hoch auf 15 000 Extra-Schlägen. Die Ärzte sagten: Wir müssen operieren, sonst wird es gefährlich. Falls meine Schübe, die etwa vier Sekunden andauern auf 30 Sekunden angestiegen wären, würde es lebensgefährlich werden. Dann hätte der plötzliche Herztod eintreten können.

Sie sind dennoch bei den deutschen Hallen-Meisterschaften angetreten und haben sogar gewonnen.

Bauer: Ich habe vorher gewusst: Das ist heute mein Tag. Dieser Titel war für mich eine ganz großer Erfolg. Er hatte für mich viel mehr Wert als jeder normaler Sieg. Denn nur ich wusste ja, was ich in dem Jahr davor alles durchmachen musste.

Wie haben Sie auf die Nachricht reagiert, dass der Defibrillator eingesetzt werden muss?

Bauer: Es war nicht schön, das zu hören. Mit dem Thema Tod konfrontiert zu werden, ist eine vollkommen neue Perspektive auf das Leben. Einen subkutanen Defibrillator zu tragen, war für mich nie eine Option, aber ich hatte keine Wahl. Es war klar: Wenn ich leben will, muss ich das tun. Die fünf Tage zwischen der Entscheidung und der OP waren ganz schrecklich. Ich spürte auf einmal jede Sekunde mein Herz poltern und wollte es einfach nur hinter mich bringen.

Und heute?

Bauer: Heute bin ich sehr glücklich damit. Ich spüre das Gerät noch, es fühlt sich an wie ein großer Stein. Der Körper muss sich erst einmal an den Fremdkörper gewöhnen. Aber ich fühle mich mit jeder Faser meines Körpers gesund. Normalerweise hätte ich noch eine Operation zur erneuten Verödung gehabt, jedoch habe ich es durch mentale Heilungsprozesse geschafft, die Systolen selbst auf 2000 am Tag zu reduzieren. Das ist ein Wunder. Demnach steht keine weitere Operation an.

Das heißt, Sie sind komplett gesund?

Bauer: Ich bin gesund geschrieben und darf wieder trainieren. Ende Mai steht noch mal ein wichtiger Belastungs-Check an.

Wie gut klappt das Training?

Bauer: Abwarten. Bisher gut. Das Problem ist zum Beispiel, dass das Gerät in der linken Körperseite unter dem Latissimus sitzt. Genau unter dem Muskel, den ich beim Stabeinstich benötige.

Haben Sie sich je mit dem Karriere-Ende beschäftigt?

Bauer: Nein, nie. Ich hatte schon so viele schlechte Nachrichten in meinem Leben. Aber ich weiß: es ist noch nicht vorbei. Ich bin ja erst 27. Und ich weiß auch: Wenn es jemand schafft, dann ich. Mich kann nichts mehr umhauen. Mein Ziel ist Olympia 2020. Ich wäre dann die erste Stabhochspringerin mit Defi bei Olympia. Danach lasse ich alles auf mich zukommen. Nahziel bleibt die EM im August in Berlin.

Sie sagen vorsichtig, Sie seien die erste Stabhochspringerin mit Defibrillator. Gibt es andere Leistungssportler, die einen tragen?

Bauer: Ob ich die Einzige bin, kann ich nicht sagen. Die Ärzte haben mir versichert, dass ihnen kein vergleichbarer Fall von Leichtathleten bekannt ist. Es gibt daher keinerlei Erfahrungswerte. Ich bin quasi das Versuchs-Kaninchen.

Hat Sie Ihr Sport auch immer angetrieben?

Bauer: Ja, der Sport hat mich angetrieben, immer wieder aufzustehen. Aber eine solche Situation verändert und relativiert vieles. Ich will gesund sein und jeden Tag in vollen Zügen genießen. Ich sehe immer alles positiv. Alles im Leben macht einen Sinn. Und vor allem weiß ich heute: Mir kann nichts mehr passieren. Der Defi würde mich in jeder Lebenssituation retten. Das heißt, ich bin abgesicherter als jeder andere Mensch. Und das gibt unglaublich viel Ruhe im Leben.

Welche Nachteile haben Sie durch das Gerät?

Bauer: Es muss alle sieben Jahre operativ ausgewechselt werden aufgrund der Batterielaufzeit. Ich muss mich von Magnetfeldern fernhalten, sonst könnte es sich verstellen. Das Handy muss ich immer mindestens 15 Zentimeter von mir entfernt halten, und ich darf nicht am linken Ohr damit telefonieren. Für den Scan am Flughafen habe ich einen Ausweis. Im Shoppingcenter muss ich immer schnell durch die Sicherheitskontrolle und darf nicht stehenbleiben. Als ich nach der OP zum ersten Mal im Supermarkt war, bin ich so schnell durchgelaufen, dass alle dachten, ich hätte was geklaut. Aber das alles hat auch was Positives: Ich darf keine Rasenmäher und Bohrmaschinen mehr bedienen. Das darf mein Freund machen, und ich schaue ihm dabei zu.

KATHARINA BAUER (27) ist geboren in Wiesbaden. 2014 wechselte die Stabhochspringerin aus Mainz nach Leverkusen. Sie ist amtierende deutsche Hallenmeisterin. Ihre Bestmarke liegt bei 4,65 Metern. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 verpasste sie wegen einer schweren Handverletzung.

Homepage Katharina Bauer