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RB-Coach im Interview
Lösungssucher Hasenhüttl: «Mir ist Jammern einfach zuwider.»

Dass der Erfolg von RB Leipzig nicht allein mit seinem Namen verbunden wird, stört Ralph Hasenhüttl nicht. Das passt zu dem 50 Jahre alten Österreicher: Lamentieren ist nicht sein Ding. Diese Einstellung verlangt er auch von seinen Spielern.

Leipzig (dpa) - Ralph Hasenhüttl hat einen klaren Ansatz. Er will Lösungen finden. So geht er jedes Spiel mit RB Leipzig an. So hat er den jungen Club nach der Übernahme als Trainer im Sommer 2016 bis auf den zweiten Platz der Fußball-Bundesliga geführt.

So will er wieder als «best of the rest» hinter dem FC Bayern in die Champions League einziehen. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht er unter anderem über die Arbeit an der Seite des RB-Architekten Ralf Rangnick, eigene Kritikfähigkeit und den Reiz, den der Posten als österreichischer Nationalcoach irgendwann einmal haben könnte.

Ihre Mutter hat ein Faible für Mode und Musik, ihr Vater für Malerei - wieviel Künstler steckt im Trainer Hasenhüttl?

Ralph Hasenhüttl: Ich weiß nicht, ob ein Fußball-Trainer ein Künstler sein muss. Er sollte ein ganz guter Taktiker und Stratege sein, das ist wesentlich wichtiger, um Spiele für sich zu entscheiden. Darüber hinaus sollte er auch über ein gutes Allgemeinwissen verfügen, weil es hilft, Situationen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Entscheidungen werden so durchdachter.

Ist das Trainergeschäft noch durchdachter, der Fußball insgesamt noch wissenschaftlicher geworden?

Hasenhüttl: Der Fußball ist sicherlich wissenschaftlicher geworden, es wird nicht mehr so viel dem Zufall überlassen. Das Spiel ist zufällig genug, so dass man versucht, alles außen herum zu beeinflussen, was man beeinflussen kann, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, erfolgreicher zu sein.

Wie weit kann man das ausreizen?

Hasenhüttl: Ich glaube, der große Reiz des Fußballs liegt darin, dass man es eben nicht komplett ausreizen kann. Dass man nicht alles planen und erklären kann. Das Glück wird im Fußball auch weiterhin immer eine ganz entscheidende Rolle spielen. Trotzdem gilt am Ende der Spruch: Immer Glück ist Können, immer Pech ist Unvermögen.

Ist die Arbeit als Trainer in Phasen, in denen man eine Mannschaft wieder in die Spur bringen muss, mühsamer als sonst?

Hasenhüttl: Es bleibt die Gleiche, es sind nur andere Herausforderungen, die auf einen warten. Wir arbeiten auch dann akribisch, wenn wir erfolgreich sind.

Man hört sie eigentlich nie jammern, sondern immer nur das Credo: Wir müssen Lösungen finden. Wie hat sich diese Einstellung bei ihnen herausgebildet?

Hasenhüttl: Mir ist Jammern einfach zuwider. Ich versuche natürlich für jede Situation Verständnis zu haben, ich will aber einen lösungsorientierten Ansatz. Alibis, Entschuldigungen, Jammern sind in unserem Sport fehl am Platz. Ich will bei einem Spieler das Gefühl haben, dass er es nicht akzeptiert, wenn etwas nicht funktioniert. Wenn das der Fall ist, bin ich bereit, einem Spieler jede Unterstützung zu geben, die er braucht.

Sie haben in einem Interview mal von einem coolen Trainerteam gesprochen, das sie in Leipzig haben - wie wichtig ist, dass dieses Team miteinander harmoniert und funktioniert?

Hasenhüttl: Das sind die Baumeister des tagtäglichen Geschäfts. Ihre Arbeit ist enorm wichtig, damit sich das Team ergänzt. Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass keiner zu viel und keiner zu wenig Arbeit leisten muss und sich jeder wertgeschätzt fühlt. Ich arbeite hier mit Menschen zusammen, die Experten auf ihrem Gebiet sind. Und sie wissen, dass ich ihnen absolut freie Hand lasse und ihnen vertraue. Am Ende des Tages bin ich aber derjenige, der den Kopf dafür hinhält, ob es funktioniert oder nicht. Das ist ihnen bewusst und deswegen arbeiten sie bestmöglich für den Erfolg.

Welche Rolle spielt Sportdirektor Ralf Rangnick?

Hasenhüttl: Ralf ist hier im Verein der Motor, wie ich immer sage. Er treibt alle an und trifft im sportlichen Bereich die strategischen Entscheidungen.

Sind Sie bei den strategischen Entscheidungen mit eingebunden?

Hasenhüttl: Wenn es meinen Bereich betrifft, natürlich, ansonsten braucht er meinen Segen nicht und entscheidet alleine.

Er hat zuletzt zweimal öffentlich die Mannschaft deutlich in die Pflicht genommen und kritisiert. Sie öffentlich weniger. Übernimmt er in der Öffentlichkeit eher mal die Rolle des «bad Cops» und Sie die des «good Cops»?

Hasenhüttl: Wir sind jeder für sich nicht immer nur positiv oder negativ. Wir haben beide nach dem letzten Spiel im vergangenen Jahr (2:3 gegen Hertha BSC) unsere Leistung sehr deutlich kritisiert. Wir tauschen uns intern regelmäßig aus - ganz unabhängig von der aktuellen Leistung. Das ist sehr wichtig. Man ist nicht immer einer Meinung, man muss aber einen Konsens finden, in welche Richtung es weitergehen soll.

Sie sprachen eben von ihren Trainerassistenten als Baumeistern. Ralf Rangnick wird gern auch als Architekt von RB gesehen. Haben Sie die Befürchtung, dass Sie bei allem Erfolg, den Sie bisher in Leipzig hatten und noch haben werden, in seinem Schatten stehen?

Hasenhüttl: Nein, null (lacht). Wieso sollte ich?

Weil man in der Öffentlichkeit vielleicht immer auch sagen könnte, dass ein Ralf Rangnick hinter diesen Erfolgen steht?

Hasenhüttl: Das ist doch absolut in Ordnung. Ich habe nicht das Gefühl, zu wenig Licht abzubekommen. Ich bin seit anderthalb Jahren hier, Ralf leitet seit über fünf Jahren alle sportlichen Geschicke des Vereins. Er hat den Verein dorthin gebracht, wo er jetzt ist. Ich bin hier, um das Bestmögliche aus der Mannschaft rauszuholen. Wenn mir das gelingt, habe ich eine guten Job gemacht.

Können Sie das auch so sehen, weil es ihrer Attitüde als Teamplayer entspricht?

Hasenhüttl: Ich habe schon als Spieler den persönlichen Erfolg hinter den der Mannschaft gestellt. So mache ich es auch als Trainer. Im Vergleich zu meinem letzten Verein, wo der Erfolg eher eng mit meiner Person verbunden wurde, ist mir die Situation hier wesentlich lieber. Das mag vielleicht ein bisschen uneitel klingen. Wichtig ist zu wissen, bis zu welchem Punkt man als Trainer Verantwortung übergeben kann und wann man sein Ding durchziehen muss.

Wie gehen Sie mit eigenen Fehlern um?

Hasenhüttl: Sehr kritisch. Ich hinterfrage mich sehr oft. Was ist gut, was muss besser werden? Jeden Tag, 365 Tage im Jahr. Ich will mich immer und in allen Bereichen verbessern. Das habe ich als Spieler so gemacht, das mache ich als Mensch und auch als Trainer.

Dürfen die Spieler Sie auch kritisieren?

Hasenhüttl: Wenn einer der Meinung ist, dass etwas nicht passt, und er gute Argumente hat, darf er immer zu mir kommen. Wenn ich die besseren Argumente habe, darf er ganz schnell wieder gehen.

Was ist wohltuender für Sie: Fans, die Sie und Ihre Mannschaft nach einem Spiel feiern oder öffentliches Lob von Vorstandschef Oliver Mintzlaff?

Hasenhüttl: Positiver Zuspruch tut immer gut. Dabei spielt es für mich keine Rolle, wem ich mit unserer Arbeit mehr Freude bereite. Ziel ist es immer, alle Menschen mit dem zu begeistern, was wir machen.

Haben Sie einen Karriere-Fahrplan?

Hasenhüttl: Nein, den habe ich nicht. Ich habe in meiner Trainerkarriere bis jetzt auch sehr viel Glück gehabt und die richtigen Schritte gemacht. Bis jetzt hat sich alles entwickelt, wie ich es mir nur wünschen konnte. Es war aber nie so, dass ich in irgendeiner Phase gesagt hätte, in zwei Jahren muss ich da sein, in weiteren zwei dort. Es hat in diesem kurzlebigen Geschäft auch keinen Sinn, man lebt von Monat zu Monat und versucht, mit Erfolgen im Job zu bleiben.

Nach welchen Kriterien haben Sie sich bisher ihre Arbeitgeber ausgesucht?

Hasenhüttl: Aussuchen ist relativ. Es ist nicht so, dass man aus einem Pool an Möglichkeiten die besten rausziehen kann. In der Situation war ich als Trainer jedenfalls noch nie. Und ich weiß auch nicht, ob ich jemals in dieser Situation sein werde. Ich habe mich letztlich immer auf mein Bauchgefühl verlassen, ob die Aufgabe zu mir passt oder nicht. Bisher hat es mich noch nie getäuscht.

Verändert sich aber irgendwann nicht die Zielsetzung und man will nicht nur aufbauen, sondern auch den nächsten Schritt machen?

Hasenhüttl: Ja, das sehen wir in diesem Jahr. Nach einer Saison, die kaum besser hätte sein können, gilt es nun, den Erfolg zu bestätigen. Und diesen zweiten Platz in der Bundesliga zu verteidigen, ist eine riesige Herausforderung, die ganz anders gelagert ist als alle bisherigen in meiner Karriere. Dementsprechend ist es für mich eine neue Erfahrung.

Wie sehr hebt die erstmalige Teilnahme an der Champions League auch das Anspruchsdenken der Spieler - jeder dürfte ja wieder dorthin wollen?

Hasenhüttl: Die Spieler dürfen sich die größtmöglichen Ziele setzen, die es gibt. Davon leben sie. Die Spieler dürfen von Champions-League-Titeln träumen, von Weltmeister-Titeln. Das brauchen sie ja auch, mir ging das als Spieler nicht anders.

Apropos WM - reizt es Sie, den österreichischen Fußball irgendwann mal als oberster Trainer erfolgreich zu machen?

Hasenhüttl: Da kommt bestimmt irgendwann der Moment, in dem man sich das gut vorstellen könnte. Ob man dann in dem Moment auch wirklich ein Kandidat für das jeweilige Land ist, bleibt dahingestellt. Es ist sicher eine reizvolle Sache, irgendwann so einen Job für das Land, in dem man geboren und aufgewachsen ist und dessen Nationalität man hat, zu übernehmen.

Auch um diesem Stress des Bundesliga-Alltags nicht mehr ausgesetzt zu sein?

Hasenhüttl: Das ist sicherlich auch ein Faktor, der irgendwann eine Rolle spielen wird. Im Moment wären mir die wenigen Spiele der Nationalmannschaft von der Anzahl her aber insgesamt zu wenig. Es gibt aber sicher auch mal einen Moment, in dem sich das dreht. Der Job an sich hat sicher seine Reize und es ist spannend, für eine Nation Siege zu holen.

Es gibt derzeit eine Qualitätsdiskussion um die Bundesliga. Aus Sicht des Fußball-Liebhabers und nicht des Trainers: Gefällt ihnen, was dort in der Breite so gespielt wird?

Hasenhüttl: Ich bin ja als Trainer auch schon ein paar Jahre im Fußball-Geschäft und habe praktisch alles spielen lassen: Ich habe elf Mann vor den 16er gestellt und damit Erfolg gehabt, viel Erfolg sogar, was mir die Chance gegeben hat, nach oben zu kommen. Jede Spielweise ist absolut legitim, wenn sie Erfolg bringt. Wenn ein Trainer merkt, dass ihn die Art und Weise trotz des Erfolges nicht mehr zufriedenstellt, wird er um eine Weiterentwicklung der Spielweise jedoch nicht herum kommen. Bei mir war genau das der Fall. Ich war immer einer, der sich neuen Herausforderungen stellen wollte und es weiter will.

ZUR PERSON: Ralph Hasenhüttl (50 Jahre alt) wurde in Graz geboren. Er trainierte die SpVgg Unterhaching, VfR Aalen und den FC Ingolstadt, bevor er nach Leipzig wechselte. Hasenhüttl gilt als geradlinig und authentisch.