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Gesundheit
Herzattacken im Profi- und Amateursport: Angst vor dem Tod ist allgegenwärtig

Emotionaler Moment nach dem Comeback: Nach mehreren Herzoperationen bejubelt Daniel Engelbrecht mit implantiertem Defibrillator seinen 2:1-Siegtreffer für die Kickers. Foto: Baumann
Emotionaler Moment nach dem Comeback: Nach mehreren Herzoperationen bejubelt Daniel Engelbrecht mit implantiertem Defibrillator seinen 2:1-Siegtreffer für die Kickers. Foto: Baumann
Wie gefährlich sind Herzerkrankungen im Amateursport? Spätestens seit dem Zusammenbruch des Nationalspielers Christian Eriksen bei der Fußball-EM 2021 wird immer wieder über Gefahren eines plötzlichen Herztods berichtet. Breitflächige Kontrollen können das verhindern – und Vernunft der Sportler.

Ludwigsburg. Jeden Tag mit der Angst vor dem Tod zur Arbeit zu gehen – das war für Daniel Engelbrecht drei Jahre lang Alltag. „Absurd, ich weiß“, lacht der heute 31-Jährige über seine Entscheidung vor acht Jahren, trotz eines während eines Fußballspiels erlittenen Herzstillstandes seine sportliche Karriere nicht zu beenden, sondern auf den Platz zurückzukehren – als erster Profi, der in Deutschland mit einem implantierten Defibrillator auflief. „Ich wollte unbedingt wieder auf den Platz, koste es, was es wolle“, sagt Engelbrecht. Insgesamt viermal war er am Herzen operiert worden, unter anderem im Klinikum Ludwigsburg, ehe er sein Comeback für die Stuttgarter Kickers in der 3. Liga geben konnte. „Das würde ich nie wieder so machen“, sagt er heute. „Jetzt weiß ich auch, wie es ist, einen Job auszuüben, in dem man sein Leben nicht gefährdet.“

Am 20. Juli 2013 war Engelbrecht im Spiel seiner Stuttgarter Kickers gegen Rot-Weiß Erfurt mit einem Herzstillstand auf dem Platz zusammengebrochen. Mehr als ein Jahr später gab er sein Comeback. Erst 2017 hörte er auf den Rat der Ärzte und beendete seine aktive Karriere, arbeitet heute als Talentscout und hält Vorträge über seine bewegende Geschichte.

Daniel Engelbrecht als Gast in etlichen Talkshows

Vergangenes Jahr wurde er in etliche Talkshows eingeladen. „Nach dem Vorfall mit Christian Eriksen haben die Anfragen zugenommen“, berichtet Engelbrecht über Auftritte bei Markus Lanz und Stern TV. Der Däne Eriksen war bei der Europameisterschaft 2021 auf dem Feld kollabiert. „Ich habe gesehen, wie er torkelt, und mir war sofort klar: Da stimmt etwas mit dem Herzen nicht“, sagt der gebürtige Kölner Engelbrecht. „Mir ist es eiskalt den Rücken heruntergelaufen.“ Eriksen musste reanimiert werden, gab jüngst, ebenfalls mit implantiertem Defibrillator, sein Comeback für den FC Brentford in der Premier League.

Das Thema Herzattacken bei Sportlern ist für den Asperger Kardiologen Dierk-Christian Vogt im wahrsten wie auch im übertragenen Sinne „eine Herzensangelegenheit“. Der Fall Eriksen sei ein Schock für die Sportwelt gewesen. „Von den Spezialisten, die da dran waren, kennt keiner die Ursache. Das Wahrscheinlichste ist, dass er eine Herzmuskelentzündung gehabt hat“, sagt Vogt. Eine solche Myokarditis als Ursache für einen Zusammenbruch sei laut Vogt häufig die Folge von leichtsinnigem Verhalten bei Krankheitssymptomen. Die Abfolge sei oft die gleiche: Sportler – im Profisport, aber immer häufiger auch auf Amateurniveau – ignorieren Signale des Körpers, trainieren und spielen beispielsweise bei einer Krankheit.

Kardiologe Dierk-Christian Vogt: Defibrillator als Lebensretter auf dem Sportplatz

Dem stimmt Engelbrecht zu: „Ich kann es nur vermuten, aber es liegt nahe, dass ich in einer Phase trainiert habe, als ich krank war. Es war nie so, dass ich dann gesagt habe, dass ich krank bin,und mich geschont habe“, berichtet der Ex-Profi. Er sei sogar kurz vor seinem Zusammenbruch einer sportärztlichen Untersuchung unterzogen worden. Bei diesen werden Herzmuskelentzündungen laut Engelbrecht aber nur selten bemerkt: „Es wäre ein Sechser im Lotto, wenn in dem Moment schwache Störungen auftreten würden.“

Sollte es doch zu Herzattacken auf Sportplätzen kommen, kann ein Defibrillator vor Ort zum Lebensretter werden. „Es gibt klare Daten, dass die Überlebenschancen mit einem Defibrillator vor Ort größer sind“, sagt Vogt. Von einer laut Studie doppelt so hohen Überlebenschance schreibt der Württembergische Fußballverband auf seiner Internetseite, wenn ein Defibrillator eingesetzt werden kann. Daher bietet der WFV seinen Mitgliedern vergünstigte Defibrillator-Modelle an. „Dass der WFV das tut, ist super“, sagt Vogt.

Emotionales Comeback bei den Stuttgarter Kickers

„Ich habe kein Verständnis dafür, wenn es irgendwo noch immer so ist, dass kein Defibrillator am Spielfeldrand ist“, sagt Engelbrecht. Zum Zeitpunkt seines Zusammenbruchs sei kein Defibrillator vor Ort gewesen. Umso größer das Glück, dass er trotzdem überlebte. Mittlerweile führt er sportlich ein normales Leben, spielt Tennis, betreibt Fitness, geht joggen. Nur Profifußball sei nicht mehr drin.

Dreimal habe sein eingebauter Defibrillator bisher eingesetzt. „Ich würde es merken, wenn er mich schockt. Das ist der schlimmste Schmerz, den ich je gespürt habe“, sagt Engelbrecht. „Es fühlt sich an, als wenn man von innen verbrennt und von außen drei Leute auf den Brustkorb treten.“ Seit seinem Karriereende sei das allerdings nicht mehr der Fall gewesen.

„Ich habe mein Leben tagtäglich aufs Spiel gesetzt“, blickt Engelbrecht noch immer mit etwas Reue zurück. „Gleichzeitig hatte ich aber auch durch mein Comeback den schönsten und emotionalsten Moment meiner Laufbahn.“ Vielen Fans der Kickers ist noch präsent, wie Engelbrecht am 6. Dezember 2014 in der Nachspielzeit auf der Waldau den Siegtreffer zum 2:1 gegen den SV Wehen Wiesbaden erzielte. Vor Freude riss er sich damals das blaue Trikot vom Leib. Darunter zu sehen war eine Schutzvorrichtung für sein Herz sowie ein Unterhemd mit einer klaren Botschaft: „Nichts ist unmöglich“.