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Golf
Praktikum statt Turnierreisen

Leonie Harm kann derzeit keine Turniere spielen. Foto: Presseatelier
Leonie Harm kann derzeit keine Turniere spielen. Foto: Presseatelier
Golferin Leonie Harm aus Gerlingen kann derzeit nur eingeschränkt trainieren – Wettbewerbe pausieren

Gerlingen. Auch die Gerlinger Golferin Leonie Harm erlebt die Wucht, mit der das Coronavirus das tägliche Leben und den Sport verändert. Und sie muss mit ansehen, wie ihre großen Pläne für 2020 vorerst durchkreuzt werden.

Mit gutem Erfolg hatte die 22-Jährige im Dezember 2019 ihren Bachelorabschluss in Biochemie an der Universität in Houston (Texas, USA) abgeschlossen, mit Bravour war sie ins Profigeschäft eingestiegen. Leonie Harm, die 2019 mit den Damen des GC St. Leon-Rot erneut den deutschen Meistertitel gewonnen hatte, qualifizierte sich im Januar in Spanien für die Ladies European Tour (LET). In einem Feld mit 156 Kandidatinnen, von denen die meisten schon Profispielerinnen waren, belegte sie Rang 22, und das, obwohl sie wegen ihres Studienabschlusses ein paar Monate kein Turnier mehr gespielt hatte.

Das große Abenteuer konnte beginnen – gleich mit einem Flug nach Westen rund um den Globus. Bei ihren ersten beiden Profiturnieren im Februar in Australien schaffte sie auf Anhieb den Cut.

Das zweite Event schloss Leonie Harm mit einem bemerkenswerten 17. Platz ab. Danach wollte sie in Abu Dhabi spielen, doch das dortige, gut dotierte ProAm-Turnier wurde wegen des Coronavirus abgesagt.

Zu Hause in Gerlingen unterstützt Hans-Dieter Harm die Ambitionen seiner Tochter. „Mit einem Beitrag zur Anschubfinanzierung“, wie er es nennt. „Das ist ein Darlehen, das sie aus späteren Einnahmen aus Preisgeldern tilgen will. Sie selbst geht finanziell auch ins Risiko, was ich sehr gut finde, da sich dadurch ihre Motivation automatisch erhöht.“ Als junge Unternehmerin muss Leonie Harm zunächst investieren.

Gedankenwelt eines Jungprofis

Der Vergleich ihrer Amateurzeit mit dem Profidasein gibt einen interessanten Einblick in die Gedankenwelt eines Jungprofis. „Als Spitzenamateurin war ich immer mit einem unheimlichen Erwartungsdruck der anderen im Team und meiner Trainer konfrontiert. Jeder hat erwartet, dass man als Top Ten der Welt immer vorne mitspielt“, beschreibt sie die eine Seite der Medaille. Ganz anders fühlte sich das Ganze zunächst im Jahr 2020 an. „Jetzt muss ich nur noch damit leben, dass ich weniger verdiene, wenn ich nicht gut spiele. Da habe ich viel weniger Druck“, stellt Leonie Harm fest.

Doch nun ist plötzlich alles anders. Mit einer Mittelohrentzündung und einer Handgelenksverletzung ist sie vom Turnier in Südafrika heimgekehrt, bei dem sie zwar den Cut geschafft, aber in der Finalrunde wegen ihres gesundheitlichen Handicaps nicht gut gescored hatte. Wegen der Pandemie sind jetzt alle Golfplätze in Deutschland gesperrt, Turniere fallen flach. Als Kaderathletin darf sie wenigstens im Leistungszentrum in St. Leon/Rot trainieren. Und der elterliche Rat, stets auf ein zweites Standbein bedacht zu sein, entfaltet schneller als erwartet seine Richtigkeit.

Spontan hat sich Leonie Harm auf eine befristete Praktikumsstelle bei einem Biotech-Unternehmen in Tübingen beworben, die sie am 1. April angetreten hat und die bis Ende September laufen soll. So kann sie die ungewisse Zeit sinnvoll überbrücken. Nach Feierabend arbeitet sie an ihrer Fitness, am Wochenende trainiert sie auf dem Platz.