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E-Sport
Wenn die Konsole Sportgerät wird

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Gut besuchtes, futuristisches Event: Ein Wettkampf des Computerspiels „Dota 2“.Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
E-Sport liegt im Trend, zumindest haben einige Profivereine bereits Abteilungen gegründet, die das Spielen an der Konsole oder am Computer fördern. Doch steht das nicht in Konkurrenz zur sportlichen Bewegung?

Ludwigsburg. Der FC Schalke 04 spielte eine überragende Saison. Zwar starteten die Knappen schlecht, aber dann waren sie kaum mehr zu schlagen. Erst ganz kurz vor dem Titel war der große Favorit zu stark. Den Königsblauen blieb nur Platz zwei, Meister der Herzen.

Nein, die Geschichte handelt nicht von einer erneuten Vizemeisterschaft der Schalker in der Fußball-Bundesliga. Es geht um E-Sport, den Wettstreit in Videospielen. Das League of Legends-Team der Knappen unterlag Titelverteidiger Fnatic in der Endrunde der European League of Legends Championship Series mit 1:3. 12 000 Zuschauer verfolgten das Finale der Play-offs im Palacio Vistalegre in Spaniens Hauptstadt Madrid.

Wie Schalke 04 haben viele professionelle Sportvereine in den vergangenen Monaten eine E-Sport-Abteilung gegründet. Auch der VfB Stuttgart macht den Trend mit, aber in der Fußballsimulation Fifa. Nähe zu Fans, neue Anhänger und mehr Einnahmen – das versprechen sich die Vereine von der digitalen Sparte. Ein Hype, der an Goldgräberstimmung erinnert.

Der E-Sport-Bund Deutschland hat nach eigenen Angaben gerade einmal 750 Mitglieder. Doch Experten schätzen die Zahl der mehr oder weniger professionell spielenden Menschen in Deutschland auf drei bis vier Millionen. „Dass der E-Sport immer häufiger in den Medien präsent wird, ist auf die enormen Spielerzahlen zurückzuführen“, sagt Kevin Rudolf, der an der Deutschen Sporthochschule in Köln zum Thema E-Sport forscht. „Bereits 2016 loggten sich monatlich mehr als 100 Millionen Spieler weltweit in das Online-Spiel League of Legends ein.“

Dabei stellt sich die Frage, ob sich die etablierten Sportvereine durch die Gründung von E-Sport-Abteilungen nicht ihrer eigenen Zukunft berauben. Denn Kinder, die zocken, können sich in dieser Zeit nicht selbst bewegen. „Die Zahl der Menschen, die unzureichend körperlich aktiv sind, steigt seit Jahren stetig an. Natürlich sind auch die digitalen Feizeitangebote, die sich durch Computer, Spielkonsolen und Smartphones ergeben, nicht ganz schuldlos an dieser Entwicklung“, berichtet Rudolf. „Darüber gibt es Zusammenhänge zwischen erhöhter Mediennutzung und verringerter körperlicher Aktivität.“

Alexander Reil, Vorsitzender der MHP-Riesen Ludwigsburg, gefällt diese Entwicklung nicht. „Mir wäre es lieber, die Leute würden sich in der Priorität selbst bewegen, anstatt fiktive Spieler bewegen zu lassen“, sagt der Chef des Basketball-Bundesligisten. Im Gegensatz zu Ligakonkurrent Fraport Skyliners Frankfurt haben die Riesen bisher keine E-Sportabteilung, Reil betont jedoch, dass die Entwicklung nicht zu stoppen sei. „Man muss die Themen verbinden. Ich muss Ideen entwickeln, bei denen die Leute Basketball nachspielen und dabei Lust bekommen, selbst in die Halle zu gehen oder real zu spielen, als Anregung.“

Für den Sportvorstand des Deutschen Handball-Bundes stellt der E-Sport keine Konkurrenz dar. „Die Menschen, die gerne Computer spielen, werden in diesem Bereich eine neue Herausforderung finden, aber die, die gerne in Gesellschaft und der Halle sind, werden das weiter wollen. Die Geselligkeit ist eine der Werte im Sport“, sagt der gebürtige Ludwigsburger Axel Kromer. Er sei offen für das Thema. „Es gibt derzeit kein Handballspiel, das im Netz auf einem guten Niveau existiert. Der Handball muss sich nur damit auseinandersetzen, wenn es eine Handballsimulation gäbe.“

Der Großteil des E-Sports läuft allerdings nicht in Sportsimulationsspielen wie Fifa oder NBA2K19 (Basketball), sondern in Fantansie-Strategiespielen wie League of Legends, Dota, Fortnite oder Starcraft.

Ähnlich wie Kromer sieht es Dirk Mack aus Löchgau, der als Nachwuchsdirektor beim Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim arbeitet. Auch die TSG engagiert sich im E-Sport. „Das ist sicher eine Entwicklung, die immer mehr Fans gewinnt. Aber ich denke nicht, dass der Fußball dadurch beeinträchtigt wird.“ Vor seiner Beschäftigung in Hoffenheim war Fußball-Lehrer Mack jahrelang Teamleiter der Verbandssportlehrer des Württembergischen Fußballverbandes. Dabei wirkte er am Buch „Kindertraining Fußballspielen“ mit, indem die Playstation als Konkurrenz zum Bolzplatz ausgewiesen wird.

Mack weist jedoch auf das Erscheinungsjahr 2006 hin, das nun zwölf Jahre zurückliegt. „Grundsätzlich glaube ich, dass sich die Lebensphilosophie der Jugendlichen verändert hat. Es gibt eben Entwicklungen, in denen die Playstation und das Handy dazugehören. Es geht darum, die Balance bezüglich der Nutzung zu finden.“ Auch für die talentierten Nachwuchsfußballer in seinem Leistungszentrum ist die Playstation ein Thema. „Wir sehen schon, dass sich die Spieler damit beschäftigen, aber es bestimmt nicht ihren Tagesablauf.“

Eine Suchtgefahr besteht dennoch. Die Weltgesundheitsorganisation nahm in diesem Jahr die Computerspielsucht offiziell als behandlungsbedürftige Krankheit auf. „Die Zahl der Personen, die davon betroffen sind, ist jedoch sehr gering“, gibt Wissenschaftler Rudolf Entwarnung. „Nichtsdestotrotz sollten Spieler und Eltern für dieses Thema sensibel sein und die Zeit, die vor dem Computer verbracht wird, kritisch betrachten.“