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DFB
Die Causa Özil als Stolperstein für den EM-Traum

Reinhard Grindel
Reinhard Grindel ist der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. Foto: Arne Dedert
Eigentlich wollte der DFB im Bewerbungs-Duell um die EM 2024 mit Themen wie Menschenrechte punkten. Doch nun nutzt Gegenkandidat Türkei die Affäre um Mesut Özil genüsslich zu seinem Vorteil. Der Weg aus der Krise wird auch für DFB-Chef Grindel zum Vabanquespiel.

Berlin (dpa) - Im April war die Welt für Reinhard Grindel und den Deutschen Fußball-Bund auch in den sozialen Netzwerken noch in Ordnung.

Mit einem Bild von Mesut Özil betrieben die deutschen Bewerber um die EM 2024 unter dem Slogan #UnitedbyFootball (Vereint durch Fußball) Eigen-Werbung - inzwischen drohen die Rassismus-Vorwürfe von Özil und dessen Rücktritt aus dem National-Team zum fatalen Stolperstein zu werden. Der Mitbewerber Türkei nutzt die Affäre bereits genüsslich zu seinem Vorteil. So bleiben Grindel und dem DFB bis zur Vergabe des Turniers am 27. September in Nyon keine zwei Monate, um das PR-Desaster irgendwie wieder vergessen zu machen.

Jede öffentliche Äußerung des DFB zur Causa Özil muss daher auch vor dem Hintergrund des Strebens nach der EM-Ausrichtung gelesen werden - auch das zunächst quälend lange Schweigen. «Das Turnier kann eine neue Geschichte des Fußballs erzählen, Kinder in die Vereine bringen, Menschen noch enger zusammenbringen. Mit und ohne Migrationshintergrund», schrieb Grindel zum Schluss in seiner ersten, persönlichen Stellungnahme nach den schweren Anschuldigungen Özils und endete mit dem Werbespruch der EM-Bewerbung: «United by football.»

Eigentlich hatte der DFB versucht, sich klar von der Türkei abzugrenzen, wollte im Kontrast auch mit Themen wie Pressefreiheit und Menschenrechte punkten. Doch nun bieten ausgerechnet die vermeintlichen deutsche Pluspunkte eine Angriffsfläche.

In einer Mitteilung, die das Londoner PR-Büro der türkischen Bewerbung auch auf englisch verschickte, sprach der Verband TFF seine «volle Unterstützung für Mesut Özil und seine Familie» aus. «Egal ob er in der Öffentlichkeit steht oder nicht, jeder Spieler muss vor Erniedrigung, Diskriminierung und vor hasserfüllten Botschaften geschützt werden», wird ein türkischer Verbandssprecher zitiert. «Alle Mitglieder der internationalen Fußball-Gemeinschaft müssen sich vereinen, wenn es darum geht, Rassismus und Intoleranz zu beseitigen und ihren Kampf unentwegt fortsetzen.»

Dass in der Originalmitteilung das englische Wort «united» - der Schlüsselbegriff der deutschen EM-Bewerbung - benutzt wird, dürfte nur schwerlich ein Zufall sein. So wird auch am Sitz der Europäischen Fußball-Union UEFA das Gebaren der Anwärter und vor allem Äußerungen übereinander in den letzten zwei Monate bis zum Zuschlag genau beäugt. Im UEFA-Reglement heißt es unter dem Punkt «Verhaltensregeln» in Artikel 18.02, dass Bewerber «das Bewerbungsverfahren oder den europäischen Fußball durch ihr Verhalten nicht in Verruf bringen» sollen.

Bis zur Eskalation der Affäre um Özil ging der DFB noch als Favorit ins Rennen um die Stimmen der 18 wahlberechtigten Funktionäre im UEFA-Exekutivkomitee. Gerade die osteuropäischen Delegierten gelten aber ohnehin als potenzielle Unterstützer der Türkei, die bereits den fünften Anlauf nimmt. «Dieser Mitleidfaktor der vorigen erfolglosen Bewerbungen ist sicher in den Köpfen der Mitglieder des Exekutivkomitees nicht ganz wegzuwischen», sagte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur.

Auch die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan seien «sicherlich nicht hilfreich» gewesen, analysierte der ehemalige deutsche Vertreter in den internationalen Gremien. «Das hat die politische Ebene in der Türkei, die eng mit dem Fußballgeschehen verbunden ist, zusätzlich herausgefordert.»

Die holprige Aufklärung des Skandals um die WM 2006 spielte auf internationalem Parkett zuletzt keine Rolle mehr, wie Exko-Mitglieder bekräftigen. Nun wird zur spannendsten Frage, ob Mitglieder der UEFA-Exekutive den zuletzt wieder als moralische Instanz auftretenden DFB bei der Kür für ein Missmanagement in der Causa Özil abstrafen.

Auch aus diesem Grund würde ein sofortiger Rückzug des in UEFA-Kreisen angesehenen Grindels, der als Vizepräsident für Governance-Fragen zuständig ist, die Krise womöglich vergrößern: Wie groß wäre das internationale Zutrauen in den DFB, wenn dieser seit dem Beschluss zur EM-Bewerbung im Oktober 2013 nach Wolfgang Niersbach bereits den zweiten Präsidenten verlieren würde?

Wenn Deutschland Ende September nicht den Zuschlag bekommen sollte, «dann haben wir letztlich alle verloren und nicht nur der Präsident», betonte Zwanziger. Doch spätestens eine Niederlage gegen die Türkei bei der EM-Vergabe könnte auch für Grindel dann den K.o. bedeuten.

Informationen zur deutschen EM-Bewerbung 2024

Bewerbungsreglement, pdf

Instagram-Account der deutschen EM-Bewerbung 2024

Erklärung Grindel

UEFA-Exekutivkomitee