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«Signal» an den Weltsport
Doping-Prozess: Mark S. zu knapp fünf Jahren Haft verurteilt

Doping-Prozess
Der deutsche Sportmediziner Mark S. (M). im Gespräch mit seinen Anwälten. Foto: Christof Stache/AFP-POOL/dpa
Im ersten großen Doping-Strafprozess in Deutschland seit Einführung des Anti-Doping-Gesetzes ist der Arzt Mark S. zu einer empfindlichen Haftstrafe verurteilt worden. Auch seine Helfer wurden schuldig gesprochen. Der Sport feiert das Urteil als wegweisend.

München (dpa) - Das sporthistorische Urteil ließ Mark S. mit starrem Blick im Sitzungssaal A101 des Münchner Strafjustizzentrums über sich ergehen.

Der Erfurter Arzt muss das jahrelange Geschäft mit Blutdoping hart büßen - der deutsche Sport feiert den Richterspruch als Meilenstein im Kampf gegen Manipulation und Betrug. Im ersten großen Strafprozess seit Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes in Deutschland im Jahr 2015 ist Mark S. zu vier Jahren und zehn Monaten Haft sowie einem dreijährigen Berufsverbot verurteilt worden. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sprach in einer ersten Reaktion von einem «enorm wichtigen Signal an den gesamten Weltsport».

Auch wenn die Strafkammer des Landgerichts München II unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Haft von fünfeinhalb Jahren geblieben ist, soll das Verdikt Sportler und Betreuer künftig abschrecken. Es drohen Strafen beim Doping bis hin zum Gefängnis. «Das Urteil heute ist deshalb ein wichtiger Wendepunkt», sagte Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti-Doping-Agentur.

Neben Mark S. wurden auch dessen vier Helfer schuldig gesprochen und zu Haft-, Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Ob Revision eingelegt wird, sagten die Anwälte des Hauptangeklagten am Freitag zunächst nicht.

Die deutschen Sport-Oberen und Politiker fühlen sich aber bestätigt, Ende 2015 erstmals Doping als Straftatbestand gesetzlich verankert zu haben. Das Urteil habe gezeigt, dass das Gesetz «nicht nur bei den Ermittlungen der Täter wertvoll» sei, sondern auch bei deren Verurteilung «angemessen umgesetzt» werde, meinte Hörmann. «Kurzum: Der heutige Tag wird als sehr positiver in die Sportgeschichte eingehen und diese künftig an manchen Stellen prägen.»

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mark S. über mehrere Jahre bei Sportlern Blutdoping durchführte, diese aktiv anwarb und mit dem Betrug auch Geld verdienen wollte. Der Thüringer hatte während der 23 Tage Beweisaufnahme zwar die Taten umfangreich gestanden, aber stets behauptet, dass er die Athleten aus Liebe zum Sport behandelte. «Man kann den Sport mögen und trotzdem gewerbsmäßig arbeiten», entgegnete Richterin Marion Tischler in der zweistündigen Urteilsbegründung.

Mitentscheidend dafür, dass der Mediziner auch nach fast zwei Jahren Untersuchungshaft weiter nicht frei kommt, dürfte der zweite zentrale Punkte der Anklage gewesen sein. Das Gericht verurteilte Mark S. auch wegen gefährlicher Körperverletzung. Er hatte im Jahr 2017 einer Mountainbikerin eine nicht für den Gebrauch am Menschen zugelassene Laborchemikalie injiziert - weil er die Substanz verwechselte. Die Österreicherin trug zwar keine bleibenden Schäden davon. Richterin Tischler sprach dennoch von einem «Menschenexperiment» und verbot dem Erfurter, in den nächsten drei Jahren wieder als Arzt zu arbeiten.

Bei solchen Ausführungen saß Mark S. zumeist regungslos auf seinem Stuhl und spielte mit dem Deckel einer Trinkflasche oder einem Stift.

Eigentlich hatte er sich als Arzt präsentieren wollen, der dopenden Sportlern zwar hilft, dabei aber stets die medizinisches Sorgfalt im Fokus behalte. Dem entgegnete die Richterin, dass bei der Razzia im Rahmen der «Operation Aderlass» im Februar bei ihm ein Maschine sichergestellt wurde, die eigentlich dem Transfusionszentrum in Ljubljana gehöre. «Offensichtlich waren die eigenen Dopinginteressen wichtiger als die Interessen von Patienten einer Klinik, die auf Transfusionen angewiesen sind», sagte Tischler und sprach von einer «Skrupellosigkeit» und einem «grellen Schlaglicht» auf die Causa.

Weil Mark S. der alleinige Kopf der Gruppe war - und das auch selbst mehrfach einräumte - wertete das Gericht die Vergehen nicht als bandenmäßig. Die anderen Angeklagten waren keine Mittäter, sondern nur Helfer. Der Handwerker Dirk Q. erhielt als wichtigster Adjutant eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten - er muss nach fast zwei Jahren Untersuchungshaft aber nicht mehr ins Gefängnis. Die Krankenschwester Diana S. wurde zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Für den Notfallsanitäter Sven M. und Ansgard S., einen Anwalt im Ruhestand, sprangen Geldstrafen heraus.

«Endlich erleben wir ein Urteil, das für die Betrüger im Sport drakonische Strafen beinhaltet», kommentierte Hörmann vom Deutschen Olympischen Sportbund. Für die Vereinigung Athleten Deutschland sind die Urteile ein Beleg dafür, dass sich zukünftig die Hintermänner nicht mehr in Sicherheit wähnen können. «Den Athleten beweist das Strafmaß, dass es die Justiz mit der Verfolgung der Hinterleute von Doping absolut ernst meint», sagte Geschäftsführer Johannes Herber.

Auch das Internationale Olympische Komitee begrüßte die Urteile. «Die Bestrafung der Entourage ist ein entscheidender und lange Zeit nicht genug beachteter Bestandteil des Kampfes gegen Doping», sagte ein IOC-Sprecher. Allerdings waren in dem Prozess keine weiteren Sportler und auch keine wichtigen und noch unbekannten Hintermänner enttarnt worden, weil Mark S. dazu auch auf Nachfragen beharrlich schwieg.

Nach dem ersten größeren Strafprozess gehe die Aufklärungsarbeit in der «Operation Aderlass» aber weiter. «Unsere sportrechtlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen», sagte Nada-Vorstandsmitglied und Chefjustiziar Mortsiefer. Womöglich werden bald noch weitere Doper zu Rechenschaft gezogen.

© dpa-infocom, dpa:210115-99-34032/8

Landgericht München II

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Bericht "Sportschau"