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Leichtathletik
Geher Hilbert und Linke kritisieren fehlende Anerkennung

Christopher  Linke
Deutsche Medallienhoffnung in Eugene: Geher Christopher Linke. Foto: Michael Kappeler
Jonathan Hilbert
Jonathan Hilbert kommt bei Olympia als Zweiter ins Ziel und jubelt über Silber. Foto: Shuji Kajiyama
Die deutschen Geher haben bei den Olympischen Spielen in Tokio mit Silber durch Jonathan Hilbert überrascht. Bei der WM in Eugene ist Christopher Linke über 20 Kilometer die erste Medaillenhoffnung.

Eugene. Deutschlands erste Medaillenhoffnung ruht zum Auftakt der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Eugene auf dem Geher Christopher Linke.

Der 33 Jahre alte Potsdamer war über 20 Kilometer bei der WM 2019 in London Vierter und bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio Fünfter. «Ich habe den Traum noch nicht ausgeträumt, eine Medaille zu gewinnen», sagte Linke vor seinem Start im US-Bundesstaat Oregon in der Nacht zu Samstag (0.10 Uhr MESZ/sportschau.de/ARD). Und Linke könnte Geschichte schreiben: Noch nie holte ein deutscher Geher über diese Distanz bei einer WM Gold, Silber oder Bronze.

«Es ist wunderbar, dass wir solche Eisen im Feuer haben», meinte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. «Wir wissen ja auch um die Wirkung, wenn jemand sehr früh überraschend eine Medaille macht. Da kann der Funke auf das Team überspringen.»

Disziplin im Schattendasein

Wegbereiter des Erfolges zu sein und im Rampenlicht zu stehen, sind die in der Leichtathletik ein Schattendasein fristenden Geher nicht gewöhnt. Auch für Jonathan Hilbert, der bei den Tokio-Spielen über 50 Kilometer Silber und damit die erste olympische Medaille seit 29 Jahren gewann, hat sich daran so gut wie nichts geändert.

«Gehen wird weiter stiefmütterlich behandelt, obwohl wir dem DLV die Bilanz etwas versüßt haben», sagte 27-jährige Thüringer mit Blick auf die nur drei olympischen Edelplaketten für den DLV. Wegen einer Corona-Infektion musste er kurzfristig auf die WM-Teilnahme und den Start über 35 Kilometer verzichten, kündigte aber auf Instagram an: «Ich werde alles geben, um diese Saison versöhnlich bei der EM im August in München beenden zu können.»

Geher-Kollege Linke schließt sich der Kritik an der Abseitsstellung der Disziplin an. «In Deutschland merken wir gar nichts, es hat nichts gebracht», klagte auch er. So müsse man weiter um Unterstützung und Geld für Trainingslager betteln, ergänzte Hilbert: «Es ist eine sehr schwierige Situation, die ich mir anders vorgestellt habe.» Zwar würden den Gehern nicht «mehr Steine in den Weg gelegt, aber trotz der Erfolge auch keine weggenommen».

DLV will Kritik nicht gelten lassen

Der DLV-Vorstandsvorsitzende Idriss Gonschinska will die Kritik an ungenügender Unterstützung nicht gelten lassen. «Wir finanzieren die Bundestrainer. Die Trainingscamps und Höhentrainingslager sind sehr aufwendig», erklärte er. «Das eine ist, was realisiert wird, das andere, was wahrgenommen wird.» Aber unstrittig sei, dass die Geher außerhalb der großen Meisterschaften «teilweise nicht vergleichbar wahrgenommen werden». In Deutschland sind ihre nationalen Titelkämpfe seit 2012 ausgegliedert worden.

Eine große Frage ist zudem, wie es mit dem Gehen bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris weitergeht. Bei der WM in Eugene wird es neben den 20 Kilometern erstmals für Männer und Frauen Wettbewerbe über 35 statt der 50 Kilometer geben. Bisher ist vom Internationalen Olympischen Komitee nicht entschieden, ob es bei den Einzelrennen über 35 Kilometer bleibt oder nur noch eine Mixed-Staffel geben wird.

«Das ist existenzbedrohend. Ich weiß nicht, wie lange ich die Sportart noch machen kann», wetterte Hilbert. «Meine Disziplin, die 50 Kilometer, gibt es nicht mehr, und die 35 wird sukzessive abgeschafft.» Linke ist darüber empört, will sich aber erstmal auf die WM-Premiere am 24. Juli über 35 Kilometer konzentrieren, bei der er auch vorne mitgehen will. «Mir fallen die 35 Kilometer leichter als die 50», sagte der Doppel-Starter.

© dpa-infocom, dpa:220713-99-13377/4