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Formel-1-Weltmeister
Hamiltons «Meisterwerk»: Sechster Titel - kein Ende in Sicht

Champion
Lewis Hamilton genießt nach seinem sechsten WM-Titel die Champagnerdusche. Foto: Darron Cummings/AP/dpa
Schon wieder ist Lewis Hamilton Formel-1-Weltmeister. Dem Briten fehlt nur noch ein Titel, um mit Michael Schumacher gleichzuziehen. Auf dem Weg dorthin scheint ihn derzeit niemand aufhalten zu können.

Austin (dpa) - Vom Champagner durchnässt ließ sich Lewis Hamilton vor der Mercedes-Garage feiern und streckte jubelnd sechs Finger für ebenso viele Formel-1-Titel in die Luft.

Die kurze Party nach dem WM-Coup genoss der britische Mercedes-Star in den USA ganz besonders - und wollte in Austin noch nicht an die spätestens jetzt greifbare Bestmarke von Michael Schumacher denken. «Michael zu erreichen, war nie ein Ziel für mich. Ich hätte gedacht, dass es nicht möglich ist, überhaupt nur in die Nähe von Michael zu kommen», sagte Hamilton.

Eine Weltmeisterschaft muss er noch gewinnen, um mit Ikone Schumacher gleichzuziehen. Kaum jemand zweifelt daran, dass dem 34-Jährigen das schon 2020 gelingen kann. Die Regularien der Formel 1 verändern sich kaum, die Silberpfeile dürften sich nach der Dominanz der letzten Jahre nicht plötzlich von der Konkurrenz überrumpeln lassen. Auch Teamchef Toto Wolff sieht keinen Grund, «warum er keinen siebten Titel holen sollte». Dafür will ihm der Rennstall den richtigen Wagen bauen und eigene Fehler weiter minimieren.

«So nah, aber doch so weit weg» sei die siebte WM-Krone, sagte Hamilton am Sonntag nach Platz zwei in Texas. Unmissverständlich klar machte er, dass das Ende noch lange nicht in Sicht ist. «Dieser Wunsch, immer mehr und mehr zu wollen, ist das, was Hamilton zu einem der Größten aller Zeiten macht», befand die spanische Zeitung «Mundo Deportivo».

Fast poetisch sagte der 83-malige Grand-Prix-Sieger: «Ich arbeite an einem Meisterwerk. Ich habe es noch nicht beendet und es dauert seine Zeit.» Er habe «jetzt gerade die besten Werkzeuge dazu». Deswegen will er auch nach seinem Vertragsende nach der nächsten Saison weitermachen und in der neuen Formel-1-Ära mit komplett überholten Regeln «ein Pionier» sein.

Bevor es mit dem Flugzeug noch am Sonntagabend nach England ging, bezeichnete der einzige aktuelle Weltstar der Szene die noch nicht ganz beendete Saison als die härteste seiner Laufbahn. «Jetzt ist der Zeitpunkt, so viele gute Sachen zu schreiben, wie ihr könnt. Wenn jemand sechsmal den Titel gewinnt, dann verdient er das», sagte der erneut geschlagene Ferrari-Star Sebastian Vettel: «Ich freue mich sehr für ihn, aber nicht für uns, weil wir so weit hinterher waren.»

Der Heppenheimer Vettel schied in Austin schon in der achten Runde wegen eines Aufhängungsschadens aus und fiel in der WM-Wertung auf Rang fünf zurück. Auch im fünften Jahr war er mit der Scuderia völlig chancenlos gegen Hamilton und Texas-Sieger Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil. Ferrari verschlief die erste Hälfte der Saison komplett, und war erst da, als Mercedes sich schon einen gehörigen Vorsprung erarbeitet hatte. Nächstes Jahr soll sich das ändern. Aber es scheint schwer vorstellbar, dass die fehleranfälligen Italiener dauerhaft gegen das perfekt funktionierende System Mercedes bestehen können.

Zum sechsten Mal nacheinander gewann das Werksteam die WM bei den Fahrern und Konstrukteuren. Hamilton holte insgesamt 101 Podestplätze und allein 2019 zehn Siege. Zwei Möglichkeiten in Brasilien und Abu Dhabi gibt es noch. «Ich will so weitermachen», sagte Hamilton. Diese Einstellung unterscheide ihn von vielen anderen, sagte Wolff: «Talent trifft bei ihm den Willen, sich selbst ständig zu verbessern. Diese Kombination lässt ihn aus seiner Generation herausstechen.»

«Er hat seinen Platz im Pantheon der sportlichen Größen bestätigt, nicht nur in der Formel 1», schrieb die britische «Times». Vom Einzelgänger hat sich Hamilton zum Teamplayer entwickelt. Im Moment des großen Erfolgs zeigte er sich auch nachdenklich. Die Tode von Aufsichtsratsboss Niki Lauda und Nachwuchsfahrer Anthoine Hubert haben ihm in diesem Jahr schwer zugesetzt. «Wenn so etwas passiert, kommen Zweifel auf. Ist es Zeit aufzuhören oder soll ich weitermachen?», sagte Hamilton zum Unfalltod von Nachwuchsfahrer Hubert in Spa: «Es gibt ja auch ein Leben nach der Formel 1 - und ich will irgendwann eine eigene Familie haben.»

Die negativen Gedanken schob er weg und konzentrierte sich auf das Positive. Dabei halfen ihm seine Eltern, die in Texas samt aktueller Lebenspartner mitjubelten. Für das offizielle Teamfoto holte er alle zu sich. Kurz vorher sagte Hamilton, der aus einfachen Verhältnissen in Mittelengland stammt, stolz: «Sie haben einfach alles geopfert, damit ich die Chance hatte, das zu machen, was ich jetzt mache.»

Mit Vater Anthony saß er einst zusammen vor dem Fernseher und sah die Rennen der Generation von Ayrton Senna. Umso komischer sei es jetzt, «wenn man selbst die Person im Fernsehen ist», erzählte Hamilton: «Es ist schon mehr als surreal, dass meine eigene Lebensgeschichte mich so weit gebracht hat, dass ich jetzt diese sechs Titel habe.»