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Corona-Krise
Impfpflicht? Fußball zwischen Vorbild und Selbstbestimmung

Impfzentrum
Ein Schild mit dem Schriftzug «Impfzentrum» weist den Weg zu einem Corona-Impfstützpunkt. Foto: Stefan Sauer/dpa
Die Inzidenzen steigen, die Corona-Fälle im Profi-Fußball häufen sich. Nach Joshua Kimmichs Impfbedenken und dem positiven Corona-Fall Niklas Süle gewinnt die Debatte um die Impfpflicht an Fahrt.

München (dpa) - Eine Impfpflicht für Fußballprofis? In der emotionalen Debatte um die Impfzweifel von Joshua Kimmich wird nach dem Corona-Wirbel bei der Nationalmannschaft mehr denn je auch der Zwang zum Piks für Berufsfußballer diskutiert.

Die Impffrage und die Vorbildwirkung von Kimmich und Co. beschäftigen die Nation. Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Chef des Weltärztebundes oder viele weitere Politiker, Mediziner und Sportvorstände: Sie alle haben sich zu dem Thema geäußert.

Bundestrainer Hansi Flick spielt auf Zeit, viele Clubs lehnen trotz rasant steigender Inzidenzen eine Impfpflicht ab. Wie zerrissen die Deutschen in dieser Frage sind, zeigt eine Umfrage der Meinungsforscher von YouGov Deutschland im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Demnach befürworteten 45 Prozent der Befragten eine entsprechende Regelung, 44 Prozent sind dagegen. Die übrigen Befragten antworteten mit «weiß nicht» beziehungsweise machten keine Angabe.

Stimmen für eine 2G-Regelung mehren sich

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) gibt die Impfquote unter Spielern und Trainern der Bundesliga und 2. Liga mit mehr als 90 Prozent an. Zu Ausbrüchen wie zuletzt beim Bundesligisten Greuther Fürth oder Unterhaus-Club SV Sandhausen kommt es trotzdem. Die Stimmen für eine 2G-Regelung mehren sich.

«Ich bin klarer Befürworter für 2G - für sämtliche Akteure im Fußball, für alle», sagte St.-Paulis Präsident Oke Göttlich dem Norddeutschen Rundfunk in dieser Woche. Am Spielbetrieb sollten nur noch geimpfte und genesene Profis teilnehmen. Viele Bundesliga-Clubs lehnen die Impfpflicht hingegen ab - darunter etwa RB Leipzig, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen, wie die «Bild» zuletzt berichtet hatte.

Die öffentliche Diskussion geht mittlerweile über den persönlichen Impfstatus der einzelnen Spieler hinaus. Vielmehr wird auf die Vorbildfunktion verwiesen, die Kimmich und Co. für Millionen Menschen haben. Von einer deutlichen Positionierung pro Corona-Schutz gehe daher eine «enorme Symbolwirkung» aus, hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zuletzt betont.

DFB-Team im Fokus

Und da stehen besonders die Nationalspieler im Fokus. Bundestrainer Flick will sich erst nach den anstehenden beiden Länderspielen mit der Frage beschäftigen, ob er künftig auch den Impfstatus seiner Auswahlkicker als Voraussetzung für eine Nominierung einbezieht. «Ich hoffe, dass es solche Themen, dass wir fünf Spieler nach Hause schicken müssen aufgrund von Corona, nicht mehr gibt, das würde ich mir wünschen», hatte Flick am Mittwoch in Wolfsburg betont.

Nach einem positiven Corona-Test beim vollständig geimpften Niklas Süle mussten auch Kimmich, Jamal Musiala, Serge Gnabry und Karim Adeyemi in Quarantäne abreisen. Kimmich hatte zuletzt selbst bestätigt, nicht geimpft zu sein.

Hinzu gesellt sich die Debatte um gleiche Bedingungen für Spieler und Zuschauer. Schließlich gilt in vielen Stadien mittlerweile 2G. «Ich erkenne da einen Widerspruch, den sollte die Bundesliga auflösen und ungeimpfte Spieler dort nicht spielen lassen», forderte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, im «Spiegel». Aber dürfen Vereine ungeimpfte Spieler freistellen?

Arbeitsrechtler zweifeln

«Dies dürfte in den ganz überwiegenden Fällen nicht rechtmäßig sein, da die Beschäftigten einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung haben», sagte Arbeitsrechtler Martin Schimke. Als Stadion- oder Hausrechtsinhaber könne ein Verein gegenüber Besuchern den Einlass an Bedingungen knüpfen. «Der Spieler ist mit dem Verein jedoch durch einen Arbeitsvertrag verbunden. Die Möglichkeiten eines Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer sind eingeschränkter», erklärte der Experte.

Auch sein Kollege Gregor Thüsing glaubt nicht an eine entsprechende Rechtsgrundlage. «Ein Fußballer ist während des Spiels und Trainings zumeist von jungen, gesunden Menschen umgeben, deren Krankheitsverläufe ja zumeist milde verlaufen. Da wären andere Berufe eher in den Fokus zu nehmen», sagte Thüsing.

Experten wie der Sportrechtler Rainer Cherkeh sehen vielmehr die DFL in der Verantwortung. Der Jurist argumentierte in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» mit der Verbandsautonomie. Der Sport habe die Freiheit, sich nach seinen eigenen Vorstellungen zu organisieren.

«Nicht alles, was erlaubt ist, ist ehrenhaft»

«Diese Selbstregulierungsbefugnis ist jedoch nicht grenzenlos», entgegnete Schimke. Ein Ligaverband dürfe seinen Lizenzspielern keine Vorschriften machen, die gegen zwingende Bundes- oder Landesgesetze verstießen. Solange es bundesweit also keine Impfpflicht gebe, könne auch die DFL eine entsprechende Regel nicht beschließen.

Fest steht: Jeder Fußballer hat (noch) das Recht, auf den Schutz zu verzichten. «Aber nicht alles, was erlaubt ist, ist ehrenhaft», sagte Thüsing. Solange es weiter Corona-Ausbrüche im Profi-Fußball gibt und Spieler auf den Piks verzichten, wird auch über eine Impfpflicht diskutiert werden.

© dpa-infocom, dpa:211110-99-945836/4

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