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Neuer (alter) Hertha-Coach
«Blau-weißes Blut»: Dardai startet zweite Rettungsmission

Pal Dardai
Pal Dardai kommt zum ersten offiziellen Training von Hertha BSC. Foto: Andreas Gora/dpa
So viel gelacht wurde schon lange nicht mehr bei Hertha BSC. In seiner unnachahmlichen Art sorgt Trainer-Rückkehrer Pal Dardai mit großer Offenheit für gute Laune. Ob die auch auf dem Platz schnell wieder Einzug hält, will er aber lieber nicht versprechen.

Berlin (dpa) - Bei Hertha BSC herrscht wieder Berliner Schnauze. Mit für das Fußball-Business erstaunlicher Offenheit, reichlich Humor und einem Schuss Selbstironie hat Pal Dardai seine zweite Rettungsmission beim Hauptstadt-Krisenclub der Fußball-Bundesliga begonnen.

Ein Vorurteil wollte der Trainer-Rückkehrer dann gleich nach der ersten Übungseinheit auf dem Olympiagelände ausräumen. Seine als reine Individualisten kritisierten Spieler findet der Ungar nicht so schlimm: «Ich habe gedacht, hier sind 20 Alligatoren, sie können mich auffressen.»

Lebensgefahr herrschte für Dardai aber nicht. Lammfromm seien die unter Vorgänger Bruno Labbadia und Ex-Manager Michael Preetz als schwer erziehbar eingestuften Profis um Matheus Cunha und Dodi Lukebakio sogar gewesen. «Okay, Männer, zwei Runden laufen», lautete Dardais erste Anweisung. Freiwillig liefen alle zu dessen Überraschung große Runden. «Ich wäre kleine Runden gelaufen», erinnerte sich der 44-Jährige an seine Zeit als Hertha-Spieler.

Sein Berliner Background ist das Pfund, mit dem Dardai im Abstiegskampf wuchern kann. Das Vertrauen der Fans in ihn und seinen neuen Co-Trainer Andreas Neuendorf ist riesig. «Pal & Zecke - Wenn nicht Ihr, wer sonst?», hieß es auf einem Fan-Plakat am Zaun vor der Geschäftsstelle - am Wochenende hingen dort noch Preetz-Raus-Transparente.

«Er hat blau-weißes Blut», sagte Sportdirektor Arne Friedrich über seinen Ex-Kollegen Dardai, dem er auf dem Pressepodium am Dienstag die Show überlassen musste. Verständnis äußerte Dardai sogar für Eingewöhnungsprobleme im Kader, der vor der Saison runderneuert worden war. Aus eigener Erfahrung. «Auch ich bin damals gekommen und dachte, ich verdiene gutes Geld und gehe wieder nach Hause», erzählte er von den Anfängen in Berlin in den 1990er Jahren.

Für Dardai kam es anders. Er wurde Berlins Rekord-Bundesligaspieler. «Ich habe angefangen, die Fans zu lieben, das Stadion, die Stadt.» Dieses Gefühl will er nun den aktuellen Profis vermitteln. Unter Tränen habe er sich von der U 16 verabschiedet, die er zuletzt betreute. «Richtig geweint habe er», sagte Dardai und legte die Betonung auf «Richtig». Auf zu viel Gefühlsduselei sollte sich aber lieber niemand einstellen. Knurren kann Dardai immer noch, wie 2015, als er unverhofft zum ersten Mal Chefcoach wurde.

«Wir müssen so spielen, dass wir positiven Stress haben», lautet seine Vorgabe. Bei Hertha habe es zuletzt nur negativen Stress gegeben. Dabei sei man doch gar nicht auf einem Abstiegsplatz, sondern als 14. über dem Strich. «Wenn man über einen Abstiegsplatz redet, dann hat man auch einen Abstiegsplatz», forderte er nun positives Denken.

Manko ist für den einstigen Mittelfeldabräumer aber, dass er keine Zeit hat. Kein Angebot in einer laufenden Saison anzunehmen, habe er seiner Familie versprochen. «Mein Problem ist, es gibt keine sechs Wochen Vorbereitung», sagte Dardai. Versprechen können er eh nichts. «Ich bin kein Zauberer.» Entspannt will der ungarische Fußballer des Jahres 1999 den Hammerstart mit Spielen in Frankfurt am Samstag und sechs Tage später bei der Heimpremiere gegen den FC Bayern angehen. «Ich werde nicht erzählen, wir gewinnen zweimal, das ist Blödsinn.»

Blödsinn sind für Dardai auch die Erzählungen, die Trennung 2019 habe ihm weh getan und das Verhältnis zu Ex-Geschäftsführer Preetz belastet. «Irgendwann war der Manager müde», sagte Dardai. Er selbst sei in der Phase nicht mehr voller positiver Energie gewesen. Häme verspüre er nicht. «Ich habe nicht so ein Gefühl, "Haha", jetzt bin ich wieder da. Es kann auch einer einen Hubschrauber haben, ich bin nicht neidisch.» Wenn ihn diesmal Friedrich nach viereinhalb Jahren rauswerfe, «gebe ich ihm auch noch einen Kuss».

Die Vertragslaufzeit bis zum Sommer 2022 sei entgegen öffentlicher Vermutungen auch gar keine Bedingung für die Rückkehr gewesen, merkte der fröhlich-relaxte Dardai an. Der Begriff Notnagel sei ihm fremd. «Es muss auch für mich Spaß machen. Ich bin leider so ein komischer Typ», sagte er. Wenn der Abstieg verhindert sei, könne es gerne ein Bankett geben und er auch mal Herthas Geldgeber Lars Windhorst kennenlernen. Lieber wäre ihm allerdings wohl ein Fest am Plattensee. «Dann können wir uns auf die Schultern hauen und Rotwein trinken.»

© dpa-infocom, dpa:210125-99-167295/8

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