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Doppelführung
Slowenien dominiert die Tour - Radsport-Märchen mit Zweifeln

Pogacar und Roglic
Dominieren die Gesamtwertung der 107. Tour de France: Tadej Pogacar (r) und Primoz Roglic. Foto: David Stockman/BELGA/dpa
Zwei Slowenen dominieren die 107. Tour de France. Primoz Roglic und Tadej Pogacar sind auf dem Rad Rivalen und im Privaten Freunde. Gleichwohl gibt es Gegensätze. Begleitet wird die slowenische Erfolgsgeschichte aber auch von Zweifeln.

Sassenage (dpa) - Die TV-Einschaltquoten schießen daheim in die Höhe, und den slowenischen Gazetten gehen die Superlative aus.

«Dies ist kein Märchen mehr und auch kein Traum, all dies ist Realität. Eine der größten Geschichten passiert derzeit im slowenischen Sport», schrieb die größte Tageszeitung «Delo» nach dem nächsten Doppelerfolg bei der 107. Tour de France. Für das Blatt «Vecer» ist es ein «Traum-Duell» zwischen Gelbträger Primoz Roglic und seinem jungen Rivalen Tadej Pogacar.

Das kleine Slowenien, ein Land mit gerade einmal zwei Millionen Einwohnern und einem Faible für Fußball und Wintersport, regiert den Radsport. Wie ist das nur möglich? «Das Ergebnis harter Arbeit», sagt der 21 Jahre alte Tour-Debütant Pogacar. Nach seinem Triumph am Grand Colombier ist er der jüngste Fahrer seit 86 Jahren mit zwei Tour-Etappensiegen in einem Jahr. In der Gesamtwertung liegt er nur noch 40 Sekunden hinter Roglic. Der Rest, insbesondere Vorjahressieger Egan Bernal, ist quasi schon abgehängt.

So begleiten auch Zweifel den wundersamen Höhenflug der beiden slowenischen Stars. Dass einige Spuren in der Blutdopingaffäre um den Erfurter Sportmediziner Mark S. nach Slowenien führen, ist bekannt. Pogacar und Roglic waren davon bislang aber nicht betroffen. Gleichwohl ist der Ruf von alten oder aktuellen Wegbegleitern nicht ganz astrein. Pogacars Entdecker Andrej Hauptman wurde beispielsweise in seiner aktiven Karriere noch vor dem Tour-Start 2000 ausgeschlossen, weil sein Hämatokritwert über 50 Prozent lag.

Und gegen Rad-Manager Milan Erzen wurden durch den Weltverband UCI wegen mutmaßlicher Verbindungen zu einem Mediziner aus der Operation Aderlass Ermittlungen eingeleitet. Erzen war 2013 Chefcoach des unterklassigen Teams Adria Mobil, als Roglic seine Karriere begann. Entsprechende Doping-Fragen prallen an dem früheren Skispringer genauso ab wie die wenigen Angriffe seiner Konkurrenten. «Von meiner Seite aus könnt ihr mir vertrauen. Ich habe nichts zu verstecken», sagte Roglic.

Seit der neunten Etappe trägt Roglic das Gelbe Trikot. Das dürfte auch bis Paris so bleiben, sollte ihm sein Landsmann nicht doch noch in die Quere kommen. «Wir sind Rivalen und auch Freunde. Wir kommen aus dem gleichen Land, aber auf dem Rad wollen wir beide gewinnen», beschreibt Roglic das Verhältnis. Manchmal fahren sie sogar zusammen trainieren, wobei eine Einheit «hart» werden kann, ergänzt Pogacar.

Zwei Freunde, zwei Landsmänner, zwei Rivalen - aber doch auch grundverschieden. Roglic kam erst mit 26 Jahren zum Radsport, nachdem er seine Skisprung-Karriere beendet hatte. Ein Spätstarter also, ganz im Gegensatz zu Pogacar, der bereits seit seinem neunten Lebensjahr leidenschaftlich in die Pedale tritt. Der Junge aus Komenda war schon immer seiner Zeit voraus. In Jugendzeiten hängte er regelmäßig die älteren Rivalen ab. Und im vergangenen Jahr gewann er bei der Vuelta gleich drei Etappen, was noch keinem Fahrer vor ihm bei einer großen Rundfahrt mit 20 Jahren gelang. Für Pogacar mussten die Veranstalter der Kalifornien-Rundfahrt sogar die Siegerehrung umgestalten. Weil er noch nicht 21 war, wurde ihm die Champagnerflasche verwehrt.

Und auch ihr Fahrstil könnte gegensätzlicher kaum sein. Roglic will mit seinem Super-Team Jumbo-Visma immer alles unter Kontrolle haben. Er verfolgt strikt einen Plan. So hatte er sich Ende 2015 schon bei den Team-Verantwortlichen vorgestellt. In fünf Jahren wolle er die Tour gewinnen. Der Plan scheint aufzugehen. Pogacar kennt indes nur das Motto «Alles oder nichts». Attackieren, wann immer es geht. «Was habe ich schon zu verlieren?», sagt der Youngster und forderte Roglic am zweiten Ruhetag heraus: «Der Kampf um Gelb ist noch nicht beendet. Wenn ich die Chance zum Sieg habe, werde ich die Möglichkeit ergreifen.» Ähnlich war er im vergangenen Jahr mit seinem Solosieg auf der vorletzten Vuelta-Etappe noch auf den dritten Gesamtrang gestürmt.

Pogacar war auch der einzige Fahrer bei der diesjährigen Tour, der Roglic - abgesehen von Bonussekunden - Zeit abknöpfen konnte. Auf der achten Etappe fuhr er 40 Sekunden auf Roglic und Co. heraus, als er den Col de Peyresourde in Rekordzeit hinaufstürmte. Die alte Bestmarke hielten die überführten Dopingsünder Alexander Winokurow und Iban Mayo aus dem Jahr 2003.

© dpa-infocom, dpa:200914-99-553857/6

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