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Nachfolger gesucht
Sturm-Abgang trifft DEB: Aufschwung am Ende? Wer folgt?

«Völlig unerwartet», «traurige Angelegenheit», «der Aufschwung ist gefährdet» - der Abgang von Eishockey-Bundestrainer Sturm trifft den DEB mit voller Wucht. Sturm war treibende Kraft und Gesicht des Booms. Der scheint nun gefährdet. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

München (dpa) - Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) steht vor dem vielleicht wichtigsten Deutschland Cup überhaupt. Zum ersten Mal dürfte dabei das Drumherum wichtiger werden als die Spiele beim traditionellen Vier-Nationen-Turnier selbst.

Nach dem zumindest vom Zeitpunkt her überraschenden Abschied von Bundestrainer Marco Sturm nach Nordamerika soll am Wochenende in Krefeld Elementares besprochen werden. «Am Wochenende diskutieren wir unsere Zukunft», sagte DEB-Präsident Franz Reindl der Deutschen Presse-Agentur dpa. Es geht um die Strategie bei der Nachfolgersuche für Sturm.

Man kann auch sagen: Von den Gesprächen hängt ab, ob der Aufschwung im deutschen Eishockey eine Zukunft hat. Ob Reindl sein ehrgeiziges Ziel, bis 2026 nachhaltig um Medaillen bei großen Turnieren mitzuspielen, weiter verfolgen kann. Seit Sonntagabend gibt es daran wieder größere Zweifel. «Der Aufschwung ist gefährdet», sagte der frühere Nationalmannschaftskapitän Alois Schloder der dpa.

Am Abend zuvor hatten die Los Angeles aus der nordamerikanischen Profiliga NHL verkündet, dass Sturm neuer Assistenzcoach des aktuell schlechtesten Teams der weltbesten Liga wird. Zur Unzeit für den DEB vier Tage vor dem Beginn des Deutschland Cups in Krefeld (8. bis 11. November). Und entgegen der Absprache. Ursprünglich sollte die laut Schloder «traurige Angelegenheit» erst einen Tag später verkündet werden.

«Du kannst ihn dann nicht aufhalten», sagte Reindl dazu, dass er den Trainer - das Gesicht - Deutschlands in diesem Jahr erfolgreichsten Nationalteams überhaupt, trotz Vertrages bis 2022 ziehen lässt.

Als Bundestrainer vom Olympiazweiten zum Co-Trainer - das mögen Außenstehende verwunderlich finden. Sturm sieht darin die Chance auf eine große Trainerkarriere in der NHL, wo er mit 1006 Spielen deutscher Rekordspieler ist. «Ein deutscher Trainer in der NHL ist natürlich schon der Hammer», räumte auch Schloder (71) ein.

Der Kapitän des Teams, das 1976 Olympia-Bronze gewann und damit den bis Februar diesen Jahres größten deutschen Eishockey-Erfolg erreichte, kennt Sturm gut und kann den 40-Jährigen verstehen. «Das ganze Umfeld in LA ist ja auch Glamour und Glitzer.» Das allein war allerdings kaum der Grund für Sturms kurzfristigen Entschluss am Wochenende. Nach der olympischen Silber-Sensation von Pyeongchang im Februar hatte Sturm stets betont, bei einem geeigneten Angebot zurück nach Nordamerika gehen zu wollen. Auch aus familiären Gründen.

Im vergangenen Jahr hatte Sturm wegen des Bundestrainer-Jobs mit seiner Familie die USA verlassen, was vor allem für die in Nordamerika aufgewachsenen zwölf und 14 Jahre alten Kinder ein Problem war. Diese wechselten im Sommer von Landshut nach München auf die internationale Schule. Es lief besser, aber lange nicht perfekt. Das Angebot der Kings wollte Sturm auch deshalb nicht ausschlagen, auch wenn ihm selbst klar ist, dass der DEB nun ein Problem hat.

Mit einem Wechsel seines wichtigsten Angestellten noch in dieser Saison hatte beim Verband niemand mehr gerechnet. Mit Sturm sollte die direkte Olympia-Qualifikation für Peking 2022 perfekt gemacht werden. Dafür müsste Deutschland nach der WM 2019 in der Slowakei unter den Top Acht der Welt stehen. Dieses wichtigste Ziel beim aktuellen Weltranglisten-Achten muss nun jemand anderes erreichen.

Nur wer? «Wir haben da keinen Zeitdruck. Jetzt zählt erst einmal nur der Deutschland Cup, danach beginnen wir mit der Sondierung», sagte Reindl. Auch Sturms Nachfolger soll wieder ein Deutscher sein. Automatische Kandidaten wie Pavel Gross (Mannheim), der frühere Bundestrainer Uwe Krupp (Sparta Prag) oder dessen damaliger Assistent Harold Kreis (Düsseldorf) stehen bei Clubs unter Vertrag.

In Krefeld will und muss sich Reindl mit seinen Präsidiumskollegen und Sportdirektor Stefan Schaidnagel abstimmen. «Das wird nicht einfach», prophezeite Schloder. «Marco war das Aushängeschild der vergangenen Jahre. Das ist ein gravierender Einschnitt.» Schloder empfahl Reindl daher, mit der Liga über eine «Übergangslösung» von «ein, zwei DEL-Trainern» zu setzen und nannte eben Gross und Kreis.

Erschwert wird die Nachfolgersuche auch durch die Umstände. Nach Olympia traten bereits langjährige Führungsspieler wie Christian Ehrhoff, Marcel Goc und Patrick Reimer zurück. Der Neue wird ohne diese Stützen mit einem jüngeren Team an Sturms Erfolgen gemessen.

Sturm vermittelte dem Nationalteam auch gegen große Nationen einen Siegeswillen, den es so zuvor nicht gegeben hatte. Schon jetzt legendär ist die WhatsApp-Gruppe der Nationalspieler von Olympia 2018, die Führungsfiguren wie Ehrhoff mit «Mission Gold» betitelten. In früheren Jahren unter Bundestrainern wie Hans Zach wäre diese vermeintliche Anmaßung undenkbar gewesen. Nur so entwickelte sich indes der Spirit, der das Team tatsächlich beinahe bis zu Olympia-Gold geführt hätte.

DEB-Mitteilung

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