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„Das Karriereende war unvermeidbar“

Blickt mit Stolz auf seine Profikarriere zurück: Der Löchgauer Benedikt Röcker. Foto: Bratic/dpa
Blickt mit Stolz auf seine Profikarriere zurück: Der Löchgauer Benedikt Röcker. Foto: Bratic/dpa
In der Jugend des FV Löchgau ist Benedikt Röcker groß geworden, bei der SG Sonnenhof Großaspach wurde er zum Profi. Nach zwölf Jahren als Berufsfußballer musste der Cousin des langjährigen Freiburg-Kapitäns Julian Schuster nun aber mit 31 Jahren verletzungsbedingt seine Karriere beenden. Im Interview spricht er über den schweren Schritt.

Löchgau. Herr Röcker, vor zwei Wochen haben Sie – verletzungsbedingt – Ihr Karriereende mit 31Jahren verkündet. Wie geht es Ihnen nun nach diesem einschneidenden Schritt?

Benedikt Röcker: Mir geht es gut damit. Es war keine Entscheidung von heute auf morgen, es hat sich die letzten Monate abgezeichnet. Nichtsdestotrotz tut es immer noch weh, vor allem, wenn man jetzt sieht, wie die ehemaligen Kollegen in die Vorbereitung starten. Ich bin noch dabei, damit abzuschließen und versuche, nach vorne zu blicken, auf das, was kommt.

Ihr letztes Pflichtspiel haben Sie am 21.Juni 2020 absolviert, eine 1:3-Niederlage mit dem SV Wehen-Wiesbaden gegen den SV Darmstadt in der 2. Bundesliga. Wie ging es danach weiter?

In der Vorbereitung auf die vergangene Saison vor einem Jahr habe ich mir im Training bei einem Luftzweikampf eine Knieverletzung zugezogen. Dabei kam es zu einem Knorpelabriss und einem Innenmeniskuseinriss. Von da an bin ich nie wieder zurückgekommen auf den Trainingsplatz, weil ich schon im Alltag recht große Probleme hatte. Ich habe ein Jahr lang alles versucht, im Verlauf der Reha aber gemerkt, dass meine Gesundheit zu sehr unter einer Fortsetzung der Profikarriere leiden würde. Das haben auch die Ärzte bestätigt. Gesundheit ist das Wichtigste – und die zu riskieren, das ist mir es nicht wert gewesen. Es gibt auch ein Leben außerhalb des Fußballs.

Verletzungen gehören dazu. Wann kam die Erkenntnis, dass die Knieverletzung das Ende der Karriere bedeuten könnte?

Bewusst wurde es mir eigentlich nie richtig. Es war glücklicherweise meine erste schwere Verletzung. Ich habe während der Reha immer daran geglaubt, dass ich auf den Fußballplatz zurückkehren kann. Das war immer mein Ziel. Aber ich habe gemerkt, dass es sich immer länger gezogen hat und ich sehr weit davon entfernt war, wieder auf dem Fußballplatz zu trainieren. So habe ich mir dann gemeinsam mit den Ärzten Gedanken gemacht, was am meisten Sinn ergibt. Das Karriereende war unvermeidbar.

Zusätzlich zur Belastung der beruflichen Ungewissheit kam auch die Coronakrise, die alle Menschen in ihrem Alltag stark eingeschränkt hat. Wie groß war für Sie die mentale Herausforderung in den vergangenen Monaten?

Die war wirklich sehr groß. In den vergangenen 12 Jahren war ich es gewohnt, jeden Tag auf dem Platz zu stehen. Ich habe meine Leidenschaft gelebt und die wurde mir von heute auf morgen genommen. Das ist eine sehr große mentale Belastung. Damit muss man sich beschäftigen, um es zu verarbeiten. Das fällt mir auch jetzt noch nicht immer leicht, aber ich denke, das ist normal.

Wie sehen dabei die Bewältigungsstrategien aus?

Es ist wichtig, dass man ein starkes Umfeld hat. Bei mir ist das mit meiner Frau, meiner Familie und meinen Freunden zum Glück der Fall. Auch mein Hund Hugo ist ein wichtiger Faktor. Man muss versuchen, so schnell wie möglich, Fuß zu fassen in dem Neuen, was kommt. Wo eine Tür zugeht, geht eine neue auf. So versuche ich, das zu sehen. Wenn ich auf die letzten 12 Jahre zurückblicke, kann ich das mit Stolz tun und das freut mich.

Welche Bilder kommen Ihnen dabei zuerst in den Kopf?

Der Höhepunkt war sicher der einzige Titel, den ich geholt habe, der dänische Pokalsieg mit Bröndby im Jahr 2018. Aber es sind viele Erinnerungen. Das fängt in Löchgau auf dem Kunstrasen an, wo ich eine unfassbar tolle Zeit in der Jugend und bei den Aktiven hatte. Das geht weiter über Großaspach, den VfB, Fürth, Bröndby und Wiesbaden. Ich habe überall tolle Momente gehabt und Freundschaften geschlossen, die über meine aktive Zeit hinweg bleiben werden. Deshalb kann ich rückblickend auch sagen, dass ich stolz bin, wie alles gelaufen ist.

Für viele Jugendliche und Kinder ist es ein Traum, Profifußballer zu werden. Welches Fazit würden Sie ziehen, nachdem Sie diesen Traum 12 Jahre lang leben konnten?

Einerseits bin ich sehr froh und dankbar, dass ich diese Möglichkeit hatte. Es träumen so viele kleine Kinder davon und es ist absolut nicht einfach. Es erfordert nicht nur fußballerisches Talent, sondern auch mentale Stärke, Willen, Einsatz und Leidenschaft und natürlich gehört auch Glück dazu. Im Nachhinein betrachtet, glaube ich, dass es immer schwerer wird, über den Weg zu gehen, den ich gegangen bin: Ohne Nachwuchsleistungszentrum, sondern nach 16 Jahren in Löchgau über Großaspach zum VfB zu wechseln. Dennoch sage ich jedem fußballbegeisterten Mädchen und Jungen, dass sie versuchen sollen, diesen Traum zu leben.

Immer mehr Geld ist im Fußball im Umlauf, dadurch steigt auch der Druck auf die Spieler. Dazu können Fans durch die Sozialen Medien ihren Unmut direkt an den Spielern auslassen. Wie haben Sie diese Entwicklung erlebt?

Auch bei mir gab es solche Anfeindungen. Wir Fußballer stehen in der Öffentlichkeit und jeder kann seine Meinung in den Sozialen Medien äußern. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man auch mental an sich arbeitet und bei Bedarf Mentaltrainer hinzuzieht. Der Fußball ist in dieser Hinsicht sehr transparent geworden und die Fußballer müssen sich da auch entwickeln, um solche Dinge verarbeiten zu können.

Haben Sie während Ihrer Karriere bereits Vorbereitungen für die Zeit danach getroffen?

Ich habe vor meiner Zeit als Profi eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen und in Fürth ein Sportmanagement-studium begonnen. Ich blicke da gelassen nach vorne und weiß, dass ich mich weiterbilden kann. Ich habe Respekt vor dem, was kommt, aber keine Bedenken.

Haben Sie schon konkrete Pläne?

Ich bin mit meinem Berater im Austausch und werde nun ein dreimonatiges Praktikum im Vereinsmanagement bei der SG Sonnenhof Großaspach beginnen.

Und selbst nochmal auf Amateurniveau Fußballspielen? Sie kommen ja schließlich aus einer absoluten FVL-Familie.

Das wird sich zeigen. Zunächst habe ich das nicht vor. Ich muss schauen, wie sich die Wehwehchen im Knie entwickeln.