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Dürr-Erfinder stehen im Finale

Die Erfinder Frank Herre (links) und Hans-Georg Fritz mit dem neu entwickelten Sprühgerät. Foto: Tobias Gerber/EPA
Die Erfinder Frank Herre (links) und Hans-Georg Fritz mit dem neu entwickelten Sprühgerät. Foto: Tobias Gerber/EPA
Das Europäische Patentamt hat ein Tüftler-Team des Bietigheimer Lackieranlagenbauers für die Endrunde im Juni nominiert

Bietigheim-Bissingen/München. Abfallfreie Karosserielackierung, ein Lackieren ohne Farbverlust, zugleich individuelle Designgestaltung, hohe Energieeinsparung und eine deutliche Reduzierung von CO2-Emissionen – das alles leistet ein neuentwickeltes Lackiersystem der Dürr System AG. Dafür hat nun das Europäische Patentamt (EPA) die beiden Erfinder, Frank Herre und Hans-Georg Fritz sowie ihr Team, als Finalisten für den europäischen EPA-Erfinderpreis nominiert. Das hat das europäische Patentamt mit Sitz in München am Dienstag bekanntgegeben.

Virtuelle Preisverleihung am 21. Juni

Die Bietigheimer Entwickler sind eines von drei Finalisten-Teams in der Kategorie „Industrie“. In diesem Bereich werden herausragende Erfinder für kommerziell erfolgreiche Technologien ausgezeichnet, die von großen europäischen Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro patentiert wurden. Die Sieger des diesjährigen Erfinderpreises werden am 21. Juni bei einer virtuellen Preisverleihung bekanntgegeben.

„Jede Branche hat die Aufgabe, Abfall zu reduzieren und die Kohlenstoffemissionen zu senken. Dank Herre, Fritz und ihrem Team hat die Autolackindustrie eine Lösung, die beides ermöglicht“, sagt EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Erfinderpreises 2022 laut Mitteilung. „Sie haben auch gezeigt, dass Verbesserungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu wirtschaftlichen Vorteilen führen können, was weitere Forschungen in ihrem Bereich anregen könnte“, so Campinos weiter.

Lackieren ohne Sprühnebel zu erzeugen

Die beiden Entwickler waren durchaus überrascht, als sie von der Nominierung erfuhren. „Wir kannten den Preis gar nicht“, räumte Fritz im Gespräch mit unserer Zeitung ein. Sie zeigten sich aber „stolz auf unsere Erfindung“ und hoffen natürlich auf einen Sieg. Bei den Autoherstellern sei das Interesse an dem schlüsselfertigen und vollautomatischen Lackiersystem namens „EcoPaintJet“ schon groß, mit allen stünden sie bereits in Verbindung erzählten die beiden Lackierexperten. Das Besondere an dem System: Das neuentwickelte Sprühgerät, das auf einen Roboterarm montiert wird, kann in seiner heutigen Version aus einer Düsenplatte mit 48 winzigen Löchern Farbe versprühen. Wenige Millimeter über einem Autodach beispielsweise kommt der Lack als Strahl heraus. Wobei zuvor die Ecken und Kanten mit dem Roboterarm vermessen werden. Die Farbe kann so präzise aufgetragen werden, so dass keinerlei Sprühwolken entstehen. Somit entfällt ein mehrfaches Abkleben mit Folien, das aufwendig ist und Zeit kostet. Alles ist in einem Lackiervorgang möglich. Das hochpräzise Lackieren bietet etwa für ein individuelles Farbdesign viele Möglichkeiten. So können beispielsweise auch scharfkantige Motive in ein oder zwei unterschiedlichen Farben lackiert werden.

Verfahren verbraucht 30 Prozent weniger Energie als herkömmliche Lackierung

„Wir stehen erst am Anfang der Anwendung dieser revolutionären Technologie für die Standardlackierung“, sagt Herre und ist sicher, dass das System eines Tages auch für die Anbringung von Logos auf Zügen, Bussen oder Außenflächen verwendet werden könnte. Herre: „Wir wissen, dass es möglich sein wird, unser System für die Außenlackierung einzusetzen und das wird zukünftig unser Ziel und unsere Aufgabe sein: Ganze Fahrzeuge ohne Overspray zu lackieren. Das wird die Effizienz verbessern, die Umweltbelastung verringern und damit auch die Kosten für die Hersteller senken.“ Schon mit dem jetzigen Verfahren können bei einer Standardproduktionslinie, die 110000 Karosserien lackiert, mehr als 1,5 Millionen Quadratmeter Folie und 2,2 Millionen Meter Klebeband pro Jahr eingespart werden. Und: Etwa 20 Prozent der Farbe wird nicht mehr durch Lacknebel verschwendet. Das Team hat auch errechnet, dass das neue Verfahren 30 Prozent weniger Energie verbraucht als eine herkömmliche Lackierung, da es weniger Trocknung braucht, so dass die CO2-Emission pro Fahrzeug um 30 Kilogramm verringert werden kann.

„Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Kreativität dieser verschiedenen Menschen“

Die Entwicklung dieses Lackiersystems geht bis ins Jahr 2006 zurück, als Herre und Fritz ein Team für neue Technologien aufstellten. Gemeinsam mit Timo Beyl, Marcus Kleiner und Benjamin Wöhr wollten sie eine ähnliche Technologie wie den Tintenstrahldruck mit Farbe für das Lackieren entwickeln. 16 Jahre später mit inzwischen 30Patentfamilien werden sie für ihren Entwicklerfleiß belohnt. „Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Kreativität dieser verschiedenen Menschen“, so Fritz. Denn insgesamt seien 16 Personen aus verschiedenen Fachbereichen im Team. So seien nicht nur Spezialisten für Lackiertechnik, sondern beispielsweise auch Experten für Robotik, Software oder Verfahrenstechnik erforderlich. „Und wichtig ist auch der lange Atem eines Unternehmens, das Millionen Euro investiert und nicht so schnell aufgibt“, ergänzte Herre.