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Erneut Ärger bei Spillmann

Busfahrerinnen und Busfahrer erhalten mehr Geld. Foto: Alfred Drossel
Busfahrerinnen und Busfahrer erhalten mehr Geld. Foto: Alfred Drossel
Betriebsrat beklagt Zustand der Sozialräume – Geschäftsführung weist Vorwürfe zurück

Bietigheim-Bissingen. Beim Omnibusunternehmen Spillmann herrscht wieder dicke Luft: Der Betriebsrat und die Belegschaft haben sich einen Tag vor dem 1. Mai in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Jürgen Kessing, an die Gewerkschaften DGB und Verdi sowie an verschiedene Politiker, darunter den neuen Grünen-Landtagsabgeordneten Tayfun Tok, sowie an die Presse gewandt. Darin beklagen die Arbeitnehmervertreter die aus ihrer Sicht herrschenden Missstände bei der Unterbringung der Busfahrer in den Spillmann-Räumlichkeiten.

„Wir, der Betriebsrat, können und wollen es nicht länger mit ansehen, dass sich die Busfahrer zum Teil auf dem Parkplatz (Betriebsgelände) oder im eigenen Pkw umziehen, da wir definitiv zu wenige Spinde zur Verfügung haben. Den derzeit 54 Fahrern stehen 20 Spinde zur Verfügung“, schreiben sie in dem Brief. Zuletzt habe der Betriebsrat die Geschäftsführung am 12. April aufgefordert, ausreichend Spinde zur Verfügung zu stellen. „Allerdings ist das bis heute ohne Beantwortung geblieben“, heißt es weiter. Der Betriebsrat beklagt auch, dass es keine adäquaten Sozial-, Pausen- und Ruheräume gebe. „In den Pausen, die die Fahrer in ihren Schichten haben, haben sie nur die Möglichkeit auf den Tischen zu schlafen, an denen andere Kollegen ihr Vesper essen wollen/müssen“, heißt es.

Ebenso beklagt der Betriebsrat fehlende Ansprechpartner auf der Vorgesetztenebene. Er wirft der Verwaltung vor, sich abzuschotten, mit dem Hinweis: „Kein Zutritt für Busfahrer.“ Wie der Betriebsratsvorsitzende Goran Tolic am Montag auf Anfrage unserer Zeitung sagte, seien die Sozialräume seit gut 25 Jahren nicht mehr renoviert worden. Außerdem gebe es nur zwei Toiletten für die Busfahrer, von denen täglich mindestens 45 anwesend seien. Auch sei die Küche für die vielen Mitarbeiter zu klein. Es werde zwar regelmäßig gereinigt, aber die Räumlichkeiten sowie Küche seien alt und die Einrichtung falle auseinander, so Tolic.

In dem offenen Brief kritisiert der Betriebsrat auch, dass der Geschäftsführer seine Informationspflicht gegenüber den Arbeitnehmervertretern nicht genau nehme. Er beklagt zudem auch Personalmangel, weshalb es keine Bereitschaftsdienste gebe. „Die unregelmäßigen Diensteinteilungen in der Personaleinsatzplanung führen zur großen Überbelastung der Fahrer“, heißt es in dem Brief. Lösungsvorschläge von der Arbeitnehmerseite würden nicht angenommen, heißt es. Ebenso monieren sie, dass eine Coronaprämie von 1000 Euro nur zum Teil ausgezahlt wurde, nämlich zunächst 300 Euro. Der Rest sollte laut mündlicher Vereinbarung, so der Betriebsrat, um Ostern herum ausgezahlt werden. „Heute erinnert man sich in der Geschäftsführung überhaupt nicht mehr daran“, ärgert sich der Betriebsrat, den Sachverhalt nicht schriftlich fixiert zu haben.

„Wir sind sehr verwundert über diesen Brief“, sagte am Montag Geschäftsführer Bülent Menekse, der die Vorwürfe zurückweist. Vor allem habe die Geschäftsführung am 27. April darauf hingewiesen, alle vom Betriebsrat aufgeführten Punkte zu prüfen. Menekse: „Wir haben in dem Brief elf Punkte aufgelistet mit Terminen, an denen darüber gesprochen werden soll.“ Auch die Forderung nach 20 Spinden sei geprüft worden, aber im Moment fehle dafür der Platz. Für persönliche Sachen sehe er durchaus eine Berechtigung für weitere Spinde, so Menekse. „Die Busfahrer tragen aber keine Uniformen. Es besteht eigentlich kein Zwang, Kleidung zu wechseln“, ergänzte er. „Wir haben große Sozialräume, eine Küche und Fernseher“, meinte er zu den Räumlichkeiten für die Busfahrer. Zudem seien Umbaumaßnahmen geplant, die aber wegen Corona derzeit zurückgestellt seien, ergänzte er. So sollte eigentlich der Betriebshof komplett abgerissen und neu gebaut werden. Denn mit Blick auf künftige Busse mit alternativen Antrieben, wozu auch Stromtankstellen notwendig werden, bedürfe es einer Neugestaltung. Ursprünglich sollte damit 2021/2022 begonnen werden. „Nun kommen aber noch Fragen der Finanzierbarkeit hinzu“, sagte Menekse angesichts der Corona-Auswirkungen. Wenn damit nicht begonnen werde, werde man durchaus Renovierungsarbeiten prüfen.

Der offene Brief hat auch Oberbürgermeister Jürgen Kessing, der im Beirat des städtischen Tochterunternehmens sitzt, auf den Plan gerufen. Wie es aus der Pressestelle heißt, werde er allerdings zu dem Schreiben, das auch ihn verwundert habe, öffentlich keine Stellungnahme abgeben. Zum einen, weil es um betriebsinterne Angelegenheiten gehe und zum anderen, weil auch die Tarifrunde für die Busfahrer anstehe. Allerdings wolle der OB in nächster Zeit ein Gespräch mit Betriebsrat und Geschäftsführung anberaumen, um den Betriebsfrieden wieder herzustellen und um über die Themen im Betrieb zu reden.

Es ist nicht der erste Streit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung. Schon im vergangenen Jahr lagen beide Seiten im Clinch, weil im Sommer wegen der Corona-Situation die Gewerkschaft Verdi an der Teilnahme einer Betriebsratssitzung gehindert werden sollte. Die Auseinandersetzung um das Betretungsverbot landete letztlich vor dem Arbeitsgericht in Ludwigsburg. Schließlich hat der Appell des Gerichts, einen Kompromiss zu suchen, dazu geführt, das die Geschäftsführung die Klage gegen den Betriebsrat zurückzog.