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„Firmenchefs müssen sich auch einbringen“

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350_0900_36485_Thomas_Wiesbauer_Feisteller_upteaser.jpg Foto: privat
Der Unternehmer Thomas Wiesbauer ist neuer Präsident der IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg – Bei vielen Themen fehlende Umsetzung beklagt

Ludwigsburg. Die IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg hat einen neuen Präsidenten. Der Unternehmer Thomas Wiesbauer (52) wird künftig an der Spitze der IHK-Mitgliedsfirmen im Kreis Ludwigsburg stehen. Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart hat in dieser Woche per Onlinewahl den Vorschlag der Bezirkskammer Ludwigsburg, die vor zwei Wochen ihr Präsidium gewählt hat, bestätigt. Neben Wiesbauer als Präsidenten wurden von der Vollversammlung Professor Stefan Mecheels vom Forschungsinstitut Hohenstein als Vizepräsident und Birgit Werner-Walz, Geschäftsführerin der Benseler Holding, als weitere Stellvertreterin für die Bezirkskammer bestätigt. Im Gespräch mit unserer Zeitung hat Wiesbauer die Bedeutung der IHK für die Mitgliedsbetriebe betont und warum es wichtig sei, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Herr Wiesbauer, seit wann sind Sie in der IHK-Bezirkskammer ehrenamtlich aktiv? In welchen Bereichen haben Sie sich bisher engagiert?

Thomas Wiesbauer: Ich bin seit 2009 in der Bezirksversammlung. Dabei lag mir die Ausbildung stets am Herzen. Deshalb kämpfe ich für die duale Ausbildung, um die wir international beneidet werden. Verkehrsthemen haben mich auch immer interessiert, bedingt natürlich durch den eigenen Unternehmenshintergrund. Schließlich beschäftigt mich auch die Vernetzung von Kommunalpolitik und Unternehmertum.

Was hat Sie dazu bewegt, für das Präsidentenamt zu kandidieren?

Ich verstehe die IHK als starke Stütze für die regionale Wirtschaft. Dieser Dienstleistungsgedanke für Betriebe jeder Größe ist wichtig und ich unterstütze hier als „Team LB“ innerhalb der IHK Region Stuttgart und ergänzend mit meiner unternehmerischen Arbeit. Ich möchte Unternehmerargumente einbringen, Standortverbesserungen und optimale Rahmenbedingungen benennen. Ich möchte etwas dagegen tun, dass wir in überbordender Bürokratie verharren. Und ich möchte die IHK nach außen sichtbar machen. Das ist mein Antrieb für unseren Wirtschaftsstandort.

Was schätzen Sie an der IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg am meisten?

Wir sind vor Ort bei unseren Mitgliedsbetrieben und jederzeit persönlich erreichbar. Wir haben ein tolles Expertennetzwerk im Verbund mit der IHK Region Stuttgart und mit den weltweiten Außenhandelskammern.

Was haben Sie sich als Ziel für die nächsten vier Jahre gesetzt?

Der Wirtschaftsstandort Ludwigsburg sollte sich selbstbewusste Ziele setzen und nicht verharren, sondern performen. Die IHK Ludwigsburg ist seit 75 Jahren wichtigstes Sprachrohr der Wirtschaft im Landkreis und das soll auch in den nächsten vier Jahren so bleiben. In dieser schwierigen Zeit mehr denn je.

Wo sehen Sie die Herausforderung für den Kreis und seine Wirtschaft?

Viele Themen sind ja bekannt. Ob Digitalisierung, Verbesserung der Infrastruktur, Verbesserung der Verkehrswege, ob Straßenbau, Schiene und vor allem auch die bessere Nutzung des Neckars als Wasserweg für den Transport. Die Pläne dafür sind da. Die eigentliche Herausforderung sehe ich in der fehlenden Umsetzung. Überall hängt man in den Bürokratiemühlen fest. Das ist ein Problem für unseren Standort. Ein großes Problem ist auch die leidige Diskussion um die Gewerbeflächen entlang der Autobahn, unserer Hauptverkehrsader. Und zwar nicht nur hier im Kreis, sondern auch in der ganzen Region. Hier sollten wir die Vorteile von solchen Möglichkeiten stärker herausstellen.

Sind Ihnen die Kommunen zu zögerlich bei der Bereitstellung von Flächen?

Meistens liegt es nicht an den Bürgermeistern. Es liegt oftmals eher an den Entscheidungsträgern in den einzelnen Ratsgremien, die die Notwendigkeit für gewisse Entwicklungen nicht sehen. Ganz aktuell zum Beispiel das Thema Porsche in Schwieberdingen. Dort steht eine Entscheidung weiterhin aus. Ich bin mir sicher, dass dies vor 15 Jahren keine solch strittige Diskussion im Gemeinderat gegeben hätte und es wäre auch kein Anlass zu einer Bürgerinitiative gewesen. Heute werden Entwicklungsthemen von Unternehmen, das kann auch eine innerörtliche Entwicklung sein, in der Öffentlichkeit zu oft zerrieben. Letztlich fehlt es halt auch in solchen Gremien an Stimmen, die für die Sichtweise der Unternehmen eintreten. Da wäre es hilfreich, wenn sich auch Unternehmerinnen und Unternehmer ehrenamtlich in Gremien engagieren würden.

Was wäre das drängendste Problem, das schleunigst angepackt werden muss?

Ganz klar Corona und die Folgen. Wir brauchen sofort eine klare Öffnungsstrategie. Die Hilfen müssen schneller fließen. Es braucht eine Impfkampagne, die zur Reduzierung der Infektionszahlen führt und Vertrauen schafft. Denn Vertrauen ist die wichtigste Grundlage für Investitionen.

Ein Dauerbrenner ist das Thema Zwangsmitgliedschaft. Ist da in absehbarer Zeit eine Änderung zu erwarten? Zumindest private Photovoltaikbetreiber müssen nicht mehr Pflichtmitglied werden.

Wozu eine Änderung? Ich halte die Pflichtmitgliedschaft für sinnvoll. Und wenn es einem Betrieb schlecht geht und er keine Gewinne macht, dann wird maximal ein Grundbeitrag festgesetzt. Kleinstfirmen sind meistens vom Beitrag befreit. Wer keinen Beitrag zahlt, kann die Dienstleistungen der IHK, deren hoheitlicher Auftrag ja auch finanziert sein will, trotzdem in Anspruch nehmen und bekommt Hilfe von der IHK. Gerade während der Coronakrise wurde Hilfe benötigt und konnte kostenfrei abgerufen werden. Da greift auch das Solidaritätsprinzip, ein Grundgedanke der sozialen Marktwirtschaft. Wir vertreten die Interessen der gesamten Wirtschaft, auch der kleinen Betriebe. Wer betreibt denn für sie Lobbyarbeit, wenn nicht die IHK?

Bei der jüngsten IHK-Wahl für die Voll- und Bezirksversammlungen gab es wieder Kooptationen, also die Zuwahl von IHK-Mitglieder, die nicht über eine Wahl ins Gremium kamen. Auch wenn es in der Satzung erneut festgelegt wurde, es bleibt ein Ärgernis. Nicht nur für die Vertreter der Kaktusinitiative.

Ich sehe in Kooptationen eine inhaltliche Notwendigkeit. Da Reinhold Gross, Geschäftsführer bei Trumpf, sein Amt nicht antreten kann, fehlt mit Trumpf eine wichtige Stimme eines Industrieunternehmens innerhalb der IHK. Mit der Kooptation von Hanno Höhn, Geschäftsführer bei Mann+Hummel, haben wir einen Vertreter eines Industrieunternehmens mit internationaler Erfahrung gewinnen können. Er ist Vertreter eines Unternehmens, das einen Transformationsprozess zum internationalen Player gemacht hat und dann auch noch vom Produktions- zum Entwicklungsstandort durchlaufen hat. Von so einem Vertreter in der Bezirkskammer Informationen direkt bekommen zu können und über Multiplikatoren in der Unternehmerschaft weitergeben zu können, ist unschlagbar. Das kann man durch keine gekaufte Expertise reinholen. Von diesem Austausch profitieren auch unsere kleineren Betriebe, von denen manche auch schon mehrere Standorte weltweit haben. Wie wollen kleine Unternehmen denn partizipieren, wenn die Erfahrung im Gremium fehlt? Daher habe ich dafür gekämpft, dass diese Kompetenz aus einem IHK-Mitgliedsunternehmen kommt. In solchen Fällen finde ich das Mittel der Kooptation absolut probat.

Apropos Kaktusinitiative. Wie stellen Sie sich als Präsident den Umgang mit diesen Mitgliedern vor?

Die Kakteen bezeichnen sich als Fraktion und Opposition. Verständlich ist das für mich nicht. Aber ich habe die Hand zur Kommunikation ausgestreckt. Das Präsidium hat sich bisher schon sehr mit den Damen und Herren auseinandergesetzt. Ich werde das ebenso tun. Wie schon gesagt: Die IHK ist für jeden Betrieb da!

Sie sitzen für die CDU im Gemeinderat Bietigheim-Bissingen und Sie waren auch schon im Kreistag Ludwigsburg vertreten. Ehrenamtliche, politische Arbeit beziehungsweise Kammerarbeit scheint Ihnen wichtig zu sein.

Das ist richtig. Es treibt mich an, Argumenten von Unternehmern Gehör zu verschaffen, um die Standortbedingungen für alle regionalen Firmen zu verbessern. Im Verband für meine Branche und bei der IHK für den Wirtschaftsstandort Landkreis Ludwigsburg. Ich weiß aus meiner Erfahrung als Gemeinderat und früher als Kreisrat, wie es ist, wenige Unternehmer unter vielen anderen Kommunalpolitikern zu sein. Unternehmer tauchen in der politischen Meinung kaum noch auf, sind in den kommunalen und regionalen Gremien wenig vertreten. Und wenn man nicht mehr wahrgenommen wird, dann wird man behandelt und kann nicht mehr handeln. Deshalb mein Appell an die Unternehmerkolleginnen- und -kollegen: Wenn sie was bewegen wollen, müssen sie sich halt auch bewegen und einbringen. Und das nicht nur daheim vom Büro aus, sondern auch in ehrenamtlicher Tätigkeit.

Wie bekommen Sie das Ehrenamt mit Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens unter einen Hut?

Ich habe das Glück, dass meine Frau und mein Bruder voll in der Firma tätig sind. Und die nächste Generation ist auch schon da. Der 21-jährige Sohn meines Bruders und mein 28-jähriger Sohn sind auch schon im Betrieb engagiert. Und meine 26-jährige Tochter steht an der Schwelle zum Unternehmen und wird wohl noch dieses Jahres ganz dabei sein. Dadurch kann ich mir Freiräume schaffen, um die Themen und Herausforderungen unserer regionalen Wirtschaft anzupacken.