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„Industrie ist Hauptverursacher“

Sohn und Vater: Markus (links) und Stefan Leibfried in ihrer Holzbaufirma in Vaihingen-Riet. Fotos: Holm Wolschendorf
Sohn und Vater: Markus (links) und Stefan Leibfried in ihrer Holzbaufirma in Vaihingen-Riet. Foto: Holm Wolschendorf
Holz ist nicht mehr so teuer wie noch im Sommer.
Holz ist nicht mehr so teuer wie noch im Sommer.
Wie eine Vaihinger Holzbaufirma ein schwieriges Jahr in der Branche erlebt – Landesverband: Lage hat sich verbessert

Vaihingen. „Das war und ist keine gute Zeit für die Holzwirtschaft“, sagt Stefan Leibfried. Der Obermeister der Zimmerer-Innung Ludwigsburg meint das Jahr 2021, das geprägt ist von horrenden Preisen bei vielen Baustoffen und Materialmangel. Zwar sei die Lage im Sommer noch schlimmer gewesen, „jetzt ist die Spitze gebrochen“, wie der Geschäftsführer einer Holzbaufirma in Vaihingen sagt. Doch von Entspannung könne keine Rede sein: Die Preise sind immer noch auf einem hohen Niveau.

Leibfried erklärt das am Beispiel von Konstruktionsholz: „Der Preis ist um mehrere Hundert Euro pro Kubikmeter nach oben gegangen. Wir waren beim Dreifachen des üblichen Preises, heute sind wir immer noch beim Doppelten.“ Auch Dachlatten seien noch teuer – vor einem Jahr habe ein Meter ohne Mehrwertsteuer etwa 50 Cent gekostet, im Juli ging es auf bis knapp zwei Euro nach oben, „jetzt liegen wir immer noch bei über einem Euro“. OSB-Spanplatten seien ebenso teuer wie Brettschichtholz, auch Leimholz genannt, das im Einkauf ohnehin teurer als Konstruktionsholz ist. Jetzt koste ein Kubikmeter Leimholz mehr als das Doppelte als noch vor einem Jahr, sagt Leibfried. Die Verhältnisse haben sich verschoben: Die Einkaufspreise waren in diesem Sommer das, was früher für die komplette Leistung (also für Lieferung und Montage auf dem Dach) bezahlt worden sei.

Leibfrieds Vaihinger Holzbaufirma mit 13 Mitarbeitern gibt es seit 1996, die Aufgaben sind mit den Jahren komplexer geworden – zur klassischen Altbausanierung kamen etwa Steildachdeckungen, Wärmedämmungen, Aufstockungen und Holzrahmenbau hinzu. Leibfried und sein Sohn Markus, die beiden Chefs, haben viel private Kunden – denen klar geworden sei, dass in diesem Jahr die Lieferzeiten länger seien, Bauvorhaben also länger dauerten, und dass die Arbeit der Handwerker teurer geworden sei. Man habe das für Kunden „so erträglich wie möglich“ gestaltet und die steigenden Lohnkosten etwa nicht mit eingerechnet, sagt Leibfried.

Er müsse Material beim Hersteller „lange vorher zu wesentlich höheren Preisen“ bestellen: „Man kann froh sein, wenn man dieses Jahr noch bestimmtes Material, etwa bestimmte Dachziegel, bekommt“. Ein anderes Problem: Leibfried muss lange vorher ordern, auch wenn er seinen Bedarf wegen manch kurzfristig eingehender Aufträge mitunter noch nicht exakt kennt.

Der Kunde habe auch deshalb länger warten müssen, weil es auf dem Bau ebenso an anderen Materialen fehle – und sich so die Arbeit entlang der gesamten Kette verzögere. Es fehlten etwa Mineralwolle und Leim, Dämmstoffe, Farbe und Styrodur. Der Maurer beispielsweise wartete auf Kunststoff-Kanalrohre – und darauf, seine Arbeit im Keller beginnen zu können, was den gesamten Bauprozess verlangsamte.

Leibfried sieht die Baustoffindustrie als Hauptverursacher für steigende Kosten und Materialmangel. Die habe weniger auf Lager produziert, weil sie, „finanziert durch das Corona-Kurzarbeitergeld“, in der Pandemie in weniger Schichten habe arbeiten lassen. „Durch Verknappung und höhere Preise hat die Industrie versucht, mehr Geld zu verdienen“, so Leibfried. So habe sie „eine Kettenreaktion ausgelöst, die man jetzt nicht mehr beherrscht“.

Der 60-Jährige sagt auch, dass der deutsche Staat, „ein großer Waldbesitzer“, mehr Holz im Land halten und verhindern müsse, dass die Industrie zu viel Holz nach außerhalb Europas verkaufe: „Wir brauchen unser Holz hier.“ Deshalb solle man „über Exportbeschränkungen nachdenken“. Zudem „erreicht man nur mit dem Holzbau die selbst gesteckten Klimaziele“.

Leibfrieds Betrieb ist in diesem Jahr „mit einem blauen Auge davongekommen. Das Ergebnis von 2020 erzielen wir alle nicht, aber wer vorher schon angeschlagen war, für den ist 2021 existenzgefährdend“. Er selbst habe, als die Lage klar war, nur noch Tagespreise abgegeben, „aber wer einen festen Vertrag mit Preisbindung hatte, für den kann das desaströs gewesen sein“. Leibfried hörte auch von Fertighausherstellern, die sich aus Verträgen mit Kunden herauskaufen wollten, „weil ihnen die Materialpreise um die Ohren geflogen sind“. Schrauben etwa seien in diesem Jahr ebenfalls teurer geworden, so Leibfried. „Und die Kosten für Kupfer und anderes Blech sind auch durch die Decke geschossen.“

Seit einem Höchststand im Juli sinken die Holzpreise wieder, „teilweise spürbar“, sagt Konstantin zu Dohna, Hauptgeschäftsführer des Landesverbands Holzbau Baden-Württemberg. Im Gegensatz zu Materialien aus dem Mauerwerks- und Betonbau habe sich die Lage bei Bauholz „deutlich verbessert, für den Moment gegen wir Entwarnung. Mich wundert, dass Holz immer noch bei den knappen Baumaterialien genannt wird“, so zu Dohna. „Die Lieferzeiten sind normal, der Preis noch erhöht, womit wir und unsere Kunden aber gut umgehen können.“

Im Sommer aber „waren die Schwierigkeiten stark spürbar für unsere Mitglieder“, zu Dohna spricht von einer „Eskalation, die stark durch die Coronapandemie getrieben worden ist. Kurzfristig war kaum Material zu bekommen“. Viele hätten aber „ihre Lagerhaltung rechtzeitig ausgeweitet“.

Der Landesverband Holzbau Baden-Württemberg ist mit knapp 1000 Mitgliedern der zweitgrößte der Holzbaubranche. Vor fünf Jahren waren es noch etwa 150 Mitglieder mehr – ein wichtiger Grund für den Schwund ist laut zu Dohna die fehlende Unternehmensnachfolge. „Uns ist nicht bekannt“, sagt der Hauptgeschäftsführer, dass in Süddeutschland ein gesundes Unternehmen wegen Materialknappheit in die Pleite gegangen sei – in anderen Regionen sei dies aber geschehen.