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Mit Mini-Gewittern gegen Viren

Vincent Räbiger baut hier die Ionisationsröhren, das Herzstück der Luftreiniger, in ein Deckengerät ein. Janina Buschmann hält eine dieser Röhren in den Händen. Sie ist für Planung und Einkauf zuständig. Fotos: Prolog AirClean
Vincent Räbiger baut hier die Ionisationsröhren, das Herzstück der Luftreiniger, in ein Deckengerät ein. Janina Buschmann hält eine dieser Röhren in den Händen. Sie ist für Planung und Einkauf zuständig. Foto: Prolog AirClean
Freiberger Unternehmen ProLog AirClean produziert und verkauft Ionisationsluftreiniger – Alternative zu Filtergeräten

Freiberg. Gewitter reinigen die Luft, heißt es im Volksmund. Tatsächlich kennt jeder nach Gewittern das Gefühl, frische, saubere Luft einzuatmen. „Die Luft wird durch die Blitze ionisiert“, beschreibt Lisa Herre die Folgen des Naturphänomens. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Technik in den Luftreinigern der Freiberger Firma ProLog AirClean, deren Chefin die 28-Jährige ist. „Wir erzeugen Mini-Gewitter mittels Ionisationsröhren“, erklärt Herre. „Dabei wird Sauerstoff aktiviert. Positive und negative Ionen werden erzeugt.“ Diese erzeugte Ionisationsleistung flutet dann die Räume und kann dann effektiv und direkt in der Raumluft gegen Viren, Bakterien, Schimmelpilz, Allergene und unangenehme Gerüche wirken, so die Ingenieurin. „Solche Partikel können nie wieder schädlich werden.“ Bipolare Ionisation heißt das Schlüsselwort.

Mit seinen Luftreinigern will das junge Unternehmen ProLog AirClean, das erst seit Jahresanfang am Markt ist und zur Freiberger ProLog-Firmengruppe gehört, eine Alternative zu gängigen Luftfiltergeräten anbieten, die derzeit wegen der Coronapandemie für Klassenzimmer deutschlandweit heftig diskutiert werden, sehr gefragt sind – und durch Bund und Länder seit einigen Wochen großzügig gefördert werden.

Unabhängige Prüfinstitute haben die Wirksamkeit der ProLog- AirClean-Technologie bestätigt. So bestätigt zum Beispiel das Zertifikat des Kamiq-Forschungsinstituts die „Wirksamkeit von bipolarer Ionisation zur Reduktion von Sars-CoV-2-Viren“. „Auch Ionisation und Plasma sind in der Lage, Mikroorganismen wie Bakterien und Viren zu inaktivieren“, betont auch das Umweltbundesamt (UBA). Im Rahmen von Luftreinigungsanlagen finde diese Technologie seit vielen Jahren Anwendung. „Tendenziell sind auch die Geräte wartungsärmer als solche mit Filtration, weil keine Filter zu ersetzen sind“, so das UBA. Auch die Geräuschentwicklung sei geringer als bei filtrierenden Geräten.

„Unsere Luftreiniger brauchen wenig Strom und die Folgekosten sind geringer“, betont Herre. So entfallen die Kosten für den Wechsel der Filter, die zudem meist Sondermüll sind. „Wir filtern die Schadstoffe und Erreger nicht aus der Luft, wir inaktivieren sie, direkt an der Quelle“, so die Ingenieurin. Im Ergebnis muss also die mit Schadstoffen belastete Raumluft nicht an Menschen vorbei zum Gerät geführt werden. Die AirClean-Geräte unterschreiten auch alle die Grenzwerte für Ozon.

Die sieben Mitarbeiter von ProLog AirClean arbeiten mit dem norddeutschen Unternehmen Bioclimatic zusammen, das schon seit mehr als 40 Jahren Luftreinigungssysteme herstellt. Dabei vertreibt ProLog AirClean fünf mobile Geräte – von einer kleinen Pyramide über ein Wandgerät bis zum Deckenluftreiniger – für Räumlichkeiten von 80 bis 160 Kubikmeter Raumvolumen. Seit März wird das Deckengerät serienmäßig in Freiberg produziert.

„Wir brennen für das Produkt“, betont Volker Single. „Für Systemdecken in Industrie, Verwaltung, Schulen, Kitas und Pflegeheimen ist das Deckengerät ProAir Top geeignet“, findet der Geschäftsführer von ProLog Automation. Alle Geräte werden in Freiberg gebaut, auch die Komponenten stammen aus der Region. „Die Kabel werden in Freiberg konfektioniert und die Bleche kommen von einem Kornwestheimer Zulieferer“, so Herre. „Made in Germany ist für uns wichtig.“

Mehr als 1000 der Geräte, die zwischen 300 und 2500 Euro kosten, sind bereits verkauft worden. Derzeit werden 60 Geräte in der Woche gebaut, doch schon im Oktober soll die Produktion auf 200 Luftreiniger ausgebaut und die Belegschaft aufgestockt werden. Im besten Fall könnte der Bedarf schneller wachsen, denn Bioclimatic baut bereits die Prototypen der Geräte, die in Linien- und Reisebussen sowie Bahnen eingesetzt werden können. In einigen Wochen soll die Serienproduktion starten. „Wir sind in Kontakt mit großen Busherstellern“, verrät Lisa Herre. Doch auch Privatleute können sich Geräte bei ProLog AirClean kaufen.

Auch Schulträger zeigen Interesse. In Nordrhein-Westfalen haben einige Städte jeweils 50 oder mehr Geräte für ihre Schulen bestellt. Und im Kreis Heilbronn hat eine Kommune ihr Rathaus und eine Schule mit 25 Geräten ausgestattet. Interessenten gibt es auch im Kreis Ludwigsburg.

So hat sich Oberriexingens Bürgermeister Frank Wittendorfer, der sich schon vor der Coronapandemie für Luftreinigungstechniken interessiert hat, vor einigen Tagen bei ProLog über die Luftreiniger informiert. Schon nach kurzer Zeit verspürte Wittendorfer, der wie viele an Heuschnupfen leidet, im Besprechungsraum mit einem in die Decke integrierten Luftreiniger Erleichterung, die Symptome seiner Pollenallergie gingen zurück. „Die Wirkung des Geräts war schon beeindruckend“, sagt der Bürgermeister, der derzeit auch ein Testgerät auf seinem Schreibtisch stehen hat. „Wir wollen einige Zimmer unserer Grundschule mit an der Decke installierten Testgeräten ausstatten“, sagt Wittendorfer mit Blick auf den bevorstehenden Schulstart. Und er denkt wohl auch schon an die Luftbelastung in den Schulen durch Aerosole, Stäube und Allergene in der Nach-Corona-Zeit. Mehrere Kommunen im Landkreis seien interessiert. „Bei Preisen von 2500 Euro und mehr pro Gerät müssen wir bei unterschiedlichen Luftreinigertechnologien auch nach den Förderrichtlinien sehen.“

„Bei vielen Ausschreibungen in Baden-Württemberg sind wir bisher ausgeschlossen worden, weil in den Förderrichtlinien speziell Luftfilter und nicht Luftreiniger genannt wurden“, erklärt Bettina Pfisterer, Marketing-Leiterin von ProLog AirClean. Doch die Lage ändert sich. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart hat die Förderrichtlinie und damit die technischen Anforderungen an die förderfähigen Geräte am 13. August angepasst. Nun ist vom „Einsatz von mobilen Luftreinigern“ die Rede.