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Schnelltests als neues Hauptgeschäft

Georg Beier im Testzentrum in der Schorndorfer Straße in Ludwigsburg. Foto: Holm Wolschendorf
Georg Beier im Testzentrum in der Schorndorfer Straße in Ludwigsburg. Foto: Holm Wolschendorf
Chef von Ludwigsburger Veranstaltungsfirma sattelt mit Gründung einer Mini-GmbH um – Ziel: Mitarbeiter weiterbeschäftigen

Ludwigsburg. Was macht der Chef einer Veranstaltungsfirma in Coronazeiten, in denen keine Veranstaltungen stattfinden dürfen? Er gründet eine neue Firma, um wirtschaftlich überleben und seine Mitarbeiter weiterbeschäftigen zu können. So war das jedenfalls bei Georg Beier, Inhaber einer Ludwigsburger Veranstaltungsfirma, die es seit 2010 gibt. Mit Beginn der Coronakrise fielen alle Aufträge weg, wie bei jedem anderen Unternehmen in der Branche auch. Beier Events machte hohe Verluste – Ausgaben, etwa für Personal, liefen weiter, Einnahmen sanken gegen null. Die staatlichen Hilfen halfen nur wenig – zumal die Überbrückungshilfe an den Umsatz, nicht an den Gewinn gekoppelt ist, wie Beier betont. Als die Firma im Herbst endlich wieder einen großen Installationsauftrag erhielt, hätte sie eine bestimmte Umsatzgrenze überschritten – „wir wären deshalb wegen dieses einen Auftrags aus den Hilfen herausgeflogen, weil sie sich am Umsatz und nicht am Gewinn orientieren“, sagt Beier.

Also gründete er eine neue Firma, die unabhängig von Überbrückungshilfen ist. Über diese haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG), eine Art Mini-GmbH, wickelte Beier den Auftrag ab. „Die neue Firma war die einzige Möglichkeit, wegen dieses Auftrags nicht aus den Hilfen zu fliegen und uns über Wasser halten zu können.“ Die UG ist nach ihren beiden Chefs benannt, Beier und Paola Heinich, Prokuristin bei der 2010 gegründeten Veranstaltungsfirma. Die beiden hatten Mitte April überlegt, mit der UG ins Schnelltestgeschäft einzusteigen – „vor dem heutigen Hype“, also bevor so viele diesen Schritt gegangen seien. Beier und Heinich machten sich schlau – „man braucht ein Hygienekonzept, Tests und Räumlichkeiten“ – und begannen Anfang Mai mit dem Betrieb einer Teststelle in der Schorndorfer Straße in Ludwigsburg. Zuvor hatten sie das Vorhaben beim Gesundheitsamt des Landratsamtes angezeigt. Die Tests sind kostenlos, die Ergebnisse werden per E-Mail verschickt und 24 Stunden gültig. Beim Testbetrieb kooperiert die neue Firma mit einer Oberärztin.

„Schnelltests sind jetzt unser Hauptgeschäft“, sagt Beier. Die Chefs der Mini-GmbH richteten auch am Wild- und Freizeitpark Tripsdrill eine Station ein, an diesem Wochenende eröffnen sie an den Freibädern in Löchgau und Steinheim weitere Teststellen. Dabei kann sich die Coronalage täglich ändern, was Folgen für den Betrieb hat. Für den Wildpark-Zutritt in Tripsdrill etwa gab es erst eine Testpflicht, mittlerweile gibt es sie nicht mehr. Dafür aber benötigen Besucher des Freizeitparks einen Test. Bisher ließen sich durch Beiers und Heinichs Firma in Tripsdrill werktäglich Hunderte Menschen, am Wochenende und an Feiertagen etwa 1000 pro Tag testen. „In Ludwigsburg sind es täglich 50 bis 100 Personen, am Wochenende um die 100 pro Tag“, so Heinich. Pro Test erhalten die privaten Anbieter der Stationen 18 Euro (einige Euro zur Abdeckung von Kosten) vom Bund; diesen Betrag will Gesundheitsminister Jens Spahn nach jüngsten Berichten senken, weil es Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen gegeben habe. Beier betont, dass seine UG sauber arbeite: „Über unser Computersystem können wir jeden einzelnen Test nachweisen.“ Geld für die Schnelltests gab es noch keines. Am 20. Juni soll es für den abgerechneten Monat Mai kommen. „Wir hoffen darauf“, sagt Beier. Eine Pflicht zur Auszahlung gebe es nämlich nicht, sagt der Firmenchef. „Bisher sind wir mit 200000 Euro in Vorleistung getreten.“

In der neuen Firma arbeiten etwa 40 Leute, darunter jene zehn, die bei der schon länger existierenden Veranstaltungsfirma angestellt waren. Die anderen sind auf 450-Euro-Basis temporär beschäftigt – Mitarbeiter aus dem Rettungsdienst (in dem auch Beier tätig ist), Erwachsene in Elternzeit, Krankenschwestern, Schüler und andere Personen, die sich etwas dazuverdienen wollen. Die Tester erhielten laut Beier eine zweistündige Einweisung von ihm und der Oberärztin, die das Ludwigsburger Testzentrum in Kooperation mit der Mini-GmbH betreibt. „Wir machen einen unteren Nasenabstrich, der einfach zu lernen ist“, so Beier.

„Sicherheit gibt das nicht“, sagt Beier über die an Inzidenzen gekoppelte Testpflicht, „uns ist bewusst, dass dieser Geschäftsbereich nicht von Dauer ist“. Die neue Firma soll aber auch nach Corona bestehen bleiben – um den An- und Verkauf von Veranstaltungstechnik in die UG auszulagern.

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Am Dienstagabend waren 316 Schnellteststellen im Kreis Ludwigsburg registriert. Das teilt Andreas Fritz, Sprecher des Landratsamts, auf Anfrage mit. Das sind diese Betreiber im Kreis:

- 26 Apotheken

- 35 Ärzte, Zahnärzte, medizinische Einrichtungen, nicht ärztliche medizinische Einrichtungen (die oben beschriebene Ludwigsburger Teststelle der Firma Heinich&Beier wird gemeinsam mit einer Oberärztin betrieben)

- 113 eigentliche Teststellen (Beratungs- und Behandlungsstelle)

- 6 Einrichtungen der Gemeinden/Kommunalhygiene

- 1 Labor

- 3 Heime, Pflegeeinrichtungen

- 1 Badeanstalt

- 126 Schulen

- 5 Kindergärten, Kindertagesstätten

Eine Schnellteststelle kann per Allgemeinverfügung durch das Land Baden-Württemberg eröffnet werden. Das heißt: Das Landratsamt muss die Schnellteststellen nicht zulassen. Die Betreiber dieser Stellen müssen Mindestanforderungen erfüllen, die in der Allgemeinverfügung des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg vom 12. März dieses Jahres aufgeführt sind. „Der Betreiber muss sich an die Vorgaben der Allgemeinverfügung halten. Weiterhin muss er dem Gesundheitsamt und der zuständigen Ortspolizeibehörde die Eröffnung mitteilen“, sagt Andreas Fritz, Sprecher des Landratsamts Ludwigsburg. Weiter teilt er mit, dass der Betreiber „zuverlässig im Sinne des Gewerberechts sein“ müsse und über diejenigen Erfahrungen und Qualifikationen verfüge, „die erwarten lassen, dass der Betreiber eine Einhaltung dieser Standards gewährleisten kann. Wenn er keine fachkundige medizinische Ausbildung hat, wird empfohlen, eine entsprechende fachkundige Person einzubeziehen, mindestens ein Kooperationsvertrag sollte bestehen“, so Fritz. Das Testpersonal sollte fachkundig im medizinischen Bereich sein oder durch eine fachkundige Person geschult werden.

„Da das Landratsamt die Schnellteststellen nicht zulassen muss, können wir auch keine Anbieter ablehnen“, so Fritz weiter. Doch gebe es immer wieder Personen, die eine Corona-Teststelle eröffnen möchten und deshalb beim Landratsamt nach den Vorgaben fragen. „In diesem Falle verschicken wir eine entsprechende Mail mit den Vorgaben aus der Allgemeinverfügung.“ Daraufhin hätten sich einige Interessenten nicht mehr gemeldet, „da sie“, so Fritz, „aus ihrer eigenen Sicht die Mindestanforderungen nicht erfüllen können.“ (wd)