1. Startseite
  2. Ticker Test
Logo

„Wir sind gemeinsam gewachsen“

„Unser Basislager“ – so nennt Claudia Bernecker (auf dem Foto mit ihren Kindern) den Esstisch, der auch und vor allem in der Coronakrise der Mittelpunkt des Familienlebens ist. Foto: privat
„Unser Basislager“ – so nennt Claudia Bernecker (auf dem Foto mit ihren Kindern) den Esstisch, der auch und vor allem in der Coronakrise der Mittelpunkt des Familienlebens ist. Foto: privat
Homeoffice mit drei Kindern: Claudia Bernecker über virtuelle Kommunikation, frische Luft und einen Tisch als „Basislager“

Kornwestheim/ Ludwigsburg/Stuttgart. Ob Videokonferenzen, die am Esstisch bei Kindern und Eltern parallel liefen, ob abstürzende Lernprogramme am ersten Online-Schultag, ob Familien-Spaziergänge – von den Eltern zur Pflicht erklärt, von den Kindern aber oft ungeliebt: „Wir haben versucht, allem immer wieder mit Humor zu begegnen“, sagt Claudia Bernecker. In den vergangenen elf Monaten, zuhause in der Coronakrise, hat ihre Familie oft heitere Momente erlebt, aber auch schwierige Situationen durchlebt. Humor hat dann oft geholfen – aber nicht dagegen, dass die Berneckers im monatelangen Homeoffice und -schooling mitunter an Grenzen der Belastbarkeit stießen. Dann zum Beispiel, wenn die 44-Jährige zwischen zwei Meetings und der Planung des Mittagessens dem frustrierten Nachwuchs den Unterschied zwischen Kreuzblütlern und Doldengewächsen erklären sollte. „Es ist kräftezehrend und schwer, wenn nicht gar unmöglich, allem und allen gerecht zu werden.“

Auch wenn sie, wie Bernecker betont, in einer „durchaus komfortablen Situation“ sei, „verglichen mit vielen anderen, denn wir als Familie haben weder mit Kurzarbeit oder gar einer Infektion zu kämpfen“ – Homeoffice und dauerhafte Kinderbetreuung zu Hause seien schwer miteinander vereinbar: „Man kommt früher oder später definitiv an die Grenzen.“ Bernecker half es bei der Stressbewältigung, am frühen Morgen oder abends zu arbeiten, Meetings hinter geschlossener Tür zu halten, allein an die frische Luft zu gehen und Hilfe anzunehmen – „etwa wenn die Nachbarin anbietet, den Einkauf zu erledigen“.

„Das hat alles auf den Kopf gestellt“

Bernecker, Mutter von zwölf Jahre alten Zwillingen und einem fünfjährigen Sohn, arbeitet bei der W&W-Gruppe (Wüstenrot&Württembergische), sie ist vor allem für die Kommunikation rund um den W&W-Campus in Kornwestheim/Ludwigsburg verantwortlich. Mobiles Arbeiten kannte Bernecker schon: Bei W&W können Mitarbeiter, in Absprache mit Führungskraft und Team, den Arbeitsort teils flexibel wählen, ob im eigenen Büro, an anderen Standorten oder zu Hause. So konnte Bernecker Arbeit und Familie besser miteinander vereinbaren: „Meine tägliche Arbeitszeit teile ich an Homeoffice-Tagen anders ein als an den Tagen im Büro.“ Außerdem: „Präsentationen und Konzepte etwa bearbeite ich lieber zu Hause, während im Büro Meetings und Austausch im Vordergrund stehen.“

Mit dieser Kombination fuhr Bernecker gut, sie hatte für das Arbeiten zu Hause Routinen entwickelt, die ihr auch in der Krise halfen – einerseits. Andererseits: Homeoffice nach den Spielregeln, die eine Pandemie vorgibt – das war doch ein anderes Kaliber als alles, was Bernecker bis dahin kannte. In ihrem Fall hieß das seit März 2020: Zum Homeoffice kamen Homeschooling mit zwei Zwölfjährigen und „Homekindergarten mit dem Nesthäkchen“ dazu. „Das hat alles auf den Kopf gestellt, denn weder Schulen noch Eltern noch Arbeitgeber waren auf Derartiges vorbereitet.“ Doch nach dem „ersten Schock“ erlebte Bernecker die Pandemiezeit zu Hause als „lernendes System: Schrittweise haben wir uns gemeinsam Struktur zurück erkämpft“. Dabei hätten „viele kleine Dinge“ geholfen, etwa der Sonderurlaub zu Beginn der Krise, engagierte Lehrer oder der Lieferdienst, der mitunter das Mittagessen brachte.

Nicht immer, aber oft arbeiteten die Berneckers zusammen an dem großen Esstisch in dem Haus in Stuttgart-West. „Das ist der Mittelpunkt unseres Familienlebens, der Tisch wurde während Corona immer wieder zum Basislager.“ Bernecker war es wichtig, vor allem zu Beginn der Krise für ihre Kinder „ansprech- und vor allem sichtbar“ zu sein: „Schließlich sind sie viel mehr ins kalte Wasser gesprungen als ich.“

Manchmal saß die Familie in ihrem Basislager wie in einem Großraumbüro zusammen, ein anderes Mal die Mutter alleine am Tisch. W&W schaffe nun zusätzliche Monitore für Mitarbeiter im Homeoffice an – „eine prima Sache, die ich auch nutzen werde“, sagt die 44-Jährige. Und weil das Homeschooling nun „deutlich professioneller und Eltern-unabhängiger“ gestaltet sei, „werde ich den Esstisch womöglich doch gegen einen getrennten Arbeitsbereich tauschen“.

Die Mutter weiß jetzt viel über Star Wars

Die Arbeit im Homeoffice „ist nach meiner Erfahrung nicht schwieriger, sondern anders“, sagt Bernecker. Der Tag müsse im Büro genau wie daheim auch strukturiert werden: „Am Ende muss die Arbeit gut, pünktlich und verlässlich gemacht werden. Wo das geschieht, ist eher zweitrangig.“ Homeoffice habe viele Vorteile: Die virtuelle Kommunikation mit Kollegen und bei Terminen vor allem mit größeren Gruppen empfinde sie als zielgerichteter und fokussierter. In digitalen Meetings werde „deutlich weniger kommentiert oder abgeschweift“ und kaum zeitlich überzogen. Dennoch: „Nicht alles funktioniert virtuell, es braucht auch immer den persönlichen Austausch“. Der – vor allem der mit ihren Kollegen – fehlt Bernecker sehr: „Ich freue mich von Herzen auf mehr Normalität, für alle Beteiligte und vor allem für jene, die noch viel stärkere Einschnitte erfahren mussten als ich selbst.“ Nach einem Coronajahr hat Bernecker viel gelernt – „über mich, meine Familie, Belastbarkeit, Prioritäten und Grenzen“. Ihre Familie „war sich oft sehr nah, wir sind gemeinsam gewachsen, die Kinder sind selbstständiger geworden“. Außerdem hat die Mutter nun ein „fundiertes Star-Wars-Wissen“ – dank der „regelmäßigen Beschallung durch einschlägige Hörspiele“ ihres Nachwuchses.

Zusatzbox:

Wie habt Ihr das Coronajahr erlebt? Ada, Theo und Carl, die drei Kinder von Claudia Bernecker, berichten:

- Wie findet ihr das, wenn die ganze Familie dauernd zusammen zu Hause ist?

Ada (12): Das ist alles andere als normal. Manchmal ist es anstrengend, man hat viel weniger Privatsphäre. Aber ich kann mich in mein Zimmer zurückziehen.

Theo (12): Es ist immer einer da, dauernd kommt jemand in mein Zimmer und immer dieselben Leute! Manchmal ist das voll nervig, aber manchmal ist genau das auch toll.

Carl (5): Gut, weil dann eigentlich alle mit mir spielen können. Aber die haben oft doch keine Zeit wegen Arbeit und Schule. Stressig ist es immer dann, wenn alle durcheinanderreden.

- Was war gut in den Monaten der Corona-Lockdowns, was fandet Ihr nicht gut in dieser Zeit?

Ada:Gut: Keine Klassenarbeiten und Ausschlafen im ersten Lockdown.

Nicht gut: Keine Freunde sehen, viel Langeweile, und irgendwie ist man dauernd schlapp vor lauter Nixtun.

Theo: Gut: Ich habe viel in Sachen PC gelernt. Außerdem hatte ich viel mehr Zeit zum Zocken.

Nicht gut: Keine Freunde sehen, wenig Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, und manchmal die genervte Mutter.

Carl: Gut: Dass ich oft ausschlafen und viel mehr Lego spielen konnte.

Nicht gut: Keine Freunde sehen, kein Turnen, und Opa und die Omas haben wir so selten gesehen.