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Landtag
Strobl: Rückkehr von Inspekteur ins Amt nicht vorstellbar

Strobl
Thomas Strobl, der baden-württembergische Innenminister und Landesvorsitzende der CDU in Baden-Württemberg in der Filderhalle. Foto: Jan-Philipp Strobel
Kann der Inspekteur der Polizei nach dem Sex-Skandal im Amt bleiben - selbst wenn das Gericht ihn freisprechen sollte? Nach Äußerungen des Innenministers kann das als ausgeschlossen angesehen werden. Der Druck auf das Innenministerium war zuletzt gewachsen.

Stuttgart. Trotz eines noch ausstehenden Disziplinarverfahrens gegen den Inspekteur der Polizei hat sich Innenminister Thomas Strobl sehr deutlich gegen eine Rückkehr des Mannes in sein Amt ausgesprochen. «Ich denke, da spreche ich für sehr viele in der Polizei Baden-Württemberg - kann ich mir persönlich nur schwer vorstellen, dass es eine Rückkehr ins Amt des höchsten uniformierten Polizisten im Land gibt», sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im Landtag. Ein solches Verhalten sei inakzeptabel für einen Polizisten, inakzeptabel für eine Führungskraft.

Damit dürfte eine Rückkehr des Inspekteurs - unabhängig vom Ausgang des Disziplinarverfahrens - in sein Amt als ausgeschlossen gelten. Strobl hatte sich erstmals so deutlich zur Zukunft des Inspekteurs geäußert. Strobl ist sein oberster Dienstherr und Disziplinarvorgesetzter. Bislang hatte das Innenministerium darauf verwiesen, dass man den Prozess und das danach anstehende Disziplinarverfahren abwarten müsse.

Der Inspekteur steht derzeit wegen sexueller Nötigung vor Gericht und ist vom Dienst bei vollen Bezügen freigestellt. Er soll im November 2021 eine damals 32 Jahre alte Kriminalhauptkommissarin bei einem Kneipenabend sexuell genötigt haben und sie dazu gedrängt haben, seinen Penis anzufassen. Die Beamtin befand sich im Auswahlverfahren für den höheren Dienst, der Inspekteur hatte ihr Unterstützung versprochen. Zuletzt gelangten im Prozess immer wieder schmutzige Details an die Öffentlichkeit. So verschickte der heute 50-jährige Inspekteur jahrelang sogenannte Dick Pics an jüngere Kolleginnen.

Die Vorwürfe seien schwerwiegend, sagte Strobl. Sie richteten sich aber nicht gegen die 35.000 Beschäftigten bei der Polizei. Der Prozess vor dem Landgericht bringe Details ans Licht, die keiner vorhergesehen hätte und die «in Abgründe blicken» ließen. Man habe aber von Anfang an konsequent und hart reagiert, dem Inspekteur das Ausüben der Dienstgeschäfte verboten, Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit informiert. «Es wird nichts unter den Teppich gekehrt.» Vergangene Woche habe man zudem eine Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung beschlossen, sagte Strobl.

Das Disziplinarverfahren gegen den Inspekteur soll nach Abschluss des Verfahrens vor dem Landgericht wieder aufgenommen werden. «Unabhängig vom Strafverfahren und dessen Ausgang liegen Sachverhalte auf dem Tisch, die weder mit der Polizei noch mit einer Führungsfunktion bei der Polizei vereinbar sind», sagte Strobl im Landtag in einer Debatte über die Fehlerkultur bei der Polizei.

Die SPD-Fraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gehoben, um Strobl in der Sex-Affäre weiter unter Druck zu setzen. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Sascha Binder, kritisierte, dass Machterhalt und eine «Wagenburgmentalität» im Mittelpunkt der Polizeiführung stünden. Der Ministerpräsident müsse sich die Frage stellen, ob Strobl und Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz noch Vorbilder für Polizei und Land sein könnten. Auch die Grünen im Landtag forderten eine neue Fehlerkultur in der Polizei sowie ein Klima der Offenheit und des Vertrauens.

Die FDP-Fraktion forderte Strobl im Plenum dazu auf, sich für den Sex-Skandal bei den Polizistinnen und Polizisten im Land zu entschuldigen. «Sie müssen sich entschuldigen», sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Julia Goll. «Sie haben die Ursache gesetzt, sie haben diesen Menschen zum Inspekteur der Polizei gemacht.» Der AfD-Abgeordnete Hans-Jürgen Goßner sprach von einem «Totalversagen der Führungsebene».

Der polizeipolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Gehring, warf der Opposition hingegen vor, aus parteitaktischen Gründen auf Hunderte Mitarbeiter des Innenministeriums draufzuhauen. Er verteidigte Strobl und die Polizeiführung. Man habe beim Umgang mit der Causa von Anfang an Transparenz erlebt.

In einer internen Konferenz mit den Polizeipräsidenten im Land soll Landespolizeipräsidentin Hinz vor kurzem aufgefordert worden sein, klarzumachen, dass der Inspekteur nicht mehr tragbar sei.

Hinz hatte im Anschluss in einer internen Videobotschaft gesagt, dass das Verhalten des Inspekteurs für jede Führungskraft inakzeptabel sei. Sie sagte darin aber auch: «Es gibt keinen Grund, dass wir uns als Polizei schlecht reden lassen. Und es ist an uns zu entscheiden, wie viel Raum wir dem geben wollen.» Hinz appellierte in dem Video an die Beschäftigen, den Blick darauf zu richten, was richtig gut laufe und was man erreicht habe bei der Polizei, etwa die Einstellungsoffensive. «Irgendwann hört der Sturm auf. Irgendwann kommen wieder ruhigere Zeiten.» Man werde gestärkt aus der schwierigen Phase hervorgehen.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Julia Goll, warf Hinz deshalb am Donnerstag vor, die Polizistinnen und Polizisten auf der Straße dafür in Haftung zu nehmen, dass das Ansehen der Polizei keinen weiteren Schaden nimmt. «Was Frau Hinz tut, ist hochgradig unanständig.» Die Polizeibeamten im Land hätten nichts mit den Zuständen an ihrer Spitze zu tun.

© dpa-infocom, dpa:230525-99-820553/3