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Polizeigewerkschaft fordert Richtungswechsel

Ralf Kusterer
Ralf Kusterer, der Landesvorsitzende Baden-Württemberg der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/Archiv
Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält die Politik des Landes in der inneren Sicherheit für falsch und macht dafür den Ministerpräsidenten direkt verantwortlich.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Bei der inneren Sicherheit in Baden-Württemberg hapert es nach Überzeugung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) an vielen Stellen. Der Landesvorsitzende Ralf Kusterer macht dafür Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) direkt verantwortlich. «Wer bei einem mit 2,4 Milliarden Euro außergewöhnlichen Nachtragshaushalt nur 24 Millionen in den Bereich der inneren Sicherheit investiert, muss unter einer Glasglocke leben und die Realität nicht mehr zur Kenntnis nehmen», sagte Kusterer der Deutschen Presse-Agentur im Anschluss an eine Sitzung des Landeshauptvorstandes der Gewerkschaft.

Das Innenministerium wies die Kritik zurück. «Wir machen derzeit die größte Einstellungsoffensive bei der Polizei, die es in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg je gegeben hat», sagte Sprecher Andreas Mair am Tinkhof. Er verwies auf die Schutzausrüstung, die neue Maschinenpistole MP7 und die Streifenwagen. Die Polizei Baden-Württemberg gehöre zu den am besten ausgerüsteten Polizeien überhaupt. «Die Polizei und die innere Sicherheit sind bei unserer Landesregierung in sehr guten Händen.»

Kusterer nannte die Kriminalitätsentwicklung im Südwesten erschreckend. «Auf unseren Polizeitischen liegen Akten, unter denen Fälle mit höchster Brisanz sind. Täglich beten wir und hoffen, dass nichts passiert.» Polizisten kämen an ihre Grenzen, die technische Ausstattung müsse dringend verbessert werden. «In der digitalen Welt befinden wir uns in der polizeilichen Steinzeit.»

Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte der Landesvorsitzende Hans-Jürgen Kirstein, er sehe die Situation nicht ganz so dramatisch. Es gebe Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung. Wichtig sei vor allem, dass das Personal höher eingestuft und damit besser bezahlt werde. «Wir stellen über 80 Prozent Abiturienten ein und lassen die alle im mittleren Dienst verhungern. Das geht nicht.» Nach Kirsteins Überzeugung wurde in den vergangenen Jahren zu sehr bei der Polizei gespart. Das fehlende Personal könne jetzt nicht in wenigen Jahren wieder aufgebaut werden. «Wir haben keinen Zuwachs, wir kämpfen um den Bestand.»

Kusterer warf Kretschmann vor, die Bedeutung, die er der inneren Sicherheit beimesse, sei ein Schlag ins Gesicht der Opfer im Land. «Wer so weiter regiert, schafft den Nährboden für radikale Gruppierungen und Parteien am rechten Rand.»

Unterstützung erhielt der DPolG-Vorsitzende vom Fraktionschef der FDP im Landtag, Hans-Ulrich Rülke. Die grün-schwarze Koalition nutze die stark gestiegenen Steuereinnahmen nicht zur besseren Erfüllung der staatlichen Pflichtaufgaben wie der inneren Sicherheit und zum Schuldenabbau. «Der seit sieben Jahren regierende Ministerpräsident Kretschmann hat es zu verantworten, dass trotz der gestiegenen finanziellen Möglichkeiten die Polizei in falschen Strukturen, mit zu wenig Personal und unzureichender Ausrüstung arbeitet», kritisierte Rülke. Der polizeiliche Streifendienst verfüge noch nicht einmal flächendeckend über Smartphones und Laptops.

Der Landesvorsitzende der Grünen, Oliver Hildenbrand, äußerte sich verwundert über den aus seiner Sicht unsachlichen Debattenbeitrag des Gewerkschaftsvorsitzenden. Die Kriminalität in Baden-Württemberg sei zuletzt so stark zurückgegangen wie seit zehn Jahren nicht mehr, gleichzeitig sei die Aufklärungsquote gestiegen. «Herr Kusterer sollte aufhören, die Tatsachen zu verdrehen.» Die Landesregierung setze die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der Landespolizei um und schaffe in den nächsten Jahren 1500 neue Stellen.