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Traumaexperte: Frauen aus Vielehen mit Einbürgerung helfen

Traumaexperte Jan Kizilhan
Traumaexperte Jan Kizilhan. Foto: Stefanie Järkel/Archivbild
Innenminister Seehofer will über das Staatsangehörigkeitsrecht Vielehen den Boden entziehen. Doch das ist aus Sicht eines Experten zu kurz gegriffen. Opfer müssten eine Chance auf Einbürgerung und damit auf ein neues Leben ohne Zwang bekommen.
Villingen-Schwenningen.

Villingen-Schwenningen (dpa/lsw) - In der Diskussion über ein generelles Verbot der Einbürgerung von Menschen, die Vielehen eingegangen sind, hat der Traumexperte Jan Kizilhan zur Differenzierung aufgerufen. «Jede Person stellt aus meiner Sicht individuell einen Antrag auf Einbürgerung, und dies sollte auch individuell entschieden werden», sagte der Leiter des Instituts für Transkulturelle Gesundheitsforschung der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

Zwar seien vor allem Vielehen aus dem arabischen Raum unter kulturellem und religiösen Druck entstanden und nicht tolerierbar, sagte Kizilhan. Und es komme auch eine Strafverfolgung in Betracht. Aber es müsse auch an die Frauen gedacht werden, denen die Staatsbürgerschaft und entsprechende Aufklärung die Trennung von dem Mann in der Mehrehe ermöglichen könnte.

Der Experte reagierte auf den Vorstoß von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), wonach Menschen, die eine Mehrehe eingegangen sind, nicht Deutsche werden sollen. Wie das Innenministerium am Montag mitteilte, soll eine entsprechende Regelung Eingang in eine weitere Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes finden.

Kizilhan sagte, die Folgen für Frauen aus Zwangsehen und Vielehen seien schlimm, wie er aus jahrelanger Behandlung wisse: «Sie zeigen deutliche Raten von Depression, Angststörung und körperliche Beschwerden. Diese Frauen haben insgesamt bis zu vier Mal nach der Heirat versucht, sich das Leben zu nehmen.»

Allerdings sei eine Zwangsehe schwer nachzuweisen, wenn die Frau aus Angst nicht die Wahrheit sage, räumte der Professor ein. «Hier müssen wir viel schneller und durch gezielte Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit Frauen auf ihre Rechte und Hilfsangebote hinweisen.» Gespräche mit den Frauen müssten ohne Mann oder Verwandte geführt werden.

Sollten Vielehen auf absoluter Freiwilligkeit basieren, wie in einigen wenigen Beispielen in der westlichen Welt, dann sei dies Sache der Beteiligten. Männern aus islamischen Ländern, die sich auf ihre Kultur und Religion beriefen und dabei grundlegende Menschenrechte durch Zwangsehen verletzten, dürften aber nicht eingebürgert werden.

Duale Hochschule