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Unfallflucht von Gaggenau: Zweieinhalb Jahre Haft nach

Ein Richterhammer aus Holz
Auf der Richterbank liegt ein Richterhammer aus Holz. Foto: Uli Deck/Archiv
Es trifft sie dort, wo sie in Sicherheit hätten sein müssen. Auf dem Gehweg schiebt eine Frau ihren Enkel im Kinderwagen spazieren, als das Auto sie erfasst. Am Steuer sitzt ein betrunkener Mann, der einfach weiterfährt. Das Urteil fällt recht moderat aus.
Rastatt.

Rastatt/Gaggenau (dpa/lsw) - Er stieg vollkommen betrunken ins Auto und fuhr eine Oma und ihren Enkel auf dem Gehweg tot - nun ist ein 48-Jähriger vom Amtsgericht Rastatt wegen Fahrerflucht und fahrlässiger Tötung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Tragödie sei ganz klar deshalb passiert, weil der Mann sich nach viel Alkohol hinter das Steuer gesetzt habe, sagte Richterin Angelika Binder in ihrer Urteilsbegründung am Freitag. Mit dem Gesamtstrafmaß lag sie zwei Monate über der Forderung des Staatsanwaltes (Az.: 11 Ls 301 Js 9879/18).

Die Familie der Opfer habe eine Mutter, eine Ehefrau und Oma verloren und Eltern ihr Kind, sagte sie weiter. Dann noch erfahren zu müssen, dass der Schuldige sich nicht um die Sterbenden kümmerte, sei für die Angehörigen zutiefst traumatisch gewesen.

Der Mann hatte die 54-Jährige und das sieben Monate alte Baby im Juli vergangenen Jahres in Gaggenau (Kreis Rastatt) frontal erfasst und war dann in Panik und aus Angst um seinen Führerschein geflüchtet. Das Baby wurde aus dem Kinderwagen auf den Asphalt geschleudert, die Frau flog 39 Meter durch die Luft, bevor sie auf dem Boden aufkam. «Ich erspare mir hier eine weitere Schilderung ihrer Verletzungen», sagte Binder.

Dem Mann hielt das Gericht sein weitgehendes Geständnis zugute und die Tatsache, dass er vorher niemals straffällig geworden sei. Dass er beim Zusammenstoß nicht wahrgenommen habe, dass er Menschen überfahren hatte, nahm ihm die Kammer jedoch nicht ab. Aussagen von Zeugen, mit denen der Mann unmittelbar danach völlig verstört telefonierte, stünden dem entgegen. Der 48-Jährige, der schüchtern und wie erstarrt wirkte, hatte am Schluss nochmals in ungelenken Worten die Tat bedauert. «Es tut mir von Herzen leid.»

Zuhörer des Prozesses äußerten Unverständnis wegen des aus ihrer Sicht zu milden Urteils. «Das reicht nicht», sagte ein 61-Jähriger. «Auf keinen Fall ist das gerecht», meinte eine 84 Jahre alte Frau aus Gaggenau. «Er hätte drei oder vier Jahre bekommen müssen.» Für fahrlässige Tötung ist eine Strafe von bis zu fünf Jahren möglich. Die Tragödie hatte in der Region für enormes Aufsehen gesorgt und große Anteilnahme ausgelöst.

«Sie waren massiv alkoholisiert, und das war Ihnen auch klar», hatte Staatsanwalt Axel Isak während seines Plädoyers direkt an den Angeklagten gerichtet gesagt. Verminderte Schuldfähigkeit schlossen Isak wie auch das Gericht aus: Nach dem Unfall habe der Mann sein Fahrzeug mustergültig in der Nähe seiner Wohnung in eine Parklücke eingeparkt.

Wenige Stunden nach dem tödlichen Zusammenstoß war er festgenommen worden. Sachverständigen zufolge hatte der Mann zum Unfallzeitpunkt zwischen 1,5 und 2,5 Promille im Blut gehabt. Der 48-Jährige selbst hatte von Alkoholsucht gesprochen - und der Trennung von seiner Frau, die ihn völlig aus der Bahn geworfen habe. Der Verteidiger des Mannes, Uwe Kirsch, hatte kein konkretes Strafmaß gefordert. Sein Mandant bereue das Geschehene. Er versuche, «auf dem Trümmerhaufen seines Lebens einen neuen Anfang zu finden».

Der Familie der beiden Opfer, die ausdrücklich auf eine Nebenklage verzichtet hatte, bezeugten Staatsanwalt, Verteidigung größten Respekt. Sie hatte Anfang der Woche ein bewegendes Schriftstück verlesen lassen und auf ihren Glauben verwiesen, der Rache ausschließe. «Ich verneige mich vor der Haltung der Familie», sagte Kirsch.

Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 17. Oktober 2018

Link zu Unfallflucht des Statistischen Bundesamtes.