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Elektronikunternehmen
Globalwafers kann Siltronic nicht übernehmen

Siltronic
Der Siltronic-Standort in Freiberg (Sachsen). Foto: Siltronic AG/dpa
Ein milliardenschwerer Zusammenschluss in der Elektronikbranche ist fürs Erste vom Tisch. Das taiwanische Unternehmen Globalwafers kann Siltronic aus München nicht übernehmen - und zeigt sich enttäuscht.

Berlin (dpa) - Die Übernahme des Münchner Elektronikunternehmens Siltronic durch den taiwanischen Chip-Zulieferer Globalwafers ist geplatzt.

Die börsenrechtliche Frist dafür endete in der Nacht zum Dienstag um Mitternacht ohne dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die notwendige Genehmigung erteilt hätte. Dazu habe die Zeit gefehlt, so das Ministerium.

«Bis zum Ablauf dieser Frist konnten nicht alle notwendigen Prüfungsschritte im Rahmen der Investitionsprüfung abgeschlossen werden», erklärte eine Ministeriumssprecherin. «Das betrifft insbesondere die Prüfung der erst in der letzten Woche erfolgten kartellrechtlichen Genehmigung durch die chinesischen Behörden.»

Globalwafers reagierte mit Enttäuschung und ist am Dienstag vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, eine Genehmigung zu erzwingen. Das Verwaltungsgericht Berlin wies einen Eilantrag ab, wie es mitteilte, ohne die Namen der beteiligten Unternehmen zu nennen. Eine Beschwerde dagegen blieb erfolglos.

Übernahmeversuch geplatzt

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte die Übernahme zwar seit ungefähr einem Jahr geprüft. Doch die chinesische Wettbewerbsaufsicht hatte die Genehmigung für die Transaktion erst vor Kurzem, am 21. Januar, erteilt. Die Behörde verhängte dabei Auflagen: Demnach hätte Globalwafers binnen sechs Monaten sein Geschäft rund um das sogenannte Zonenziehverfahren verkaufen müssen - eine Herstellungsvariante für Siliziumwafer. Zudem sollte der Konzern weiterhin chinesische Kunden beliefern.

Damit ist der Übernahmeversuch fürs Erste geplatzt. Das Prüfverfahren sei mit Ablauf der Frist rechtlich gegenstandslos geworden, erklärte die Ministeriumssprecherin. «Sollte das Unternehmen einen neuen Anlauf nehmen für einen neuen Erwerb, dann wird die Investitionsprüfung selbstverständlich erneut vorgenommen.»

Trotz der gescheiterten Übernahme blickt Siltronic-Chef Christoph von Plotho optimistisch in die Zukunft. Das Marktumfeld sei sehr positiv, «wir arbeiten unter Volllast und sind guter Dinge», sagte er der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Mittwochausgabe). Einem möglichen neuen Angebot seitens Globalwafers steht er selbstbewusst gegenüber: «Ein unverändertes Angebot ist aus heutiger Sicht wenig attraktiv.»

Jahresbilanz 2021 am Mittwoch

Erst vor kurzem hatte Globalwafers-CEO Doris Hsu angekündigt, dass Globalwafers im Fall eines Scheiterns der Übernahme andere Investitionspläne außerhalb Europas verfolgen wolle. Über die Pläne für eine alternative Verwendung der für die Transaktion vorgesehenen Mittel will Globalwafers nach eigenen Angaben am Sonntag informieren. Der Konzern hatte den Siltronic-Aktionären im Zuge der Übernahmepläne rund 4,4 Milliarden Euro geboten. Mehr als 70 Prozent der Anteilseigner hatten bereits zugesagt. Siltronic stellt seine Jahresbilanz 2021 am Mittwoch vor.

«Angesichts unserer Bemühungen um eine für beide Seiten akzeptable Lösung und unserer langen und erfolgreichen Geschichte in Europa ist dieses Ergebnis sehr enttäuschend», sagte Globalwafers-CEO Doris Hsu laut einer Pressemitteilung des Unternehmens. «Wir werden selbstverständlich weiterhin eng mit unseren europäischen Kunden zusammenarbeiten, von denen viele die vorgeschlagene Transaktion unterstützt haben. Wir werden die Nicht-Entscheidung der deutschen Regierung analysieren und ihre Auswirkungen auf unsere künftige Investitionsstrategie prüfen.»

Für die Übernahme wäre eine so genannte außenwirtschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung in Deutschland erforderlich gewesen. Dabei prüft das Bundeswirtschaftsministerium, ob durch ausländische Investitionen in inländische Unternehmen eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für die Bundesrepublik zu erwarten ist.

Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung

Grundlage für die Prüfverfahren des Ministeriums ist die im vergangenen Jahr verschärfte Außenwirtschaftsverordnung. Sie errichtet Hürden, damit sensible Technologie nicht in die Hände fremder Staaten fällt. Seit der Verschärfung gibt es neue Meldepflichten für Investitionen in Hoch- und Zukunftstechnologiesektoren. Dazu gehören zum Beispiel die Bereiche künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt oder Nukleartechnologie.

Die Zahl der Investitionsprüfungen steigt nach Angaben aus Ministeriumskreisen seit Jahren an. Demnach gab es im vergangenen Jahr 306 solcher Verfahren, nach 160 im Jahr 2020, 106 im Jahr 2019 und 78 im Jahr 2018.

Vertreter von Regierung und Opposition begrüßten die ausgebliebene Genehmigung. Der Vize-Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Hannes Walter (SPD), steht nach eigenen Angaben hinter der Entscheidung. «Technologische Souveränität gewinnen wir nicht dadurch, dass wir unser Tafelsilber veräußern», sagte Walter dem «Handelsblatt» (Dienstag). Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, sagte der Zeitung: «Deutschland ist ein attraktiver Investitionsstandort. Gerade deswegen ist es richtig, dass wir auch unsere Sicherheitsinteressen im Blick halten.»

Siltronic-Großaktionär sucht neuen Käufer

Die Münchner Siltronic gehört zu den führenden Herstellern von Siliziumscheiben (Wafer) für Halbleiter und Chips. Vorstand und Aufsichtsrat hatten das Übernahmeangebot begrüßt. Letzte Hürde wäre die Unbedenklichkeitserklärung des Bundeswirtschaftsministeriums gewesen. Siltronic beschäftigt rund 4000 Mitarbeiter und produziert unter anderem im sächsischen Freiberg. Das größte Werk steht in Singapur. Globalwafers ist nach eigenen Angaben der größte Wafer-Lieferant in Europa.

Der Siltronic-Großaktionär Wacker Chemie sucht nun einen neuen Käufer für seinen 31-Prozent-Anteil an dem Münchner Halbleiter-Zulieferer. Wacker-Vorstandschef Christian Hartel sagte am Dienstag, er bedaure die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums. Der Zusammenschluss wäre «im besten Interesse nicht nur der beiden Unternehmen, sondern auch der deutschen und europäischen Halbleiterindustrie gewesen». Dadurch wäre «ein führender Anbieter der Industrie mit starken europäischen Wurzeln entstanden».

Wacker wolle seine Beteiligung an Siltronic weiter abgeben. Dabei stehe der Konzern aber nicht unter Zeitdruck, sagte Hartel. Siltronic sei «technologisch hervorragend aufgestellt und arbeitet sehr profitabel».

Siltronic-Aktien stiegen an der Deutschen Börse am Dienstag um 2,6 Prozent. Nun könnten die Investoren wieder auf den Wert von Siltronic als eigenständiges Unternehmen abzielen, hieß es dazu im Handel. Dieser könne höher sein als das Kaufangebot aus Taiwan.

© dpa-infocom, dpa:220201-99-925224/7