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Grün-Schwarz oder Ampel? Kretschmann muss sich entscheiden

Muhterem Aras
Muhterem Aras (Bündnis 90/Die Grünen), Landtagspräsidentin. Foto: Felix Kästle/dpa
Historischer Sieg für die Grünen in Baden-Württemberg. Nun hat Übervater Kretschmann die Qual der Wahl. Wirft er der versinkenden Südwest-CDU einen Rettungsring zu? Oder versetzt er ihr mit der Ampel den ultimativen Stoß? Ein Überblick über Ergebnisse und Optionen.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Grünen marschieren durch bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg und können sich den Koalitionspartner aussuchen. Zur Wahl stehen eine Fortsetzung der grün-schwarzen Koalition und eine Ampel mit SPD und FDP. Die stark geschwächte CDU will zwar unbedingt in der Regierung bleiben. Aber auch SPD und Liberale stehen bereit. Der Wettlauf kann beginnen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann freute sich am Sonntagabend über das Rekordergebnis, wollte sich aber noch nicht auf ein Bündnis festlegen. Kommende Woche sollen die Gespräche beginnen. Am Mittwoch kommen Grüne und CDU zusammen, am Freitag folgen die Treffen mit SPD und FDP. An diesem Montag stehen aber erstmal die Gremiensitzungen der Parteien in Berlin und Stuttgart an.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz formulierte schon Bedingungen für eine Koalition: «Die Umsetzung eines Klimaschutzsofortprogramms steht für uns an erster Stelle», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Das müsse beinhalten: «Mehr Strom aus Sonne und Wind in Baden-Württemberg, mehr umweltfreundliche Mobilität und ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz.»

FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke setzt auf eine Ampel. «Nun gibt es zwei Optionen: Weiter so mit Grün-Schwarz oder zu neuen Ufern mit einer Reformkoalition», sagte er der dpa. Dabei erhielt er Unterstützung von ungewohnter Seite. Die Grüne Jugend im Südwesten erklärte, «die Plan- und Visionslosigkeit der CDU» disqualifiziere sie als erneuter Koalitionspartner. «Wir wollen eine progressive Regierung», sagte Sarah Heim, Sprecherin der Grünen Jugend. Dafür brauche es Mehrheiten jenseits der CDU.

ERGEBNIS: Nach Auszählung aller Wahlkreise sah es so aus: Die Grünen schaffen 32,6 Prozent - das beste Ergebnis auf Landes- und Bundesebene jemals. Das ist ein Plus von 2,3 Punkten im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren. Der bisherige Koalitionspartner CDU fällt um 2,9 Punkte auf 24,1 Prozent - das ist das schlechteste Ergebnis in seiner ehemaligen Hochburg. Die SPD unterbietet ihr ohnehin schon schwaches Ergebnis von 2016 nochmal und landet bei 11,0 Prozent, ein Minus von 1,7 Punkten. Immerhin schaffen es die Sozialdemokraten damit noch auf Rang drei. Knapp dahinter die erstarkte FDP mit 10,5 Prozent (plus 2,2 Punkte). Größter Verlierer ist die AfD, die 336 000 Stimmen einbüßt und nur noch 9,7 Prozent erreicht - 5,4 Prozent minus. Und zuletzt: Die Linke macht im Südwesten einfach keinen Stich und verpasst erneut mit 3,6 Prozent den Einzug in den Landtag.

KOALITIONEN: Kretschmann will eine «verlässliche und stabile Koalition». Aha. Rechnerisch wären das Grün-Schwarz und Ampel gleichermaßen. Die Grünen wollen vor allem beim Klimaschutz mehr Tempo machen. Da hat die CDU an der einen oder anderen Stelle gebremst in den vergangenen fünf Jahren, Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand sprach sogar von «Klotz am Bein». Ob das aber mit der FDP in einer Ampel besser würde, ist nicht gesagt. Klar ist nur: Sowohl die CDU als auch SPD und FDP wollen unbedingt in die Regierung. Das dürfte den Grünen bei ihren inhaltlichen Forderungen in die Karten spielen.

CDU-Landeschef Thomas Strobl soll mit seinen guten Kontakten zu Kretschmann verhindern, dass die Partei neben der AfD in der Opposition landet. Gegen Grün-Schwarz spricht, dass Grüne, SPD und FDP im Bund gerne zeigen würden, dass es auch eine Mehrheit jenseits der Union geben kann. «Die Chancen stehen 50:50», sagt ein führender Grünen-Mann. Und Frank Brettschneider, Politikexperte von der Uni Stuttgart-Hohenheim, meint: «Die CDU müsste mehr zulassen beim Klimaschutz und auch bei den Ministerposten.» Eine Neuauflage von Grün-Rot ist knapp nicht möglich. Rechnerisch könnte damit die neu gegründete Klimaliste Grünen und SPD eine Regierungsbildung vermasselt haben. Die neue Partei kam auf 0,9 Prozent der Stimmen.

CDU-PERSONAL: Die einzige Leidtragende des Debakels ist erstmal Susanne Eisenmann. Die 56 Jahre alte Spitzenkandidatin übernahm die Verantwortung und wird bei der Suche nach einer Koalition mit den Grünen keine Rolle spielen. Ob die Kultusministerin im Falle von Grün-Schwarz nochmal ins Kabinett darf, ist eher unsicher. Sie gehört nach ihrer krachenden Niederlage in ihrem Wahlkreis in Stuttgart gegen Verkehrsminister Winfried Hermann nicht mal mehr dem nächsten Landtag an. Da geht es Innenminister Strobl auch nicht viel besser, er unterlag in Heilbronn klar der Grünen Susanne Bay und verpasste ebenfalls den Einzug ins Parlament. Da der 60-Jährige aber die letzte Hoffnung der CDU ist, die Grünen von einer Fortsetzung von Grün-Schwarz zu überzeugen, bleibt er erstmal ungeschoren.

Spannend wird womöglich die Wahl des neuen Fraktionschefs am Montagmittag. Amtsinhaber Wolfgang Reinhart (64), der sich ebenfalls als Brückenbauer zu den Grünen sieht, tritt nochmal an. Als denkbarer Gegenkandidat wird Generalsekretär Manuel Hagel (32) genannt. Er ist in Ehingen mit 35,9 Prozent immerhin landesweiter Stimmenkönig der CDU geworden. Während er sein Ergebnis von 2016 fast halten konnte, büßte Reinhart im Wahlkreis Main-Tauber 5,8 Punkte ein und landete bei 29,6 Prozent. Hagel stünde für einen Generationswechsel an der Spitze der Fraktion.

HOCHBURGEN: Das beste Ergebnis überhaupt holte die Grüne Muhterem Aras im Wahlkreis Stuttgart I. Die Landtagspräsidentin schaffte 44,8 Prozent. Silber errang die Grüne Nese Erikli in Konstanz mit 42,1 Prozent und Bronze ging an Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in Heidelberg mit 41,7 Prozent. Kretschmann gewann in Nürtingen mit immerhin noch 38,8 Prozent. Der SPD-Abgeordnete Stefan Fulst-Blei holte zwar in Mannheim I das beste Ergebnis (21,7 Prozent) aller Genossen, aber gewonnen haben auch diesen Wahlkreis die Grünen. SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch gelang in Heidenheim mit 20,2 Prozent der Einzug ins Parlament.

Die AfD, die 2016 in Mannheim und Pforzheim siegreich war, hatte diesmal das Nachsehen. Bernd Grimmer schaffte in Pforzheim aber mit 15,8 Prozent das beste Ergebnis für die Rechtspopulisten. Der Student Felix Herkens von den Grünen nahm ihm das Direktmandat ab. Bei den Liberalen war Erik Schweikert im Wahlkreis Enz mit 16,9 Prozent am erfolgreichsten - noch vor FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, der in Pforzheim 16,1 Prozent hinlegte.

© dpa-infocom, dpa:210314-99-821851/3

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