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Pandemie
Corona-Tests: Land will Zuzahlung nicht ersetzen

Manne Lucha
Manne Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Gesundheitsminister von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Uwe Anspach
Einst wurden sie in der Pandemie hektisch eingeführt, jetzt werden sie kräftig eingedampft: Die kostenlosen Corona-Tests. Zu teuer, zu wenig aussagekräftig. Aber wer sich künftig einen Gratis-Test erschleichen will, dem wird es wohl nicht allzu schwer gemacht.

Stuttgart. In Baden-Württemberg müssen Bürgerinnen und Bürger von Freitag an für einen anlasslosen Corona-Test drei Euro zuzahlen. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart vor Journalisten: «Die ersetzen wir nicht, und zwar in keinem der Länder.» Etwas später relativierte der Grünen-Politiker seine Aussage zu den anderen Bundesländern etwas: «Stand jetzt ist mir auch kein anderes Bundesland bekannt, das hier anders verfahren will.» Lucha begrüßte die Entscheidung des Bundes für ein Ende der anlasslosen Tests, bemängelte aber, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Ausnahmen und die Überprüfung bei den Teststellen noch nicht offiziell geregelt habe. «Da warten wir noch. Aber er hat ja noch zwei Tage Zeit», sagte der Grüne.

Land sieht hohe Missbrauchsgefahr

Das Angebot mit kostenlosen Corona-Schnelltests für alle soll nach einer Verständigung in der Bundesregierung in dieser Woche zu Ende gehen. Die Regelung soll Milliardenkosten für den Bund reduzieren, der die Tests bisher komplett finanziert hat. Die Länder können den Drei-Euro-Bürgeranteil übernehmen, wenn sie sich dazu entscheiden. Gratis bleiben «Bürgertests» ab 1. Juli nur noch für bestimmte Risikogruppen. Hinzu kommt, dass auch Menschen, die einen Angehörigen im Alten- oder Pflegeheim besuchen wollen, Anspruch auf einen Gratis-Test haben sollen.

Hier befürchten die Länder Missbrauch, weil theoretisch jeder behaupten könnte, dass er seine Angehörigen im Heim besuchen möchte. Baden-Württemberg und andere Länder hatten schon vergangene Woche gefordert, dass der Bund auch stärker einschränkt, wer testen darf, und das Testen damit professionalisiert. Lucha erklärte am Dienstag, der Bund wolle nun die bisherigen Teststationen weiterarbeiten lassen und nur neue nicht mehr zulassen.

Testen vor Konzert oder Familienfeier für drei Euro

In der Regel sollen künftig drei Euro aus eigener Tasche pro Test fällig sein: zum Beispiel vor Konzertbesuchen in Innenräumen, vor größeren Familienfesten oder Besuchen bei älteren Menschen, nach Risikokontakten bei einer Warnung auf der Corona-App. Das heißt im Umkehrschluss: Wer nur aus einem Gefühl heraus sich testen lassen möchte, der hat eigentlich keinen Anspruch auf einen Test mit einer Zuzahlung von drei Euro, sondern muss tiefer in die Tasche greifen. Das sind alles vorläufige Regelungen aus dem Haus von Minister Lauterbach. Auf die Frage, wie das alles kontrolliert werden soll, sagte Lucha: «Das ist die Aufgabe des Ministers, uns diese Dinge vorzulegen.» Die Länder seien dafür nicht zuständig.

Ausnahmen für Kleinkinder und Kontaktpersonen von Infizierten

Anspruch auf einen kostenlosen Test haben nach vorläufigen Angaben aus dem Bundesgesundheitsministerium: Kinder bis 5 Jahre, Frauen in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft sowie Besucher und Patienten in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Wer mit einem Infizierten im selben Haushalt lebt, soll ebenfalls von der Zuzahlung ausgenommen sei, wie auch Menschen, die sich nicht impfen lassen können.

Kretschmann beteuert: «Ich habe keine autoritären Gelüste»

Ministerpräsident Winfried Kretschmann erneuerte seine Forderung an die Ampel-Bundesregierung, schnell Vorkehrungen für eine neue Corona-Welle im Herbst zu treffen. Er wünsche sich, dass die Länder im Ernstfall wieder alle möglichen Schutzmaßnahmen ergreifen können. Der 74-Jährige stellte aber auch klar: «Ich habe keine autoritären Gelüste.» Er sei auch «kein Fan von Ausgangssperren». Er gehe fest davon aus, dass man solche Maßnahmen im Herbst und Winter nicht brauchen werde, es sei aber gut, die Möglichkeit in der Hinterhand zu haben.

Die FDP, die auch in der Ampel im Bund auf die Bremse tritt, kritisierte den Regierungschef. «Es mutet geradezu skurril an, wenn Ministerpräsident Kretschmann von sich selbst behauptet, er sei kein Fan von Ausgangssperren, im selben Atemzug aber fordert, sein Corona-Instrumentenkasten müsse auch Ausgangsbeschränkungen beinhalten», teilte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke mit. «Gott sei Dank entscheidet das nicht er, sondern die Ampelkoalition im Bund, bei der die FDP ein gewaltiges Wörtchen mitredet.»

© dpa-infocom, dpa:220628-99-831199/4