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Firmenporträt
Ohne Stickel gibt es keine Prototypen

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Wilhelm Stickel (links) hat zum 25-jährigen Bestehen seiner Firma die Führung an seinen Sohn Matthias übergeben.
Löchgauer Unternehmen produziert unter höchster Geheimhaltungsstufe Erlkönig-Teile für Autohersteller

Löchgau. Löchgau – Was die Firma Stickel herstellt, bekommen nur wenige Menschen zu Gesicht. Oft wird hier produziert, was dann kaputtgemacht wird: Denn alle deutschen Autofabrikanten lassen beim Löchgauer Unternehmen die Blechteile für ihre Prototypen machen. Jetzt zum 25-jährigen Firmenbestehen hat der Senior Wilhelm Stickel an den Junior Matthias übergeben.

In der alten Löchgauer Nagelfabrik hat Wilhelm Stickel mit einer Werkstatt für Karosserie-Instandsetzung begonnen. Seine Lehre hatte er bei einem Omnibusbauer abgeschlossen und „beim Daimler“ seinen Meister als Karosseriebauer gemacht. Schon mit 26 Jahren hatte er sich Mitte der 70er selbstständig gemacht. Das freie Unternehmertum hatte ihm der Vater eingeimpft, einer der letzten Bietigheimer Wagner. Zu den Reparaturen kamen schnell Spezialaufträge der Autotuner Gemballa und AMG dazu. Für sie „dengelten“ sie von Hand Spezialkotflügel, unter denen die Breitreifen Platz fanden. Kurz darauf stand Porsche vor der Türe und wollte Teile für den „959“
in kleiner Stückzahl haben. Stickel spezialisierte sich dann vor 25 Jahren, vom 1. Februar 1987 an, voll auf Sonderanfertigungen. Erst als reine Manufaktur, bald darauf aber schon mit selbst entwickelten und gebauten Werkzeugen. Einen Mitarbeiter hatte er damals. Ab da ging es rasend schnell: 1991 baute er die erste Halle in direkter Nachbarschaft und kaufte den ersten 3-D-Laser an. Ein Präzisionsschneidewerkzeug, das die Bearbeitung von Blechen und Aluminium in allen Lagen zulässt. Schon damals hatte er 20 Mitarbeiter beschäftigt. Drei Jahre später zog er mit 50 Angestellten vollends in den erweiterten Neubau um. Heute hat er 75 Fachkräfte unter Vertrag, zehn Prozent von ihnen sind seit den Anfängen dabei. Der Jahresumsatz 2011 kratzt an der Zehn-Millionen-Euro-Grenze. 700 Tonnen Material werden bei Stickel jährlich verbraucht. Alles, was aus reinem Blech, beschichteten Blechen oder aus Aluminium ist, bringt Stickel in die gewünschte Form. Vom Achsträger über die Motorhaube bis zur Zierleiste. Autohersteller stellen ihm dafür die digitalisierten Daten zur Verfügung und erwarten eine präzise Umsetzung. Das bedeutet für das Stickel-Team: Methode ausdenken, passendes Werkzeug bauen, mit einem Druck von bis zu 800 Tonnen hydraulisch pressen und dann auf einen halben Millimeter genau schneiden. Das Ergebnis wird an den Auftraggeber geschickt und der baut es mit vielen anderen Komponenten zum Prototypen zusammen. Die werden als Erlkönige getarnt rund um den Globus erprobt, nur einem erlesenen Publikum vorgestellt oder bei Crash-Tests einfach gegen die Wand gefahren. Bei Stickel als Teil der Entwicklungsarbeit gilt deshalb höchste Geheimhaltungsstufe. Hier werden Teile in kleinsten Stückzahlen gefertigt, die erst in zwei bis drei Jahren als Serie auf der Straße zu sehen sind. Dieser Teil des Geschäfts macht 85 Prozent des Auftragsvolumens aus. Mehr als 150 Stück pro Bauteil werden es kaum. Weitere fünf Prozent gehen in die Kleinserie. So wurden die Lochbleche der Motorabdeckung des Porsche GT in einer Auflage von 1300 Stück in Löchgau produziert oder die Sitzschale für den Mercedes Maybach mit einem Gesamtvolumen von 10 000 Teilen. Ein drittes Standbein ist die Reproduktion von Ersatzteilen für Oldtimer exklusiv im Auftrag von Porsche, Mercedes und BMW. Nach Originalplänen und mit Originalwerkzeugen. Dieser Zweig macht die restlichen zehn Prozent des Geschäfts aus. Auf den Tag genau nach 25 Jahren hat der 61-jährige Firmengründer Wilhelm Stickel das Unternehmen an seinen Sohn Matthias übergeben. „Schon als ich 16 Jahre alt war, wollte ich in das Unternehmen einsteigen“, sagt der 31-Jährige.
Der Anreiz waren Abwechslung, Herausforderung und die Selbstständigkeit. Seine ganze Ausbildung hat er danach ausgerichtet und wurde Wirtschaftsingenieur. Bislang war er der angestellte Geschäftsführer und der Vater der geschäftsführende Gesellschafter. Jetzt haben sie die Rollen getauscht. „Das funktioniert, wenn sich die Generationen vertrauen, die Alten den Jungen nicht dauernd reinschwätzen und die Jungen die Erfahrung der Alten schätzen“, meinen die Beiden. Nicole Ackermann von der Kreishandwerkerschaft und Innungsobermeister Helmut Renninger gratulierten zum runden Geburtstag und hoffen, dass der Senior der Zunft auch weiter aktiv erhalten bleibt.