1. Startseite
Logo

Ein Projekt für den Frieden

350_0900_17400_COST26_09_17Buerkle_10.jpg
Treffen im Rathaushof beim Empfang der Stadt für das Goethe-Gymnasium und Austauschschüler der französischen Partnerschule Collège Guynemer aus Montbéliard. Foto: Oliver Bürkle
„Alle Menschen werden Brüder“, so lautet eine Zeile aus der Europäischen Hymne, die Friedrich Schiller geschrieben hat. Durch ein gemeinsames Projekt haben Neuntklässler des Goethe-Gymnasiums und von deren französischer Partnerschule Collège Guynemer aus Montbéliard diesen Satz eindrucksvoll mit Leben gefüllt. Bei einem Empfang im Kulturzentrum mit den Austauschschülern sind die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die Deutsche und Franzosen auf schmerzvolle Weise verbindet, präsentiert worden.
Ludwigsburg. Die 64 Jugendlichen haben sich einem großen Thema gewidmet, dem Ersten Weltkrieg. Dafür haben sie Briefe eines Deutschen und eines Franzosen, die unter anderen Umständen vielleicht Freunde geworden wären, ausgewertet und verglichen.

Zum einen handelt es sich um Briefe, die der deutsche Mathematiklehrer und spätere Firmengründer von Mann + Hummel, Dr. Adolf Mann, an seine Verlobte in Stuttgart geschrieben hat. Zum anderen haben die Schüler sich mit den Briefen des französischen Malers Robert Fernier beschäftigt. Beide Männer haben sich im Juli des Jahres 1916 an den Kriegsschauplätzen an der Somme aufgehalten. Auch wenn sie durch die Frontlinie voneinander getrennt waren, berichteten beide Ähnliches: In ihren Briefen schrieben sie von dem Grauen, das sie täglich erlebten, und von den viele Toten, die dieser Krieg forderte.

Die Aufarbeitung dieser Lebensgeschichten basiert auf dem Aufruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande, die sich anlässlich des 100. Jahrestages des Ersten Weltkrieges „100 Projekte für den Frieden in Europa“ gewünscht hatten. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat dieses Projekt mit 8000 Euro gefördert.

Anne Laurin, Direktionsassistentin des französischen Standortes von Mann + Hummel, hat ein Projekt initiiert. Sie hatte die Briefe von Robert Fernier als Gegenstück zu denen von Adolf Mann gefunden. Bei dem Empfang im Kulturzentrum erzählte sie von den Anfängen des Projektes „Blicke kreuzen sich“. Sie wies auf die Bedeutung der 1950 begründeten Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und Montbéliard hin. Die erste deutsch-französische Partnerschaft habe die Versöhnung zwischen den beiden Nachbarländern eingeläutet.

Adolf Mann und Robert Fernier haben dieselbe Schlacht erlebt

Adolf Mann und Robert Fernier hätten die gleiche Schlacht an der Somme erlebt, allerdings aus unterschiedlicher Perspektive. „Ich habe die Tagebücher von Robert Fernier gelesen und war sehr beeindruckt“, erzählte Anne Laurin. Von Sven Rottner, der ebenfalls bei Mann + Hummel tätig ist, erfuhr sie wiederum von den Recherchen von Erik Raidt, der Briefe von Adolf Hummel in der Zeitungsserie „Liebe Daisy“ aufgearbeitet hatte. Die gemeinsame Denkinitiative ermögliche etwas, was in der Realität nicht geschehen sei, sagte sie. Adolf Mann und Robert Fernier, die sich sehr ähnlich waren, treffen in dem Projekt aufeinander.

Alfred Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung von Mann + Hummel Ludwigsburg, Bruno Langer, Generalmanager des Unternehmens in Frankreich, sowie Sven Rottner lasen kürzlich bei einem Empfang in Ludwigsburg Auszüge aus den Briefen.

Auch die Schüler des Goethe-Gymnasiums und des Collège Guynemer hatten zusammen mit ihren Lehrerinnen Kathrin Küßner und Miriam Jalmain in ihren Familien nachgeforscht und waren dabei auf Spuren des Ersten Weltkrieges gestoßen. So lasen unter anderem Elina Köhler und Anna Coletti aus der Feldpost ihres Ur- und Ururgroßvaters, die im Ersten Weltkrieg als Soldaten im Einsatz waren.

„Das sind Beiträge, die zu Herzen und unter die Haut gehen“, zeigte sich Oberbürgermeister Werner Spec beeindruckt von dem Gehörten. Er würdigte das „großartige Projekt“, mit dem ein leidvolles Kapitel der deutsch-französischen Vergangenheit aufgearbeitet werde. Es biete Einblick in eine Zeit, in der der Frieden keine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Gerade auch heute sei es angesichts zunehmender nationalistischer Kräfte in der Politik wichtig, sich für Demokratie und Frieden einzusetzen. „Die Demokratie ist kein Selbstläufer“, so Spec.

Den Abschluss des Empfangs bildete das gemeinsame Singen der Europahymne auf Deutsch und Französisch.