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Baugebiet Kreuzäcker: Grundsatzdebatte endet mit Paukenschlag

Blick vom Wasserhochbehälter Eck auf das im Osten von Marbach liegende Gebiet Kreuzäcker (rechts im Bild die bestehende Bebauung an der Theodor-Heuss-Straße). Die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob am Neubaugebiet weitergeplant oder ob es endgül
Blick vom Wasserhochbehälter Eck auf das im Osten von Marbach liegende Gebiet Kreuzäcker (rechts im Bild die bestehende Bebauung an der Theodor-Heuss-Straße). Die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob am Neubaugebiet weitergeplant oder ob es endgültig ad acta gelegt wird, wurde vertagt Foto: Holm Wolschendorf
Die Entscheidung darüber, ob das bislang auf Eis gelegte Neubaugebiet Kreuzäcker auferstehen oder endgültig beerdigt werden soll, ist vertagt. Grund sind in der Gemeinderatssitzung erhobene Vorwürfe gegen die Verwaltung, wonach die bislang angefallenen Kosten bewusst zu hoch angesetzt wurden.

Marbach. Die Diskussion über die Zukunft des Baugebiets dauerte bereits seit einer Stunde an, die Linien im Gemeinderat zeichneten sich klar ab – Freie Wähler und Teile der SPD für eine Fortsetzung, CDU, Grüne und Puls für einen Schlussstrich unter das Vorhaben –, als SPD-Stadträtin Ute Rößner die Bombe platzen ließ. Sie zweifle die Kosten in Höhe von einer Million Euro an, die laut Stadtverwaltung in den vergangenen sieben Jahren für Planung, Gutachten, den städtebaulichen Wettbewerb sowie Leistungen der LBBW Kommunalentwicklung und des Ingenieurbüros ISTW angefallen seien. „Da wurden Kosten von anderen Projekten hineingerechnet“, so der Vorwurf Rößners, aus Datenschutzgründen könne sie aber öffentlich keine detaillierten Angaben machen. Sie verteilte jedoch eine Liste an die Stadträte und die Verwaltung und ließ so viel heraus: Posten für die Sporthalle Lauerbäumle und aus dem Energie- und Technologiepark, ökologische Voruntersuchungen in Rielingshausen, das und mehr „haben Sie, Herr Trost, vermostet und schenken uns hier schlechten Wein ein“. Die Kosten seien künstlich in die Höhe getrieben worden, um eine Ablehnung des Baugebiets zu erschweren. Ganz nach dem Motto: Man kann doch nicht eine Million Euro in den Sand setzen. „Das ist keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, ich fühle mich von der Verwaltung getäuscht“, so Ute Rößner.

Grünen-Fraktionschefin Barbara Eßlinger stellte nach dieser Wortmeldung sofort den Antrag auf Vertagung, die Vorwürfe müssten genau geprüft werden. Mit zwölf zu elf Stimmen ging der Antrag denkbar knapp durch.

Haltungen der Fraktionen sind glasklar

Die Vertagung spielt den Gegnern des Baugebiets in die Karten. Denn in den Reihen der Grünen und der Gruppe Puls fehlte am Donnerstagabend je ein Stadtrat; sind alle Fraktionen vollzählig, dürfte das Aus besiegelt sein, dann stehen – zumindest auf dem Papier – 13 Stadträte (die Grünen, die CDU, Puls und zwei SPD-Stadträte) gegen Kreuzäcker, die Freien Wähler sowie vier SPD-Räte und Bürgermeister Jan Trost dafür – macht zwölf Stimmen. Das Zünglein an der Waage bei der Abstimmung über die Vertagung war übrigens der Freie-Wähler-Stadtrat und Rielingshäuser Ortsvorsteher Jens Knittel, der dafür stimmte.

Ob die Prüfung der von Ute Rößner erhobenen Vorwürfe, die bis zur nächsten Sitzung im März erfolgen soll, an den grundsätzlichen Haltungen im Gemeinderat etwas ändert, darf bezweifelt werden – zu klar waren da die Äußerungen der Fraktionssprecher. Im Kern schälten sich folgende Positionen heraus: Diejenigen, die an den Kreuzäckern festhalten wollen, sehen darin einen Beitrag gegen den Wohnungsmangel in der Stadt, die Gegner halten es nicht für möglich, das Gebiet zu Konditionen zu entwickeln, die – wenn schon keinen preiswerten – so doch bezahlbaren Wohnraum schaffen. Denn: Vor vier Jahren hatte der Gemeinderat einstimmig beschlossen, das Baugebiet auf Eis zu legen, weil sich bereits einige Bauträger eingekauft hatten und stolze Preise für die Ackerflächen zahlten. Die Stadt hatte sich zwar ein Vorverkaufsrecht gesichert, das sich aber als „stumpfes Schwert“ (Jan Trost) erwies.

Zumindest ein großer Bauträger bewegte sich nach dieser Entscheidung und machte Zugeständnisse mit Blick auf den Anteil bezahlbarer Mietwohnungen. Darauf spielte Jürgen Schmiedel (SPD) an, der auf das gesamte, zwölf Hektar große Baugebiet gesehen „200 bis 250 Wohnungen im Geschosswohnungsbau und davon 30 bis 35 mit sozialer Bindung“ für realistisch hält. Man müsse alles tun, um das nun seit acht Jahren laufende Verfahren positiv abzuschließen: „Was sollen die Bürger von einem Gemeinderat halten, der alles auf null stellt, obwohl alle Forderungen erfüllt wurden?“ Das Baugebiet nicht wieder aufs Gleis zu setzen, bedeutete einen Vertrauensverlust, so Schmiedel, der aber nur für zwei Drittel seiner Fraktion sprach.

Die Freien Wähler sahen das Baugebiet als ein Instrument, um für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen, „dieses oberste Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren“, so Fraktionschef Martin Mistele. Es „ganz bleiben zu lassen“, hieße, „das größte Problem der Deutschen zu ignorieren“.

Dagegen erinnerte Jochen Biesinger (CDU) daran, dass all die Ziele, die der Gemeinderat mit den Kreuzäckern verknüpft habe – eine ganzheitliche Planung, bezahlbarer Wohnraum, ökologische Belange –, nicht erfüllt worden seien. „Wir wollten zudem Preistreiberei und Spekulantentum verhindern, aber die Stadt hat so gut wie keine eigenen Bauplätze, und Grundstücke auf dem freien Markt sind für viele Menschen nicht mehr bezahlbar.“ Das Baugebiet weiterzuverfolgen, diene nicht dem Gemeinwohl.

Hat die Stadt Geld für ihren Anteil?

„Irgendwann muss mal Schluss sein“, so die Grünen-Fraktionschefin Barbara Eßlinger, die ähnlich wie Jochen Biesinger argumentierte und zudem ins Feld führte, dass sich die Stadt das Baugebiet gar nicht leisten könne, weil sie ihren Anteil über Schulden finanzieren müsse. „Wo soll dieses Geld sonst herkommen?“, meinte sie mit Blick auf die zuvor in der Sitzung dargelegte äußerst schlechte Finanzlage der Kommune. „Wir hätten schon viel früher die Reißleine ziehen müssen. Mit einem ‚Weiter so‘ werden wir unsere Ziele nicht verwirklichen können.“

Neben Hendrik Lüdke (Puls), der seine grundsätzliche Ablehnung neuer Wohngebiete und der damit verbundenen Flächenversiegelung bekräftigte, argumentierte SPD-Rat Dieter Zagel gegen das Baugebiet. Er errechnete zu Beispiel Baukosten in Höhe von 6000 bis 9000 Euro pro Quadratmeter und leitete davon Mietpreise von 15 Euro pro Quadratmeter ab: „Wir werden zum allergrößten Teil unerschwinglichen Wohnraum schaffen, wenn wir an den Kreuzäckern festhalten“, so Zagels Mahnung.