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Cem Özdemir hospitiert bei Holzbau Rikker

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Cem Özedmir als Handwerker bei der Firma Rikker. Foto: Oliver Bürkle
Der Grünen-Politiker informiert sich in einem Affalterbacher Handwerksbetrieb über den Einfluss von Politik auf den Arbeitsalltag

Ludwigsburg. Affalterbach. Im Hintergrund rattert die Bohrmaschine, auf dem Boden liegen Sägespäne. Es riecht nach Holz. Mit dem gewöhnlichen Arbeitsplatz eines Politikers hat das nichts zu tun. Aber gerade deshalb ist Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, nach Affalterbach gekommen.

Dort hat er einen Arbeitstag bei der Firma Holzbau Rikker verbracht, um zu erfahren, wie die Politik das unternehmerische und handwerkliche Handeln beeinflusst. „Normalerweise dauert ein Unternehmensbesuch zwei Stunden, hier bekomme ich einen viel tieferen Einblick“, erklärt Özdemir. Anlass der Hospitation ist die Imagekampagne „Wir sind Handwerker. Wir können das“ der Handwerkskammer Region Stuttgart.

Der Tag beginnt für Özdemir um acht Uhr morgens mit der Baustellenbesprechung. Fachgerecht gekleidet mit einem grauen Firmenshirt mit Namensaufdruck und den vorgeschriebenen Sicherheitsschuhen, ist er kaum noch von den bei Rikker angestellten Zimmerern zu unterscheiden.

Doch es bleibt nicht bei der Theorie. Nach der Besprechung bekommt der Politiker von Geschäftsführer Helmut Rikker einige Baustellen gezeigt und besteigt sogar ein Dach. „Alles unter den vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen“, versichert Özdemir, der von 1994 bis 2002 für den Wahlkreis Ludwigsburg im Bundestag saß. Das Anpacken hat der 50-Jährige allerdings dem gelernten Personal überlassen: „Ich habe symbolisch einen Nagel reingeschlagen, mehr wollte ich niemandem zumuten.“

Nach dem Mittagessen – die Mutter von Helmut Rikker hatte extra für Özdemir vegetarisch gekocht – zeigt Rikker ihm noch das Firmengelände. Dabei tauscht sich der der Chef von über 50 Mitarbeitern mit Özdemir rege aus – in bestem Schwäbisch. Es geht um Arbeitsabläufe, Personalkosten, Baustellenplanung und Digitalisierung. Doch auch Probleme, die Rikker die Arbeit erschweren, spricht er an. Allen voran die Bürokratie. „Wir haben ein Übermaß an Vorschriften“, kritisiert Rikker, dessen Firma vor allem auf den Bau von Holzgebäuden spezialisiert ist.

Aber auch Energie ist für ihn ein Thema. Er betreibt Photovoltaik-Anlagen und hadert mit der Förderung. „Erst war sie zu hoch, jetzt ist sie zu niedrig.“

Weitere Probleme gibt es laut Rikker bei der Vergabe von Krediten der größten deutschen Förderbank KfW, und bei der langfristigen Bindung von Gesellen an das Unternehmen. „Ich kann mir aktuell noch meine Azubis aussuchen, aber viele Ausgelernte bekommen nach der Ausbildung Angebote, die sie offenbar mehr reizen.“ Er vermutet flexiblere Arbeitszeiten und die vielen attraktiven Arbeitgeber in der Region als Ursache. „Unseren Betrieb für junge Leute attraktiv zu machen, wird eine unserer nächsten Herausforderungen.“ Seit 1879 gibt es das Unternehmen.

Özdemir hört aufmerksam zu und notiert sich einige Punkte, die er in seiner Arbeit im Ausschuss einbringen will. „Wir haben ein vitales Interesse daran, dass es solchen Familienunternehmen gutgeht“, betont das Mitglied im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie.

Helmut Rikker zieht ein positives Fazit. „Wir geben uns da sehr offen. Probleme und Stärken geben wir gerne weiter.“ Auch der Politiker ist am Ende des Tages beeindruckt. „Ich habe gesehen, dass hier knochenharte, aber sehr kompetente Arbeit geleistet wird.“

Zum Ausklang hat sich Özdemir mit den Mitarbeitern noch zum Nordic Walking getroffen. Heute verbringt er den Tag bei einer Glaserei im Kreis Böblingen.