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Dantes Göttliche Komödie als Text-Musik-Performance

„Polaritäten“ war in diesem Jahr das Thema des Veranstaltungszyklus‘ der Hermann-Haake-Stiftung im Residenzschloss.

Ludwigsburg. Inhaltlich wie künstlerisch war es auch das Motto der Sonntagsmatinee, wo Dante Alighieris mittelalterliches Versepos „La divina commedia“ die literarische Schatztruhe war für eine außerordentlich eindrucksvolle Text-und-Musik-Performance. Der bekannte Rezitator Rudolf Guckelsberger und die junge Schlagzeugerin Vanessa Porter ließen Dantes Visionen grandios lebendig werden.

Aus den Zwickeln des Deckenfreskos im Bacchus-Zimmer grinsen die Reliefs bronzefarbener Satyrköpfe auf das dicht gedrängt sitzende Publikum herab. Es könnten auch Höllenfratzen sein, und das würde dann gut zum 31. Gesang aus Dantes „Inferno“ passen, wo korrupte Beamte im „Schurkenzwinger“ von Teufelsspießen gepiesackt werden mit einer Bildmächtigkeit der Sprache, wie sie einige Jahrhunderte später Hieronymus Bosch in seinem „Jüngsten Gericht“ malerisch schildert. Rudolf Guckelsberger hat für seine Lesung verschiedene Übersetzungen des Dante’schen Originals ausgesucht, angefangen von der ältesten Gesamtübertragung der 100 Gesänge von Lebrecht Bachenschwanz im 18. Jahrhundert bis zu der neuesten von Hartmut Köhler aus dem Jahr 2012. Nicht weniger als 60 deutsche, vollständige Übersetzungen gibt es – ein Zeichen für die Bedeutung des 700 Jahre alten Meisterwerks, das zugleich das Fundament des Italienischen als Schriftsprache bildet.

Als Guckelsberger im 1. Gesang mit Dante und seinem Führer Vergil ins Höllenreich hinabsteigt und vom Unterwelt-Gondoliere Charon mit einem „Weh euch, Verworfene!“ empfangen wird, tritt Vanessa Porter in Aktion. Schier raumsprengend explodieren die Schläge auf den diversen Trommeln, die virtuosen „Rebonds“ von Iannis Xenakis sind ein ausdrucksstarkes Gegenstück zu den Versen Dantes. Bevor es in die Tiefe des Höllentrichters geht, erzeugt Porter auf zwei Marimbas mit Salvatore Sciarrinos „Il legno e la parola“ ein farbig schillerndes Geflecht von Tönen. Bei der die Karfreitagsliturgie parodierenden Prozession des Höllenkönigs mit Judas, Brutus und anderen Untertanen Luzifers bildet Peter Klatzows „Inyanga“ den musikalischen Kontrast.

Knapp, aber anschaulich erläutert Guckelsberger die Bedeutung des „Purgatorio“ und „Paradiso“; aus diesen Teilen zitiert er nur wenige Verse, wie die Begegnung von Dante mit seiner geliebten, jung verstorbenen Braut Beatrice auf der Spitze des Läuterungsberges und der Schwelle zum Paradies. Hier, kommentiert von einer feinfühligen Percussion-Improvisation und David Edgar Browns „Merry-Go-Rondo“ für Marimba, geht es in Dantes Versen um Erleuchtung, spirituelle Erfahrungen, die „beseligende Anschauung Gottes“ in der Gestalt von reinem, ewigen Licht. Rudolf Guckelsberger versteht es, den Verstand und die Herzen seiner Zuhörer zu bewegen.