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Das Rebhuhn antwortet noch

Den Rebhühnern auf der Spur: Nadja Schubring (links) und Barbara Ciocchetti. Foto: Holm Wolschendorf
Den Rebhühnern auf der Spur: Nadja Schubring (links) und Barbara Ciocchetti. Foto: Holm Wolschendorf
Freiwillige erfassen bei Monitoring den Bestand der Tiere – Daraus lassen sich Schritte für den Erhalt ableiten

Steinheim. Barbara Ciocchetti hält mitten auf dem Feldweg einen Lautsprecher in die Höhe und dreht sich damit langsam im Kreis. Er gibt knarrende bis krächzende Geräusche von sich. Danach ist es wieder ziemlich still. Nur das Rauschen des Verkehrs auf der Straße zwischen Steinheim und Höpfigheim dringt ans Ohr. Nadja Schubring notiert den Standpunkt auf ihrer Karte mit einer Null. Alle 100 Meter wiederholen die beiden das Prozedere. Rund zweieinhalb Kilometer haben sie an diesem Abend noch vor sich.

Die beiden Mitarbeiterinnen des Steinheimer Bauamts gehören zu den rund 25 Freiwilligen, die am Mittwoch zu einem Rebhuhnmonitoring gekommen sind. Im Rahmen des Projekts „Allianz für Niederwild“ der Wildforschungsstelle und des Landesjagdverbands finden in Baden-Württemberg seit 2018 solche Aktionen statt. Der Rebhuhnbestand soll dabei systematisch erfasst werden, um dann den Lebensraum für die Tiere zu verbessern. Im Kreis Ludwigsburg gab es am Mittwoch zur gleichen Zeit noch eine Zählung in Bönnigheim.

Die Steinheimer Teilnehmer trafen sich auf dem Parkplatz beim Wellarium. Informationen über das Rebhuhn und das Vorgehen bei der Zählung hatten sie vorab bei einem Onlinevortrag erhalten. Ihnen wurde einer von zwölf Abschnitten in der offenen Landschaft zugewiesen, die zum Teil auf die Pleidelsheimer und Murrer Gemarkung übergingen. Die Suche nach den Rebhühnern begann gegen Sonnenuntergang.

Über den Lautsprecher wird der Ruf eines Rebhahns in Endlosschleife abgespielt. Damit soll der territoriale Balzhahn akustisch provoziert werden, heißt es in der Anleitung. Dieser reagiere auf den vermeintlichen Rivalen oft mit Rufen oder Annäherung. Die Lautstärke drehen die Teilnehmer bei jedem Stopp maximal auf und vor dem Weitergehen wieder herunter. Wenn sie keine Antwort hören, spielen sie den Ruf erneut ab. Ertönt auch nach dem dritten Versuch keine Antwort, geht es ein Stück weiter. Wenn die Teilnehmer ein Tier hören oder sehen, sollen sie die Stelle auf der Karte markieren. Zwar antworten meist nur Hähne, doch auch Hennen sollen erfasst werden. Wenn unklar ist, ob das Tier männlich oder weiblich ist, wird die Sichtung als Rebhuhn vermerkt.

Nadja Schubring hat von der Aktion bei der Arbeit erfahren. „Das interessiert mich. Da mache ich mit“, habe sie sich gleich gedacht. Sie liebe die Natur und beobachte auch gern Vögel im Garten. Über mehrere Jahre habe sie ein Rabenpärchen mit Walnüssen gefüttert: „Das war der Einstieg, dass ich Vögel mehr wahrgenommen habe.“ Barbara Ciocchetti war bereits vor einem Jahr dabei, als die Aktion in Steinheim erstmals stattfand: „Das ist schon spannend. Aber beim letzten Mal waren wir nicht sehr erfolgreich.“ Als Grund fürs Mitmachen nennt sie ihr Interesse an Natur, Umwelt und Artenschutz. Bei der Arbeit ist sie für Baulandumlegungen zuständig.

Weiter geht es zur ehemaligen Kreisstraße zwischen Höpfigheim und Großbottwar. Immer mal wieder sind diverse andere Vögel zu hören. „Das knarzt halt nicht“, stellt Nadja Schubring fest. Dann hört sich aber doch etwas nach Rebhuhn an. Sie zeichnet ein erstes Kreuz auf die Karte. „Man hat uns gesagt, dass eine Sichtung fast nicht möglich ist“, dämpft sie die Erwartung, dass auf einmal ein Rebhuhn angerannt kommen könnte.

Gegen halb sieben wird die Sicht schlechter. Die Luft riecht nach Erde. Wo der braune Acker in den bedeckten Himmel übergeht, sticht eine Unebenheit hervor. Doch es ist nur ein Erdklumpen. Mit dem Fernglas kann man immer nur einen kleinen Ausschnitt der Landschaft überblicken. Und Rebhühner sind mit ihren graubraunen Federn gut getarnt.

Inzwischen sind Nadja Schubring und Barbara Ciocchetti an der Landesstraße zwischen Großbottwar und Steinheim angelangt. Neben dem Weg erstreckt sich eine Blühbrache. Ein Schild informiert darüber, dass sie neben Rebhühnern auch Feldlerchen, Feldhasen und vielen Insektenarten Raum bieten soll. Dafür wurde eine Mischung aus regionalen Gräsern und Kräutern eingesät. Gefördert wird das Projekt eines ortsansässigen Landwirts über die Landschaftspflegerichtlinie des Landes.

Zwischen Brache und Anfang des Gewerbegebiets bleiben die beiden Frauen plötzlich stehen. Sie haben etwas gehört. „Ich lasse ihn mal schreien“, sagt Barbara Ciocchetti und dreht den Lautsprecher auf. Und tatsächlich: Um 18.44 Uhr ist eine krächzende Antwort zu vernehmen, die aber sogleich von vorbeifahrenden Autos übertönt wird. Nadja Schubring macht ein Kreuz auf der Karte. Das dritte und letzte an diesem Abend.

Nach vorläufigem Stand wurden in sechs der zwölf Abschnitte Rebhühner nachgewiesen. Laut dem Steinheimer Umweltbeauftragten Eric Hirsch vor allem in Bereichen, in denen durch Biotopvernetzungen der Stadt oder Förderprogramme des Landes für die Landwirtschaft Lebensraum geschaffen wurde: „Das zeigt, dass das Rebhuhn durch entsprechende Maßnahmen auch in unserem Verdichtungsraum eine Chance zum Überleben hat.“ Beim Monitoring im vergangenen Jahr musste die zweite Zählung coronabedingt ausfallen. Diesmal werden die Strecken am 17. März erneut begangen, um die Ergebnisse abzusichern.