1. Startseite
Logo

Die Maschen der Cyberkriminellen

Ein Cyberkrimineller vor dem Computer: Die Täter sind auch im Landkreis Ludwigsburg auf dem Vormarsch. Foto: Oliver Berg/dpa
Ein Cyberkrimineller vor dem Computer: Die Täter sind auch im Landkreis Ludwigsburg auf dem Vormarsch. Foto: Oliver Berg/dpa
Mehr Digitalisierung ist ja gut und schön. Doch Cyberkriminelle schlagen auch im Landkreis immer häufiger zu und bringen Privatpersonen und Unternehmen um ihr Geld.

Kreis Ludwigsburg. Im April geht bei einem 65 Jahren Mann aus Kornwestheim ein Anruf auf Englisch ein. Am anderen Ende der Leitung gaukelt ihm jemand vor, für den Softwareentwickler Microsoft zu arbeiten. Er macht dem Mann glaubhaft, dass Dritte eine Schadsoftware auf seinem Computer eingerichtet hätten. Auf Anweisung des Anrufers installiert der Kornwestheimer eine Software, die dem Betrüger einen Fernzugriff auf seinen Computer ermöglicht. Kurze Zeit später kommt es zur Überweisung eines vierstelligen Betrags vom Konto des Geschädigten.

2864 Straftaten unter Nutzung des Internets oder von IT-Geräten – das ist ein Plus von mehr als 53 Prozent und ein Rekordwert

Maschen wie diese sind für die Kriminellen offenbar höchst lukrativ. Den Schaden, den sie im vergangenen Jahr unter Nutzung des Internets oder von IT-Geräten angerichtet haben, schätzt das Ludwigsburger Polizeipräsidium, das auch für den Kreis Böblingen zuständig ist, auf fast drei Millionen Euro. Insgesamt zählten die Beamten 2864 Straftaten – ein Rekordwert und ein Plus von mehr als 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Landesweit registrierte die Polizei fast 40000 Fälle, was immer noch einem Anstieg von gut 34 Prozent entspricht.

Maßgeblich für die Zunahme sind vor allem der Waren- und Warenkreditbetrug mit 743 Fällen, aber auch die Verbreitung pornografischer Schriften, Straftaten gegen das Kunsturhebergesetz, Erpressungen und Bedrohungen. Hinzu kommen Computerbetrügereien, die die Polizei unter Cybercrime subsumiert. Hier ermittelten die Beamten im vergangenen Jahr 630 Fälle – 50 mehr als im Vorjahr. Besonders Delikte der Computersabotage würden demnach ins Gewicht fallen.

Nach Beobachtung von Kriminalisten stiegen diese Delikte bereits im ersten Coronajahr 2020 stark an – denn die Pandemie beschleunige die generelle Entwicklung, dass immer mehr Delikte im Netz stattfinden. „Die Coronapandemie hat wie ein Digitalisierungsbooster gewirkt, ein Konjunkturprogramm für das Digitale“, sagte etwa der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Oftmals werden kleine oder mittelständische Unternehmen zur Zielscheibe, wo die IT-Sicherheit noch nicht so ausgereift ist

Was den Einsatzkräften die Arbeit erschwert, schilderte der Ludwigsburger Polizeipräsident Burkhard Metzger bei der Vorlage der Kriminalstatistik so: „Bei Cybercrime ist zu beachten, dass ein nicht unerheblicher Teil der Delikte vom Ausland aus oder zumindest über Server-Standorte im Ausland verübt werden.“ Dieser Umstand führe dazu, dass diese Fälle nicht in der Polizeistatistik abgebildet und damit die Kriminalitätswirklichkeit unvollständig dargestellt werde. Strobl und Metzger gehen vor dem Hintergrund des Krieges und der Sanktionen gegen Russland zudem von einer wachsenden Gefahr von Cyberangriffen aus.

Oftmals sind laut Polizei auch kleinere und mittelständische Unternehmen, bei denen die IT-Sicherheit noch nicht so ausgereift ist, Ziel von Cybercrime-Attacken. Die Kriminellen verschlüsseln zum Beispiel Dateien einer Firma und fordern dann hohe Geldsummen für die Entschlüsselung. „Da aber auch etablierte und seit Jahren vom Hersteller gepflegte Software bislang unentdeckte Schwachstellen aufweisen kann, sind ebenso auch große und wirtschaftlich besonders interessante Ziele angreifbar“, sagt Metzger. Die Polizei habe hier eine zunehmende Professionalisierung und Spezialisierung der Täter beobachtet. Dies beziehe sich sowohl auf ihr Vorgehen, als auch auf die angegriffenen Ziele. Fachleute gehen von einem Milliardenschaden für die deutsche Wirtschaft aus.

In Kornwestheim erkannte das Opfer zu spät, dass ihn ein falscher Microsoft-Mitarbeiter übers Ohr gehauen hatte und wandte sich an die Polizei. Die rät Betroffenen, genau hinzuschauen, mit wem sie es zu tun haben.