Aus Weide lassen sich wunderschöne Gegenstände und Objekte herstellen: Yvonne Rau aus Freudental hat vor sechs Jahren dieses Naturmaterial für sich entdeckt und gibt ihr Wissen in Kursen weiter.
„Ich wollte etwas mit meinen Händen schaffen“, erklärt die 54-Jährige, wie sie zum Weidenflechten gekommen ist. Nachdem die beiden erwachsenen Töchter auszogen, um zu studieren, habe sie nach einem neuen Hobby gesucht. „Es ist ein Freiraum entstanden, den ich nicht mit noch mehr Arbeit ausfüllen wollte“, erzählt Yvonne Rau, die als Diabetesberaterin und Gesundheitspädagogin tätig ist. Kreativität liegt in der Familie: So haben schon ihre Mutter Hildegard Broszius und ihre Schwester Silke Faigle mit der Malerei eine künstlerische Ausdrucksform gefunden. Yvonne Rau war dagegen noch auf der Suche. Zwar war sie schon vorher kreativ tätig, konnte dies durch Beruf und Kinder bedingt lange Zeit nur sehr eingeschränkt ausleben.
Sie besuchte Kurse, um mit verschiedenen Materialien zu arbeiten: Bleiverglasung interessierte sie anfangs ebenso wie das Bearbeiten von Metall oder die Gestaltung mit Ton. Schnell stellte sie fest, dass diese Materialien nicht ihr Ding sind.
Mit einem Gartenzaun fing es an
Als sie gemeinsam mit Korbflechterin Lore Wild aus Oberriexingen einen Zaun aus Weiden für den Garten gestaltete, lernte sie dieses Naturmaterial kennen. „Ich habe regelrecht Feuer gefangen“, erinnert Yvonne Rau sich. Und sie wollte lernen, kreativ damit zu arbeiten. Deshalb belegte sie Kurse an der Sommerakademie der Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels und nahm unter anderem an internationalen Flechtkursen teil. Von Monika Nickel lernte Yvonne Rau zum Beispiel die Kunst des Spiralgeflechts und machte durch Ulla Misser Bekanntschaft mit der sogenannten Zarzotechnik aus Spanien.
Wertvolle Impulse erhielt sie auch von Künstlerinnen aus Skandinavien. „Sie haben ein unglaubliches Gespür für Design“, hat die 54-Jährige festgestellt, die den gegenseitigen Austausch mit Gleichgesinnten als sehr bereichernd empfindet. Flechten zählt zu den ältesten handwerklichen Tätigkeiten der Menschheit und gilt als immaterielles Weltkulturerbe.
Doch nicht nur die unglaublichen kreativen Möglichkeiten, die das Weidenflechten bietet, begeistern Yvonne Rau. Auch das Material selbst übt eine Faszination auf sie aus. Die Weiden werden in der Regel im Winter geschnitten, wenn sich die Bäume in der Ruhephase befinden und saftlos sind. „Der Pflanze schadet das nicht“, so die Kunsthandwerkerin. Dann werden die Äste getrocknet, was ungefähr ein halbes Jahr dauert. In dieser Zeit schrumpfen diese um rund ein Drittel ein und werden hart.
Das ist gut für die Weidenprodukte, aber schlecht für die Verarbeitung. Deshalb werden diese vorher ein bis drei Wochen in Wasser eingeweicht. „Die Weidenruten müssen so geschmeidig sein, dass man sie biegen kann“, erzählt die Expertin. Wichtig ist die Elastizität beim Spiralflechten, wenn die Weiden stark geknickt werden. Abbrechen sollten sie nach Möglichkeit nämlich nicht. Zu nass sollten die Weiden aber auch nicht werden, da sich dann die Rinde lösen kann.
Was sie am Weidenflechten so fasziniert? „Ich kann durch das Flechten Muster und Strukturen schaffen“, sagt Yvonne Rau. Außerdem ist Weide längst nicht gleich Weide: Es gibt sie in vielen verschiedenen Farben von Schwarz, Rot bis Gelb. So lässt sich mit Mustern, Formen und Farben spielen.
Flechten und Musik sind Entspannung
Das Weidenflechten ist für Yvonne Rau der Ausgleich zur Arbeit: „Flechten und Musik hören, das ist für mich Entspannung pur“, sagt sie. Vor allem bei den Skulpturen lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf, hat aber auch schon etliche Alltagsbegleiter kreiert: Ein Korb für die Einkäufe auf dem Wochenmarkt gehört ebenso dazu wie ein länglicher Zarzokorb, mit dem sie die Teigkugeln auf dem Weg zum Backhaus transportiert. Den hauptamtlichen Korbflechtern, die davon leben, will sie auf keinen Fall Konkurrenz machen.
Yvonne Rau zeigt in ihren Flechtkursen, wie sich dekorative Objekte für den Garten machen lassen. Der Panoramagarten von Edeltraud und Peter Xander in Hohenhaslach bildet die perfekte Kulisse für die Sommer-Workshops. Kein Wunder, dass diese Umgebung die Kreativität beflügelt. Im Winter kann die 54-Jährige den Gewölbekeller der Xanders nutzen.
Für eine Ausstellung mit ihrer Mutter und ihrer Schwester im November in Besigheim hat sie damit begonnen, Kunstobjekte zu flechten. Unter dem Titel „Dreigleisig“ wollen die drei kreativen Frauen einen Einblick in ihr kreatives Schaffen geben. Informationen erteilt Yvonne Rau per Mail unter weidenflechterin@outlook.de.