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Ein echter Glücksgriff für den Orgelzyklus

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Virtuose Könnerin an der Orgel: Nicoleta Paraschivescu.
Einen Doktorhut hatte Nicoleta Paraschivescu nicht auf, als sie am Samstagabend in der Besigheimer Stadtkirche in die Tasten griff.

Ludwigsburg. Die gebürtige Rumänin hat zwar im vergangenen Jahr an der Universität Leiden in den Niederlanden über den Komponisten Giovanni Paisiello promoviert. Dennoch ist sie weder als Mensch noch als Instrumentalistin kapriziös genug, um ihre Leistung vor sich her zu tragen. Sie überzeugt lieber mit Taten. Vielleicht ist es diese Eigenschaft, gepaart mit ihrem musikalischen Verständnis, die Bezirkskantor Tobias Horn veranlasst hat, sie nach Besigheim einzuladen. Für den Orgelzyklus war es jedenfalls ein Glücksgriff. Nicoleta Paraschivescu interpretierte Werke in einer Spanne von Barock bis Moderne. Diese Vielseitigkeit hat sie in ihren Studien an den Musikhochschulen Gheorghe Dima im rumänischen Klausenburg ebenso kultiviert wie beim Aufbaustudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.

 

Ihre Stärke spielte sie bei Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge a-moll voll aus. Die Mischung aus Rezitativ und Improvisation, die dem Stück innewohnt, lagen ihr bestens. Was leise beginnt, steigert sich schließlich ins episch Breite. Aus dem Unscheinbaren wird das Unübersehbare. Dieser Effekt ist natürlich vorrangig Bach selbst zuzuschreiben. Allerdings braucht es dafür zudem einen Interpreten, der der Aufgabe gewachsen ist, den Noten das punktgenaue Leben einzuhauchen. An diesem Abend in Besigheim zeigte Nicoleta Paraschivescu, auf welch hohem Niveau sie agiert. Nicht minder glanzvoll interpretierte sie Otto Barblâns „Largo à la Händel op. 26“ aus seinem Spätwerk und „Andante mit Variationen op. 1“ aus seiner frühen Schaffensperiode. Die schnellen Wechsel in den kleinen Klangabschnitten sind oft sehr abrupt und bedürfen großer Aufmerksamkeit.

 

Der zweite Teil gehörte dann vollständig dem Kirchenlied „Ein feste Burg ist unser Gott“, dessen Text und Melodie Martin Luther zugeschrieben werden. Die Künstlerin präsentierte gleich zwei unterschiedliche Bearbeitungen des Hauptthemas. Das erste war Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung über das Lied. Danach folgte Max Regers Fantasie über den Choral, die er seinem guten Freund Karl Straube, der ebenfalls ein Orgelvirtuose war, gewidmet hat. Während bei Bach die majestätischen Barockpassagen die Hauptrolle spielten, spürte man bei Regers Fantasie eindrücklich die eher luftigen spätromantischen Klangausflüge. Die Nüchternheit des einen wurde somit mit den Schnörkeln des anderen konfrontiert und schließlich im Geiste vereint.

 

Paraschivescu erwies sich hier als große Könnerin, da sie beiden Komponisten auf Augenhöhe begegnete und detailfreudig ihre Spezialitäten herausarbeitete, ohne ihren eigenen Stil zu vernachlässigen. Dieser breitete sich in der Stadtkirche aus wie die abendliche Wärme. Mit ihrer Klarheit und Getragenheit luden sie die zahlreichen Besucher des Konzerts ein, die stillen Momente des Sommers zur inneren Einkehr zu nutzen.