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Ein Meisterwerk aus 4600 Tonnen Stahl und Beton

Schweißtreibende Präzisionsarbeit an der Brücke. Foto: Ramona Theiss
Schweißtreibende Präzisionsarbeit an der Brücke. Foto: Ramona Theiss
Das Thermometer zeigt 20 Grad. Auf der Baustelle der Gumpenbachbrücke sind es vormittags gefühlt mindestens fünf Grad mehr. Tendenz für den weiteren Tag: stark steigend. Nicht nur die Eisenbinder schwitzen.

Kornwestheim. Ein Knochenjob. Einige Arbeiter tragen unter der Warnweste kein weiteres Oberteil. Der Helm, auf den die Sonne gnadenlos hämmert, ist obligatorisch wie die Sicherheitsstiefel. Dünne Schweißbäche rinnen nicht nur von der Stirn. In acht Metern Höhe ist der Einsatzort über eine schmale Gerüsttreppe erreichbar. Auf dem engen Pfad oben liegt Material. Schwindelfreiheit ist Voraussetzung. Außerdem eine gewisse Resilienz gegenüber Autofahrern, die sich nicht um das Tempolimit scheren – und das sind viele.

Tonnenweise werden Stahlstangen gerade zu einem mehrdimensionalen Netz geflochten. Darüber wird später zentimeterdick Beton gegossen. Es bildet das Fundament für die neue Verkehrsschlagader von Ludwigsburg nach Stuttgart. Neben Widerlagern und mächtigen Pfeilern.

Bald 50000 Autos am Tag

Die nur 100 Meter lange Gumpenbachbrücke besteht eigentlich aus zwei Bauwerken. Die stammen aus dem Jahr 1954 und waren nach dem Krieg unter den ersten Spannbetonbrücken der noch jungen Republik. 3000 Fahrzeuge täglich waren es anfangs nur, heute sind es über 46000, laut Prognosen bald sogar 50000. Davon sind mehr als sechs Prozent schwere Lastwagen. Alle zusammen haben die Brücke in fast 70 Jahren mürbe gefahren. Das Urteil einer Sonderprüfung 2010 war eindeutig: Ein Ersatzbau ist unumgänglich, mit einer Sanierung nicht mehr getan. Tempolimits wurden erlassen, die Fahrspuren verengt.

Die Arbeiten für das 27 Millionen Euro teure Projekt sind seit 2020 im Gange. Dabei ist die Baustelle in jeder Hinsicht spektakulär. Nachdem die Brücke im Osten fertig gebaut war, wurde die alte, westlich gelegene Brücke zum Jahreswechsel mit einer Präzisionssprengung in die Luft gejagt. Dasselbe Schicksal wird die alte Ostbrücke im Herbst ereilen, sobald der westliche Teil einsatzbereit ist. Dann wird der Neubau im Frühjahr aus seinem Provisorium ein paar Zentimeter gelupft und um etwa elf Meter verschoben. Mitsamt Pfeilern und deren Fundamenten.

Rund 4600 Tonnen Brücke wandern nach dem Prinzip Raupe in einer eigens angelegten Transportschiene in weniger als einer Stunde an den neuen Standort. Es ist so, als wolle man ein achtstöckiges Bürogebäude mit einer Grundfläche von 400 Quadratmetern in gleicher Zeit versetzen. Eine Meisterleistung von Ingenieuren, gepaart mit modernster Technik. Insgesamt werden 400 Tonnen Baustahl, 100 Tonnen Spannstahl und 2800 Tonnen Beton bis zur Fertigstellung verbaut sein, erklärt der Projektleiter des Regierungspräsidiums, Dr. Tim Weirich. Und auch ein kleiner Wald wurde abgeholzt, ergänzt die Bauleiterin der ausführenden Firma Wolff und Müller, Caroline Heß. 150 sogenannte Binder waren als Hilfskonstruktion nötig. Dank vorausschauender Planung sei man von der Baustoffkrise nur gestreift worden.

Arbeiten noch bis Mitte 2022

Bis Mitte nächsten Jahres brauchen die Autofahrer jetzt noch Geduld. Ab Montag ist in beiden Fahrtrichtungen nur noch eine Spur offen, die Ausfahrt Kornwestheim-Nord wird gesperrt. Denn auch die Fahrbahn wird auf einer Länge von gut einem halben Kilometer erneuert, Kanäle neu verlegt.

Insgesamt werden die Bauarbeiten, die einer Operation am offenen Herzen gleichen, noch ein knappes Jahr dauern. Aktuell liegt der zweite von vier Bauabschnitten in den letzten Zügen. Die Bewehrungsarbeiten werden gemacht, Fundamente für die Lärmschutzwände gelegt. Die sollen zwischen 2,5 und sechs Metern hoch werden und die Anwohner vom Krach der Fahrzeuge abschirmen.